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Die unpersönliche Natur des Übels.

Aus der Mai 1909-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Seit vielen Generationen ist die Erziehung des Menschengeschlechtes derart gewesen, daß stets die Neigung vorherrschte, die Menschheit in zwei große Klassen einzuteilen: in gute Leute und böse Leute. Verschiedene Religionslehren der Vergangenheit haben die Menschen als Selige und Verlorene klassifiziert, ohne Rücksicht auf individuellen Verdienst, sondern auf Grund eines vorher bestimmten göttlichen Planes. Das wachsende geistige Verständnis gestand dann nach und nach jedem Einzelnen die Möglichkeit zu, seine Seligkeit durch einen frommen Lebenswandel zu bewirken, zog aber immer noch eine Scheidelinie zwischen guten Menschen und bösen Menschen. Gegen diese strenge Einteilung lehnt sich nun das fortschrittliche Denken vielfach auf, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil gute Menschen sich manchmal die größten Inkonsequenzen zuschulden kommen lassen, während sogenannte böse Menschen oft durch edle Regungen veranlaßt werden, edle und gute Werke zu tun. Theoretisch konnte man zwar eine Scheidelinie ziehen, aber in der Praxis ließ sich das Leben der Menschen nicht nach derselben einteilen.

Unter dem Einfluß einer instinktiven Liebe zum Guten ist das menschliche Denken der engherzigen Auslegung menschlicher Probleme immer mehr entwachsen und hat die Entwicklung des Guten und die Zerstörung des Übels begünstigt, das Endergebnis der Weisheit des liebenden Vaters überlassend. Die Erziehungsmethoden sind vorgeschritten und haben sich auf immer breiteren Bahnen bewegt, bis durch das Erscheinen der Wissenschaft des Christentums in Mrs. Eddys Werk „Science and Health with Key to the Scriptures“ die Welt eine Auslegung menschlicher Zustände erhalten hat, welche die Frage bezüglich des Guten und Bösen aus dem Reich des Persönlichen in das Reich des Denkens verlegt.

Es ist leicht zu verstehen, daß des Meisters Gleichnisse vom Unkraut unter dem Weizen und von den Schafen und Böcken heutigestags wenig erziehlichen Wert haben, es sei denn, der Jünger wende sie auf das Gute und Böse in seinen Gedanken an, anstatt sie auf das Schicksal guter und böser Menschen zu beziehen. Die schwierige Frage, wer gerettet werden und wer verloren gehen soll, löst sich dann in die Frage auf, was gerettet werden und was verloren gehen soll. Dadurch, daß die Welt die Unendlichkeit und Unsterblichkeit des Guten und die zeitliche und vergängliche Natur des Übels erkennen lernt, wird des Menschen Recht, richtig denken zu lernen und demzufolge dauernde Erlösung zu erlangen, festgestellt.

Ein Mann erklärte einst, er wolle nichts von Christian Science wissen, falls sie darauf bestehe, daß man seine Feinde lieben müsse, worauf ihm ein Christian Scientist die unpersönliche Natur des Übels und die scientifische (wissenschaftliche) Methode ihrer Zerstörung in folgender Weise praktisch veranschaulichte. Es wurde die Frage gestellt: „Wenn jemand Sie mit einem Stein wirft und Sie verletzt, und Sie wünschen der Wiederholung eines solchen Angriffes vorzubeugen, würden Sie auf den Stein losgehen?” „Nein, gewiß nicht,” war die Antwort; „ich würde den Mann angreifen, der den Stein geworfen hat.” Dann folgte die Frage: „Wenn Gedanken der Rache, des Hasses und der Eifersucht einen Menschen aufheben und nach Ihnen werfen, würden Sie den Menschen angreifen? Ist es nicht klar, daß er nur der ‚Stein‘ in der Hand der üblen Regungen war, die ihn überwältigt haben, und sollten Sie sich nicht lieber mit dem Gedanken abgeben, der den Mann nach Ihnen geworfen hat?” Wir sehen also, daß das Denken in allen Fällen der Täter ist, und daß der Mann, durch den die Tat ausgeführt wird, nur als Werkzeug einer üblen Regung angesehen werden kann. Der obigen Veranschaulichung gemäß haben wir es also nicht mit einem bösen Menschen zu tun, sondern mit einem, der nicht gelernt hat, einer bösen Regung zu widerstehen und der deshalb ihr Werkzeug geworden ist. Ein Mensch, der nicht genug Stärke besitzt, um dem zu widerstehen, was seinem Bruder Schaden bringt, ist ein größeres Opfer des Übels als der Beschädigte, denn er steht mehr unter der Gewalt des Übels und ist deshalb der Erlösung mehr bedürftig.

Welcher Art ist nun die Befreiung, — sowohl für den Menschen, der geschleudert wird als auch für den Beschädigten? In unserer Erläuterung konnten die nächstliegenden Steine wohl von dem Pfad entfernt werden; dadurch ist aber der bösen Regung des „Werfers” nicht Einhalt getan, und er wird bald andere Steine finden, die seinem Zweck dienlich sind. Wenn hingegen die üble Neigung selbst zerstört ist, so mögen Steine überall umherliegen, ohne zum Schaden anderer verwendet zu werden. Unser Beispiel bezieht sich direkt auf den Geisteszustand, denn beim Überwinden irgendwelcher Schwierigkeiten haben wir es nicht mit Menschen zu tun, sondern mit Sinnesarten; nicht mit Personen, sondern mit den Regungen, welche jene zu Taten veranlassen.

Der individuelle Christian Scientist erwirkt seine Erlösung vom Übel dadurch, daß er sich weigert, demselben die Zustimmung seiner eigenen Gedanken zu geben und es dadurch zu unterstützen. Er weigert sich, so weit er es vermag, dem Übel zu frönen und widersetzt sich der Annahme, daß irgend ein Kind Gottes als Werkzeug des Übels benützt werden kann. Er trennt den Menschen von dem Übel und greift das Übel an, indem er dasselbe als den allgemeinen Feind erkennt, der in allen Menschen zum Ausdruck kommen möchte. Wenn die Sünde nicht mehr auf einen Menschen und durch ihn wirken kann, so kann sie auch nicht mehr anderen durch ihn schaden. Ein Mensch mag dann mit anderen verkehren wie zuvor, hat aber eine solche Macht über das Übel gewonnen, daß es ihn nicht mehr gegen seine Mitmenschen schleudern kann.

Wenn der Schüler der Christian Science dem Übel, das durch einen anderen kommt, ebenso entschieden Macht abspricht als er sich weigert, demselben selbst zu dienen, so trennt er sich dadurch vom Übel und vermindert dessen Einfluß auf sein eigenes Leben, wie auch indirekt auf das Leben derer, die ihm gerne Schaden zufügen möchten. Demjenigen, der dieses Maß der Erleuchtung erlangt hat, wird jeder ihm zugedachte Schaden ein Segen, weil ihn derselbe nötigt, in diesem unpersönlichen Geisteszustand Zuflucht zu suchen und weil er dadurch veredelt wird. Auf diese Weise kann die Versuchung zur Rachsucht am besten überwunden werden, denn der Mensch gewinnt dann nicht nur an seiner eigenen Erlösung Interesse, sondern auch an der seines Mitmenschen. Er steht nicht im Kampf gegen seine Brüder, sondern gegen das Übel, welches alle Menschen umgarnen möchte. Indem er auf diese Weise mit Erfolg kämpft und Böses mit Gutem überwindet, gelangt er schließlich dahin, wo er mit Paulus sagen kann: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?”

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