Auf Seite 352 des Lehrbuches „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” gibt Mary Baker Eddy uns die Grundlage, von der aus Christus Jesus die Werke vollbringen konnte, wodurch er sich als Sieger über die Begrenzungen und bösen Annahmen erwies, die die Menschen einschränken, entkräften und vernichten. Dort schreibt sie: „Für Jesus war nicht Materialität, sondern Geistigkeit die Wirklichkeit vom Dasein des Menschen.” Dies entspricht der eigenen Erklärung Jesu, wie wir sie im Evangelium des Johannes finden: „Der Geist ist’s, der da lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze.” Also kann die Wirklichkeit vom Dasein des Menschen nur im Geist gefunden werden; die Ideen des göttlichen Gemüts bilden seine Wesenheit, und die Eigenschaften des Geistes seine unsterbliche Substanz.
Da Geistigkeit die Wirklichkeit vom Dasein des Menschen ist, sind die Fähigkeiten des Menschen geistig und unzerstörbar. Der Mensch besitzt diese geistigen Fähigkeiten durch Widerspiegelung. Er sieht, weil das göttliche Gemüt sieht. Er hört, weil das göttliche Gemüt hört. Dies wird ganz klar in „Wissenschaft und Gesundheit” gelehrt, wo wir auf Seite 586 die folgende Definition finden: „Augen. Geistiges Erkennen—nicht materiell, sondern mental.” Gibt das nicht dem biblischen Bericht von der Heilung der zwei Blinden, die Jesus baten, ihnen das Augenlicht wiederzugeben, eine große geistige Bedeutung? Wir lesen da: „Und Jesus sprach zu ihnen: Glaubt ihr, daß ich euch solches tun kann? Da sprachen sie zu ihm: Herr, ja. Da rührte er ihre Augen an und sprach: Euch geschehe nach eurem Glauben. Und ihre Augen wurden geöffnet.” Das bezeugt ganz gewiß geistige Wirksamkeit. Ihr Glaube, der von geistiger Erkenntnis berührt wurde, offenbarte die Wirklichkeit und unbeeinträchtigte Vollkommenheit des geistigen Augenlichts und verscheuchte das Dunkel der falschen Annahme. Jesus „rührte ... ihre Augen an” weckte ihr „geistiges Erkennen” und sie konnten sehen.
Heutzutage berührt die Christliche Wissenschaft unsre Augen, weckt unser geistiges Erkennen, so daß wir sehen können. Geistige Erkenntnis sieht nur die Vollkommenheit der Wirklichkeit, und diese Fähigkeit kann stetig und bewußt ausgebildet werden. Dies bedeutet, daß einer ablassen kann von dem Versuch, materielle Organe sehend zu machen. Mit Geduld und Ausdauer kann er sich weigern, die Bilder des Sinnenzeugnisses als wirklich anzuerkennen; ja er kann sich geistig weigern, irgend etwas außer der Vollkommenheit Gottes zu sehen. Dies bedeutet, daß, wenn und wo auch immer Verkrüppelung, mentale oder körperliche Mißbildung, Krankheit oder Verfall ihre verkehrten Bilder darbieten, er ihnen Wesenheit, Platz, Ursache und regierendes Gesetz absprechen und im Licht der Wahrheit die immer gegenwärtige Vollkommenheit des Geistes erklären wird.
Im Christian Science Sentinel vom 10. Mai 1930 beschreibt ein junges Mädchen, wie es durch das Lesen von „Wissenschaft und Gesundheit” in Blindenschrift von Blindheit geheilt wurde. Es erzählt: „Ich erkannte, daß das Sehen eine Fähigkeit des Gemüts ist und daher niemals verlorengehen kann. Auch entdeckte ich, daß in der Schöpfungsgeschichte von Licht gesprochen wird, ehe die Sonnenstrahlen Erwähnung finden. Dann erkannte ich, daß dieses Licht das Licht der Wahrheit ist. Da Gott überall ist, war also auch die Wahrheit überall; daher war alles Licht. Ich machte mir dies alles klar, und eine kleine Anstrengung brachte mir einen großen Lohn.” Wahrlich hatte die Christliche Wissenschaft ihre Augen berührt, ihre geistige Erkenntnis geweckt, und sie konnte sehen.
Eine andere sehr interessante Definition im „Glossarium” des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuches befindet sich auf Seite 585. Sie lautet: „Ohren. Nicht Organe der sogenannten körperlichen Sinne, sondern geistiges Verständnis.” Wenn man die Wahrheit dieser Definition versteht, so wird man aufhören mit seinen nutzlosen Bemühungen, materielle Organe hörend zu machen oder ihnen etwas wiederzuerstatten, was sie niemals wirklich besaßen. Man wird vielmehr aufmerksam auf die Stimme der Wahrheit lauschen und nur sie hören und als wirklich anerkennen, da sie die unendliche Vollkommenheit des Seins erklärt, den unzerstörbaren Gehörssinn der Seele. Es gibt keine Traurigkeit in der Stimme der Wahrheit, keine Furcht, keine Ungewißheit, keine Qual. Die Stimme der Wahrheit wird niemals in „losem Geschwätz” gehört, in anzüglichen Bemerkungen oder der Aufzählung von Irrtümern irgendwelcher Art. Wenn man auf diese lauscht, so wird der wahre Gehörssinn, das geistige Verständnis, ganz gewiß abgestumpft.
In der Stimme der Wahrheit ist ein Klang von Freude, Heiterkeit, Güte und Tiefe des Verständnisses. Die Wahrheit spricht klar von Gesundheit und Frohmut, von Fülle und tatenreichem Wohlbefinden; von der Liebe und Weisheit Gottes, von dem Adel und der Vollkommenheit des Menschen, Seines Gleichnisses. In dem Maße, wie einer hingebend der Stimme der Wahrheit lauscht und den Ansprüchen der Sinne widerspricht, wie er bewußt den Gehörssinn des „geistigen Verständnisses” ausbildet, wird er finden, daß sein menschlicher Gehörssinn immer klarer und schärfer wird. Dieses Horchen jedoch, um wirksam zu sein, muß ein aufmerksames ehrliches Lauschen bedeuten—um der Wahrheit selbst willen, und nicht um menschliche Vorteile zu erlangen.
„Öffne mir die Augen, daß ich sehe die Wunder an deinem Gesetz.” Dieses Gebet des Psalmisten findet Widerhall in gar manchem Herzen, und durch die Christliche Wissenschaft kann dieses Gebet erhört werden. Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, uns abzuwenden von den materiellen Sinnen, die nur von der Unwirklichkeit zeugen, die nur das sehen und hören, was falsches Zeugnis ablegt gegen die Wahrheit. Sie verführen uns, in der Materie zu suchen, was niemals darin zu finden ist. Kann man irgendwelche Eigenschaften des Geistes oder Fähigkeiten des Gemüts finden in dem, was Materie genannt wird? Sucht man Intelligenz, Vernunft, Freude, Frieden und Macht in der Materie?
Würde man sich etwa an den Menschen mit dem größten Gewicht wenden, um die größte Weisheit, das beste Urteilsvermögen und die entschiedenste Tatkraft zu finden? Wenn jedoch die Materie die Quelle und der Besitzer dieser Eigenschaften ist, wie das menschliche Gemüt erklärt, wäre es dann nicht logisch anzunehmen, daß jemand die Eigenschaften des Gemüts umso mehr ausdrücken müßte, je mehr Materie er besäße, und umgekehrt: je weniger Materie, desto weniger Gemüt? In solchem Falle würde einer die Wage mit dem größten Interesse beobachten, um zu wissen, wieviel er an Intelligenz, Freude, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Freundlichkeit zugenommen oder abgenommen hat. Ist es nicht ganz klar, daß Intelligenz und Vernunft, Offenbarung und Wissenschaft uns gebieten, uns an das Gemüt und allein an das Gemüt zu wenden, um Leben und die wahren Fähigkeiten des Menschen zu finden, die niemals den Geist oder das Gemüt verlassen, um in die Materie oder das Fleisch einzukehren, und die niemals den Beschränkungen und Unzulänglichkeiten des Fleisches unterworfen sind?
Die Christliche Wissenschaft hat in der Tat das Gebet des Psalmisten erhört. Sie hat unsre Augen geöffnet, daß wir die Wunder an Gottes Gesetz sehen können, doch nicht etwa als transzendentalen Idealismus, sondern als exakte Wissenschaft. Sie öffnet unsre Augen, daß wir die Wirklichkeit alles Seins als geborgen in der Substanz des Gemüts erkennen können, ruhig in der Allmacht des Geistes, selbstlos in der Liebe, vom Prinzip regiert und freudig in der Seele. Das bedeutet, mit den Augen des geistigen Erkennens zu sehen und mit den Ohren des geistigen Verständnisses zu hören.
