„Fröhliche Weihnachten!“ Bald wird in der ganzen christlichen Welt dieser freudige Gruß wieder erklingen, um den Menschen von neuem jene nie veraltende Botschaft der Hoffnung und Zuversicht zu bringen. Wie oft hört man jedoch solche Klagen wie: „Oh, wie ich mich vor den kommenden Feiertagen fürchte! Weihnachten macht mir keine Freude mehr.“ Bedeutet solch eine Erklärung nicht gleich eine bedauernswerte Unwissenheit betreffs der geistigen Bedeutung des heiligen Jahrestages? „Für mich bedeutet Weihnachten“, so schreibt Mary Baker Eddy in ihrem Buch „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (S. 262), eine Erinnerung an Gottes große Gabe—Seine geistige Idee, den Menschen und das Weltall—eine Gabe, die so bei weitem alles sterbliche, materielle, sinnliche Schenken übersteigt, daß die Vergnügungen, der Ehrgeiz, der Wettstreit und die Bräuche unsrer herkömmlichen Weihnachtsfeier ein menschliches Spottbild der wahren Anbetung in Erinnerung an das Kommen Christi zu sein scheint.“
Für den Christlichen Wissenschafter ist Weihnachten daher gleichbedeutend mit Geben, nicht mit Nehmen; also sollte der Wissenschafter sich der Feier der Geburt des Meisters mit dem ernsten Gebete nahen, daß die göttliche Liebe, der unendliche Geber alles Guten, ihn in dem beglückenden Werk des Gebens anstellen wird. „Also hat Gott die Welt geliebt,“ lesen wir im dritten Kapitel des Evangeliums von Johannes, „daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Dies war wahrlich „Gottes große Gabe“, wie sie in der ganzen menschlichen Erfahrung des sanftmütigen und doch mächtigen Nazareners Ausdruck fand. Aber kann behauptet werden, daß diese große Gabe nur in der Persönlichkeit von Christus Jesus zu finden war? Ist der „eingeborne Sohn“ nicht die herrliche geistige Idee von des Menschen Sohnschaft mit dem Vater, die der Meister lehrte?
Angenommen, eine Gruppe von Wanderern hat sich in einem dichten und scheinbar undurchdringlichen Walde verirrt. Sie haben weder Karte noch Kompaß. Pfade scheinen nicht zu existieren. Verwirrung und Verzweiflung sind an der Tagesordnung. Es ist offenbar, daß diese armen bedrängten Menschen ein Zwiefaches benötigen: sie müssen vor allem wissen, daß es einen Ausweg gibt, und weiter, jemanden finden, der ihnen den Weg weist.
Schließlich, laßt uns annehmen, erscheint ein Fremder auf der Szene, der den Weg weiß. Er führt sie auf die rechte Fährte und gibt ihnen Anweisungen, wie sie ihr Ziel erreichen können. Dann verläßt er sie. Er versichert ihnen, daß sie ihn persönlich nicht mehr brauchen, da er ihnen ja den Weg zur Erlösung aus ihren Nöten gewiesen hat. Seine große Gabe war nicht die Persönlichkeit des Wegweisers, sondern der Weg selbst. So kommt jetzt zu dem verwirrten, verdunkelten Denken der menschlichen Familie, die weder das Warum noch das Wohin der sterblichen Existenz verstehen kann, „Gottes große Gabe“. „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben“, schreibt der Prophet Jesaja (9:3), „... und er heißt Wunderbar."
Ein wahrhafter Wegweiser ist erschienen—Jesus von Nazareth, der Sohn der Jungfrau Maria. Mit Lehren und praktischen Beweisen zeigt er uns den Weg der Erlösung von Sünde, Herzweh, Krankheit und aller Disharmonie. Doch wie eigenartig ist es, daß diejenigen, die sich seine Jünger nennen, seit Jahrhunderten den Wegweiser vergöttert und angebetet haben, statt auf dem Wege zu wandeln, den er ihnen gewiesen hatte. Ohne Zweifel würden jene verirrten Wanderer tief dankbar gewesen sein für das Erscheinen ihres Erlösers; doch könnten sie ihm größere Ehre erzeigt haben als die, seine Anweisungen genau zu befolgen und auf dem Wege zu wandeln, den er ihnen gezeigt hatte?
Die Christian Science Der Name, den Mary Baker Eddy ihrer Entdeckung gab (sprich kri'ß-tjön ßai'-enß). Die wörtliche Übersetzung der zwei Worte ist „Christliche Wissenschaft“. bringt „Gottes große Gabe“—das Verstehen des Wegweisers und des Weges—dem Herzen der Menschheit näher als zur Zeit, da die Hirten den Engelchor auf den Hügeln Bethlehems hörten. Diese Wissenschaft offenbart den eingebornen Sohn als den ewigen Christus, das Verständnis von des Menschen Einssein mit Gott, dem Gemüt, dem Geist, der Liebe, das Jesus uns lehrte und vorlebte. Der Weg aus der sterblichen Sünde, Krankheit und Disharmonie bedeutet, individuell diese Christus-gleiche Sohnschaft, diese Gottähnlichkeit zu beanspruchen, und die unharmonischen materiellen Begriffe, die der Unwissenheit betreffs des unendlich guten himmlischen Vaters entspringen, als machtlos und unwirklich zurückzuweisen.
Was der traurigen Menschheit not tut, ist nicht so sehr ein alljährliches Erinnern an Gottes große Liebe für Seine Kinder als, was Mrs. Eddy eine „ewige Weihnacht“ nennt. Dies, sagt sie (Miscellany, S. 20), „würde die Materie zu einer seltenen, fremdartigen Erscheinung machen, und die Materie würde sich erfurchtsvoll vor der Gegenwart des Gemüts zurückziehen. Die Tyrannei des materiellen Sinnes oder der Fleischlichkeit würde sich vor solcher Wirklichkeit zurückziehen, um der Substanz Platz zu machen, und der Schatten der Leichtfertigkeit und die Ungenauigkeit des materiellen Sinnes würden verschwinden.“
Wenn der Anhänger der Wissenschaft die Größe dieser Offenbarung betrachtet, kann er auch nur einen Augenblick lang der Versuchung nachgeben, sein Denken in den Sumpf des Selbstbedauerns und der sentimentalen Gefühlsüberschwänglichkeit versinken zu lassen? Sollte er sich nicht vielmehr bemühen, diesen unglückseligen Bann der Sinne abzuwerfen und sein Teil dazu beizutragen, um der Menschheit diese „ewige Weihnacht“ zu bringen?
Zu dieser Weihnachtszeit benötigt die Welt ganz besonders und wie nie zuvor die Gebete derer, die sich bestreben, das Menschentum, das von unserm erhabenen Wegweiser dargestellt wurde, zum Ausdruck zu bringen. Sagt da jemand, daß er eine traurige Weihnacht hat? Warum macht er sie nicht zu einem Freudentag, einem geweihten Tag, indem er sich bemüht, alle selbstsüchtigen, sorgenvollen Suggestionen, die an die Tür seines Bewußtseins klopfen, dem Abfallhaufen der Unwirklichkeit zuzuweisen, und sein Herz jener Botschaft zu öffnen, daß „euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr“?
Ihr habt das unschätzbare Vorrecht, zu diesem großen Werk beizutragen, das der leidenden Menschheit ein Verständnis von der Wahrheit bringt, welche die Menschen frei macht. Wenn euch niemand einfällt, dem ihr eine Liebe erweisen könnt, noch irgend jemand, der vielleicht Trost und Ermutigung noch nötiger hat als ihr selbst (und ist das nicht höchst unwahrscheinlich?), wie wäre es, wenn ihr vielleicht ein paar heilige Augenblicke am Weihnachtstage damit zubrächtet, für die ganze menschliche Familie zu beten, und mit einem Gefühl der vom Himmel verliehenen Kraft die schreckenerregenden Argumente der Ungerechtigkeit, Furcht und Verwirrung, des Hasses, Mangels und Geizes widerlegtet, indem ihr mit wissenschaftlicher Zuversicht an der Allmacht, der Allgegenwart und dem All-Wirken Gottes, des Guten, des Prinzips und der Liebe, festhieltet?
„Gottes große Gabe“: das Bewußtsein von des Menschen Einssein mit der allharmonischen Wahrheit und Liebe; das klare Verstehen, daß der materielle Sinn ein Lügner ist, da nur die Harmonie wirklich ist; der Weg zum Himmelreich, der vom Meister gelehrt wurde—welche Segnungen sagt solch ein Verständnis voraus! Laßt uns niemals vergessen, daß die Botschaft des weihnachtlichen Gebens die Widerspiegelung und der Ausdruck der Liebe ist. Die Welt hungert nach einer „ewigen Weihnacht“, welche die Materie mit ihrer Tyrannei und ihren Beschränkungen verbannen wird.
Wie reich ist der Wissenschafter, der in gewissem Maße des Vaters große Gabe erkennt und sie sich zu eigen macht! Wie freudebringend ist sein Vorrecht, diese Gabe mit einem aufnahmefähigen Herzen zu teilen und selbst die zu segnen, deren Ohr sich noch nicht für den Engelsgesang aufzutun scheint!
„Wo Nächstenliebe wachet,
Und Glauben nicht erstickt,
Die Nacht vergeht, das Licht bricht an,
Und Weihnacht uns beglückt.“
