Ja, Gott hat „dich lieb.” Gott hat uns immer geliebt und wird uns immer lieben. Und warum? Weil Gott uns erschaffen hat. Er ist unser Vater, der Ursprung unseres wirklichen, todlosen Seins. Bringt dies dem Herzen nicht Ruhe und Freude, Frieden und Freiheit? Ist die Erkenntnis, daß Gott uns liebt, nicht eine Erleichterung, und macht sie uns nicht glücklicher? Dies ist ganz natürlich; fühlen wir doch die Wirkung eines grundlegenden geistigen Gesetzes, das das ganze unendlich Gute, das dem Menschen von Gott zufließt, ewig fortbestehen läßt. Die Erhabenheit der göttlichen Liebe schließt die wahren Triebkräfte des Seins des einzelnen ewig in sich.
„Weil du so wert bist vor meinen Augen geachtet, mußt du auch herrlich sein, und ich habe dich lieb”, berichtet Jesaja. Die Menschheit wendet sich daher mit Vertrauen, Zuversicht und Genugtuung an Gott—wendet sie sich doch an die große Grundordnung des Geistes, die alles Leben regiert. Sie wendet sich an die Liebe. Die wohltätige, strahlende, reine Liebe zieht alles Gleichartige, Herrliche und Würdige zu sich. Daß jeder von uns Geistigkeit, das Gute, Erbarmen liebt, macht uns für die unaufhörliche Anziehung der göttlichen Liebe empfänglich. „Du bist wert vor meinen Augen.” „Du mußt herrlich sein.” „Ich habe dich lieb.” Wer könnte sich diesen liebevollen, vertrauensvollen, anspornenden Erklärungen unseres Vater-Mutter-Gottes betreffs des Menschen, den Er kennt und regiert, verschließen?
Unsere menschliche Daseinsauffassung vervollkommnet sich in dem Maße, wie wir uns der Liebe bewußt werden. Liebe veredelt, erhebt, läutert; sie teilt Freude, Güte, Freiheit mit; sie verleiht Mut, Stärke, Fähigkeit; sie berichtigt das menschliche Denken, daß es mehr Erbarmen, mehr Milde und Herzensgüte ausdrückt. Weil Gott uns liebt, drücken wir Seine Liebe in dem Maße aus, wie wir die unaussprechliche göttliche Liebe verstehen und beweisen, und in diesem Unendlichkeitsbewußtsein werden die Segnungen des Bruders im Verhältnis zu unserer Liebe unsere Segnungen. Unser Leben ist in dem Maße ein Segen für andere, wie wir unsere von Gott verliehene Liebe in Güte gegen unsere Mitmenschen ausdrücken.
Ist dies nicht eine der Lehren, die Jesus durch sein Gleichnis vom barmherzigen Samariter gab? Ein von Dieben überfallener Mensch lag beraubt und verwundet am Wege. Ein Priester kam des Weges; er war in der Glaubenslehre unterrichtet und zweifellos mit den Lehren des Alten Testaments über Gott gut vertraut; aber er ging hartherzig auf der andern Seite der Straße vorüber. Wo war sein Verständnis der Liebe Gottes, und wo war seine Liebe zum Menschen? Dann kam ein Levit des Weges; er war wahrscheinlich stolz auf seine Befolgung des mosaischen Gesetzes, aber dem traurigen Geschick des Fremden gegenüber gleichgültig; auch er ging auf der andern Seite der Straße vorüber. Aber ein Samariter, der des Weges zog, kam an die Stätte, wo der Mann lag, und der Samariter hatte Erbarmen, der Samariter hatte Liebe. Er verband die Wunden des Fremden und nahm ihn in eine Herberge, wo er verpflegt werden konnte. Der Samariter zeigte dadurch, daß er Liebe zu seinem Nächsten hatte, den er sah, seine Liebe zu Gott, den er nicht sah.
Auf Seite 12 in „Miscellaneous Writings” schreibt Mary Baker Eddy: „Wir sollten unsere Liebe zu Gott nach unserer Liebe zum Menschen bemessen, und unser Sinn der Wissenschaft wird sich nach unserem Gehorsam gegen Gott bemessen—danach, wie wir das Gesetz der Liebe erfüllen; allen Gutes tun; allen, die in den Bereich unseres Denkens kommen, die Wahrheit, das Leben und die Liebe insoweit mitteilen, wie wir sie widerspiegeln.” Die Welt braucht Liebe, und der Christliche Wissenschafter sollte Liebe zu geben haben. Hat nicht jemand, der Gott liebte, einmal innegehalten, uns auf dem Lebenswege zu helfen, unsere Last erleichtert, uns aus Erbarmen und Freundlichkeit gegeben, was uns nottat? Was für eine Dankbarkeit in uns aufstieg, als wir nicht nur der Last enthoben wurden, sondern das Wohlwollen der Liebe fühlten! Durch das Ergründen der Christlichen Wissenschaft lernt der Wissenschafter die wahre Art der Liebe immer mehr verstehen. Viele warten sehnlich auf die liebreiche Hilfe, die wir alle sollten darbieten können, und die den Kreis derer erweitert, die Gott suchen, und Seinen Worten: „Ich habe dich lieb”, Bedeutung verleiht.
Der Mensch ist nicht der Urheber der Liebe, die er hat; ihr Ursprung ist in der unendlichen Liebe. Der Mensch liebt, weil er von Gott geliebt wird und fühlt, daß Gottes Liebe ihn umgibt. Der geliebte Jünger Johannes, der die Art der Liebe klar wahrnahm, schreibt: „Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat. Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. ... Lasset uns ihn lieben; denn er hat uns zuerst geliebt.”
Henry Drummond erzählt in seinem Buch „Das Größte in der Welt”: „Edward Irving besuchte einst einen sterbenden Knaben; als er in das Zimmer kam, legte er dem Leidenden nur die Hand auf das Haupt und sagte: ‚Mein Junge, Gott liebt dich‘, und ging seines Weges. Der Knabe stand vom Bett auf und rief den Leuten im Haus zu: ‚Gott liebt mich! Gott liebt mich!‘ Das eine Wort wandelte den Knaben um! Das Bewußtsein, daß Gott ihn liebte, überwältigte ihn, taute ihn auf und begann ein neues Herz in ihm zu schaffen.”
„Er hat uns zuerst geliebt”! Der Makel der Unreinheit, das sittlich abgestumpfte Gewissen, sogar die Schmerzen und Gebrechen des Fleisches werden geheilt und finden keine bleibende Stätte im Denken dessen, der geistig erkennt, daß Gott ihn liebt. Die Liebe ist rein und vernichtet Sünde; die Liebe ist heilig und beseitigt Krankheit; die Liebe ist das Leben—das ewige, unendliche, überschwengliche Leben—das den Tod aufhebt. Gott ist die Liebe, und Gott ist das All.
Die Liebe durchdringt die Lehren der Christlichen Wissenschaft so gründlich, daß bei der Anwendung dieser Wissenschaft das von der Liebe eingegebene Denken fähig ist, leibliche und sittliche Schwierigkeiten aller Art zu heilen. Wie können wir den Menschen helfen, die Liebe zu erkennen, wenn wir die Liebe nicht zuerst selber kennen? Und wo sollen wir dieses tiefe, alles befriedigende, herrlich heilende Prinzip, die Liebe, finden außer in dem geoffenbarten Wort Gottes—der Heiligen Schrift, und bei dem Tröster, der göttlichen Wissenschaft, in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mrs. Eddy, und allen anderen Werken unserer Führerin—und dort tief aus dem Brunnen des lebendigen Wassers trinken? Dort finden wir es und zwar in so reichem Maße, daß wir uns der Allgegenwart der Liebe erfreuen und ihre Allmacht besser verstehen.
In ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1901 (S. 1, 2) schreibt Mrs. Eddy: „Als Christliche Wissenschafter sucht ihr euch Gott durch das Fühlen und Gebrauchen der Art und Anwendungsmöglichkeiten der göttlichen Liebe zu erklären—die unbedingte und höchste Gewißheit zu erlangen, daß das Christentum jetzt das ist, was Christus Jesus lehrte und bewies: Gesundheit, Heiligkeit und Unsterblichkeit. Das höchste geistige Christentum im Leben des einzelnen ist zum Erlangen größerer Macht in der vervollkommneten Wissenschaft der Heilung von Krankheiten aller Art unerläßlich.” Diese anspornende Erklärung unserer Führerin sollte uns zu höheren Leistungen im überzeugenderen Beweisen der Liebe, die heilt, verhelfen.
Wenn man einmal verstehen gelernt hat, daß Gott, die göttliche Liebe, heilt, ist es mehr als Pflicht, sich mit dem Heilen zu beschäftigen. Es ist eine geistige Gelegenheit, die geradezu die Pforten des Himmels öffnet und den natürlichen, göttlichen Weg unseres bewußt im Kreislauf der Liebe weilenden Seins enthüllt. Der Wissenschafter erhebt sich über Unwissenheit und Unfähigkeit, er strauchelt und zögert nicht angesichts des Gebots Christi, die Kranken zu heilen, wenn er versteht, daß es die göttliche Liebe ist, die heilt. Mrs. Eddy weist uns an (Anfangsgründe der göttlichen Wissenschaft, S. 8): „Seien Sie ehrlich, seien Sie wahr gegen Sie selber und wahr gegen andere; daraus folgt, daß Sie in Gott, dem ewig Guten, stark sein werden. Heilen Sie durch die Wahrheit und die Liebe; es gibt keinen andern Heiler.”
Vielleicht mag jemand fragen: Was kann ich heilen, wenn mich niemand gebeten hat, ihn zu heilen? Eine kurze Selbstprüfung wird schnell viele Irrtümer aufdecken, die geheilt werden sollten. Laßt uns in uns selbst hineinschauen und hier das Denken läutern, so daß es von Liebe erstrahlt und ein heilsamer, passender Aufenthalt für uns wird! Dann werden sich auf Gottes Art und Weise die größeren Gelegenheiten entfalten, die Menschen zu segnen und zu heilen, und es wird sich uns auch enthüllen, wie die Übelstände der Welt zu heilen sind. Der wissenschaftliche Ausüber betrachtet das menschliche Gemüt weder beim Arbeiten für sich selbst oder für andere, noch beim Handhaben von Annahmen für die Welt als ein Mittel zur Heilung. Man kann sagen, daß Heilung in der Christlichen Wissenschaft Vergeistigung, Auferweckung und Erhebung des Denkens über einen sterblichen, falschen Sinn ist, und zwar dadurch, daß man sich an das göttliche Gemüt als das einzige Bewußtsein, als alles Sein, alles Leben, als die Liebe, wendet. Die heilende Kraft gehört Gott, und der Mensch ist in dem Verhältnis, wie er das Göttliche bewußt widerspiegelt, mit dieser Macht bekleidet.
Christus Jesus vollbrachte alle seine Heilungen durch die göttliche Liebe. Unser Meister war sich völlig bewußt, daß Gott ihn liebte. Er bewies durch das Heilen von Kranken, das Befreien von Sündern und das Auferwecken von Toten, daß die Liebe ein allumfassendes Gesetz Gottes ist, das sich auf die ganze Menschheit erstreckt. Überdies veranschaulichte und bewies er, daß die Liebe das beherrschende Prinzip seines Seins war und selbst die kleinste Einzelheit seines zeitweiligen irdischen Lebens durchdrang. Er tat dies für uns, damit wir seinem Beweis nacheifern können. Man bedenke: gerade hier, wo wir jetzt sind, umgibt uns die Liebe Gottes mit ihrer gütigen Fürsorge, ist sie immer bereit, uns zu führen, wenn wir bereit sind, der Liebe zu folgen, die uns aus dem materiellen Leben heraus in das göttliche Leben führt.
Jesus betete für die Menschheit, für uns, für alle, die den Christus annehmen, daß wir an Gottes Liebe teilnehmen und Gottes Macht beweisen möchten. Johannes berichtet Jesu Gebet: „Nun wissen sie, daß alles, was du mir gegeben hast, sei von dir. ... Ich bitte für sie und bitte nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast; denn sie sind dein. ... Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und will ihn kundtun, auf daß die Liebe, damit du mich liebst, sei in ihnen und ich in ihnen.”
Christus Jesus betete, daß Gottes Liebe, die in seinem Leben so klar zutage trat, die ihn befähigte, zu heilen und ihn als den Sohn Gottes auswies, in allen kundwerden möchte, die an ihn, den Christus, glauben. So wird die göttliche Liebe immer mehr das beherrschende Prinzip für jeden, der bestrebt ist, Christus-ähnlichkeit darzutun und zu beweisen, daß er tatsächlich geistig das Kind Gottes ist, daß Gott ihn liebt. Wie freudig wir geistig vorwärts schreiten, wieviel mehr wir für uns und unsere Mitmenschen tun werden, wenn in unserem Herzen die Worte erklingen: „Ich habe dich lieb”!
