Es ist nicht leicht, freudig zu sein, wenn menschliche Angelegenheiten vollständig fehlgehen; aber Freude ist geradezu der Mittelpunkt der Christlichen Wissenschaft. Die orthodoxen Kirchen feiern in ihrem Abendmahlsgottesdienst das Andenken an das letzte traurige Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern hielt. Die Christlichen Wissenschafter feiern das freudige Morgenmahl am Ufer des Galiläischen Meeres. Der orthodoxe Christ betont das Märtyrertum und das Gesegnetsein des Leidens; er erwartet vollständige Freude nur als eine weit entfernte Erlangung in einem weit entfernten Himmel. Die Christliche Wissenschaft frohlockt über die gegenwärtige Freude der Überwindung des Leidens. Mrs. Eddys Schriften erglühen von Wörtern wie Freude, Seligkeit, Fröhlichkeit. Sie zitiert die Worte des Geistlichen Dr. Talmage (Miscellaneous Writings, S. 117): „Witz, Humor und dauernde Lebhaftigkeit kennzeichnen Gottes Kinder”.
Mrs. Eddy besteht auf Freude und gründet ihr Bestehen auf Jesu Lehren und Leben. Jesus, der ein „Mensch voller Schmerzen” genannt wurde, sagte von sich: „Solches rede ich zu euch, auf daß meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde”. Freudigkeit ist ein rein mentaler Zustand, unabhängig von Personen oder Dingen. Und da Gott das einzige Gemüt ist, kommt Freudigkeit von unserer geistigen Einheit mit dem göttlichen Gemüt. Die Christlichen Wissenschafter glauben dies und sind bestrebt, es in die Tat umzusetzen.
Diese umwälzende Wahrheit standhaft zu bejahen, erfordert Mut und Beharrlichkeit. Sie steht in direktem Widerspruch mit dem, was wir überall hören, wie die Erklärungen, daß Geld Befriedigung gewähre, daß Menschen einem Freude machen, daß Stellung Freudigkeit bedeute, daß einer sehr glücklich sei, weil er sehr viel verdient. Und so halten diejenigen, die materiellen Reichtum angehäuft haben, mit Furcht daran fest, und diejenigen, die keinen haben, sehnen sich danach oder kämpfen darum oder stehlen sogar, um ihn zu bekommen. Nun besteht Freudigkeit nicht im Bekommen, sondern im Wissen und Beweisen, was wir göttlich sind. Und der wirkliche Mensch schließt die Ideenwelt in sich. Da dies wahr ist, kommt bewiesene Freudigkeit vom Wissen und vom beharrlichen Leben der Wahrheit. Sie kommt vom Sichweigern, die Lüge zu glauben, daß wir materiell seien, in einer materiellen Welt leben, in der manche glücklich, andere unglücklich, manche krank, andere gesund seien. Gottes Mensch und das Weltall sind geistig. Wir alle haben durch Widerspiegelung alles Gute. Hieraus ersehen wir, was das Weltall geistiger Ideen für uns enthält: unendliche Ideen, die sich jetzt und in alle Ewigkeit entfalten, weil Gott unendlich ist!
Gerade hier, wo dem materiellen Sinn Mangel und Elend erscheinen, selbst angesichts dieses lügenden materiellen Zeugnisses, enthüllt die Christliche Wissenschaft die feststehende Wahrheit. Der materielle Sinn sagt vielleicht: „Sie hat alles, was das Leben reich und frei macht. Ich lebe ein kümmerliches, eintöniges Dasein”. Wer ist dieses „ich” und „sie”? Die eine so begünstigt, die andere so begrenzt? Sind sie der Mensch der Schöpfung Gottes, der Mensch, dem Er Herrschaft „über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel” gab? Konnte der alliebende, allweise, allmächtige Gott Begünstigung erzeigen? Sein Gesetz wirkt für alle, überall. Die scheinbare Ungerechtigkeit ist ganz in einer falschen Anschauung von Gott und dem Menschen, in falschem Denken. Wie man sich über eine solche Wahrheit doch freuen muß! Kein Raum für Selbstbedauern! Scheinbare Ungerechtigkeit wird ein Ansporn zu kräftigeren Bejahungen unserer Gottessohnschaft.
Mit der Versicherung, daß wir im Gemüt „leben, weben und sind”, sind wir ausgerüstet, Herrschaft über jede menschliche Lage zu haben, Freude darin zu finden. „Sogar im Krieg?”, mag jemand fragen. Ja, sogar im Krieg, wenn der Beweggrund und das Ziel unseres Zwecks recht sind. Während des ersten Weltkriegs schrieb ein junger Christlicher Wissenschafter einem Freund in der Heimat und schilderte ihm die schreckliche Straße, auf der er jede Nacht unter Granatfeuer eine Ambulanz fuhr. Nach der Beschreibung bemerkte er: „Trotzdem hatte ich auf jener Straße größere Freude als die Freude am Abenteuer. Es war die Freude der Furchtlosigkeit und der Tätigkeit und angesichts der Scheinmacht des Bösen die Freude der Überlegenheit über sie. Es war Freude im Bewußtsein der Gegenwart und Macht Gottes”.
Die Christlichen Wissenschafter sind Streiter an der Front, solange die Lüge des Bösen ihre Stimme erhebt. Die Front ist nicht ein Platz, sondern ein Gedankenzustand. Wir sind Streiter, ob wir zu Hause, im Geschäft, in der Politik, in der Schule oder im Gefecht sind; ob wir langweilige oder hochinteressante Aufgaben ausführen — wir sind geistige Streiter, die das Licht geistigen Verständnisses in der Finsternis der Unwissenheit, gleichviel wo diese auch immer zu sein beansprucht, leuchten lassen. Wie der junge Soldat Freude auf einer kriegsruinierten Straße in Frankreich fand, so werden wir, wenn wir geistig treu sind, unsere Freude überall finden, wenn wir alles tun, was von uns zur Erlösung der Menschheit verlangt werden mag. Laßt uns nicht vergessen, daß wir als Christliche Wissenschafter dazu verpflichtet sind!
In „Miscellaneous Writings” (S. 9, 10) macht uns Mrs. Eddy darauf aufmerksam, daß „ein falscher Sinn der Freudigkeit dem menschlichen Fortschritt unheilvoller ist als alles, was ein Feind oder Feindschaft dem Gemüt aufzwingen oder seinen Absichten und Vollbringungen einpflanzen kann, um des Lebens Freuden zu trüben und seine Sorgen zu vergrößern”. Aber sie versichert uns (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 188): „Wenn ihr arbeitet, gewinnen die Zeitalter; denn die Erhabenheit der Christlichen Wissenschaft lehrt die Erhabenheit des Menschen”.
Ich erachte Dienst für ehrenvoller als Besitz. Ich sehe die Menschen als Brüder in Zeiten der Ruhe und in Zeiten ungeheuren Unglücks die Hände über Land und Meer, über die alten Rassen-, Religions- und Zustandsgrenzen einander entgegenstrecken. Ich sehe die Herzen der Menschen in neuer Liebe und Sorgfalt und in Verständnis zu den Tieren auf dem Felde und zu den Vögeln unter dem Himmel ausgehen. Ich höre die Stimmen der Dichter und der Propheten die Herzen aufrütteln und die Seelen der ganzen Menschheit emporheben, und in dem allem sehe ich das Gemüt des Menschensohnes und die Macht des Ewigen Willens.—
