Der Herold veröffentlicht jeden Monat verschiedene Anmerkungen und Kommentare zu Bibelzitaten, um die vielseitigen Möglichkeiten um die Bibel zu erforschen aufzuzeigen. Die Zitate sind der Lutherbibel (revidierte Ausgabe 1984) entnommen.
Herzlich lieb habe ich dich, Herr, meine Stärke! (Ps 18:2)
„Die Psalmen 18-24 sind sieben königlich-messianische Lieder von David. Psalm 18 findet sich noch einmal in 2. Sam 22. Dort haben wir dieses Lied in seiner ursprünglichen Gestalt. Hat David es später noch einmal neu geformt, wodurch der Psalm an Tiefe und Schönheit gewonnen hat? Vers 2 fehlt allerdings in 2. Sam 22 ...
... Dieser Psalm erzählt nicht ein besonderes Erlebnis (wie so viele Psalmen Davids), sondern hier fasst er seine ganze Lebenserfahrung zusammen. Er ist alt geworden und spürt die Nähe des Todes. Da erinnert er sich an Gottes Macht ...” (Lbe)
„David redet zu Gott im Gebet vor der versammelten Gemeinde, indem er ein Lied zur gesanglichen Darbietung verfasst. Denn wer singt, betet doppelt! ...
Alles, was David sogleich in gewaltiger Sprache seinem Gott zu sagen hat, fasst er vorweg in dem Satz zusammen: Ich liebe dich, Jahwe, meine Stärke. Das, was er mit Gott erlebte, ermächtigte ihn, sich so weit aus seiner persönlichen Reserviertheit hinauszulehnen und Gott seine Liebe zu bekennen. Das hebräische Wort ‚rächam’, das nur an dieser Stelle im AT im Hinblick auf das Gottesverhältnis eines Menschen Verwendung findet, bindet die Liebe an die Erfahrung des, bergenden Mutterschoßes’ (wörtlich). David liebt Gott in der Weise, wie ein Kind die vorgeburtliche Stellung nachahmt, wenn es sich in den Arm oder den Schoß der Mutter schmiegt. Luther hat, wie so oft, genau den Sinn dieses Satzes getroffen: ‚Das hebräische Wort „rächam” ist ein Wort des Gemüts und zeigt jene zarte Liebe an, mit der Eltern ihre Kinder und Kinder ihre Eltern lieben. ... Auf dieser Gottesliebe beruht die Kraft des Königs.’ Wo Herz und Gemüt sich liebend zu Gott erheben — weil er den Menschen zuerst geliebt hat —, bleibt das Geschenk der Siegeskraft nicht aus.” (WStB)
Die Auferweckung des Lazarus Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen. (Joh 11:17)
„Die vier Tage wollen die Größe des Wunders andeuten, denn nach jüdischer Vorstellung verlässt die Seele nach drei Tagen endgültig den toten Leib.” (BE)
„Wenn ein Jude starb, fand die Beerdigung so schnell wie möglich statt. Die Leiche wurde gewaschen, mit Öl gesalbt und in ein leinenes Grabtuch gewickelt. Die Hände und Füße wurden gesondert in Verbände eingewickelt, das Gesicht mit einem Tuch bedeckt.” (HdE)
„Trotz des dringlichen Appells der Maria und der Martha und trotz seiner besonderen Vorliebe für die Familie schob Jesus seinen Besuch beim kranken Lazarus hinaus. In der ganzen Angelegenheit hatte Jesus den Willen Gottes erkannt. ...
Als Jesus in Bethanien ankam, war es zu spät, um Lazarus vor dem Tod zu bewahren; er lag nämlich schon seit vier Tagen im Grab...
Maria und Martha hatten beide das gleiche gesagt: ‚Herr, wärest du hier gewesen...’ Wenn er tatsächlich dort gewesen wäre, wäre ihr Glaube nicht geprüft worden; sie und die anderen Anwesenden hätten nie dieses große Zeichen des ewigen Lebens zu sehen bekommen.” (HdE)
„Wie mochte der Kranke mit seinen Schwestern nach dem Herrn ausgeschaut haben! Muss das nicht Jesus selbst beunruhigen? Wie kann er sich ‚freuen, dass er nicht dort war’? [V. 15] ‚Um euretwillen, damit ihr glauben lernt.’ Glauben heißt, den Blick von uns und allen Möglichkeiten und Hoffungen weg auf den lebendigen Gott ... richten. Aber das ‚lerner’ wir immer erst da, wo wir selber ans Ende gekommen sind und vor den Unmöglichkeiten stehen. Ein kranker Lazarus konnte wieder gesund werden, zumal wenn er ‚schlief’. Aber ein Gestorbener fordert den Sieg über den Tod ...” (WStB)
Wir haben zuvor von Jesu besonderen Liebe zu der Familie erfahren, „damit wir in dem seltsamen Zögern V. 6 nicht etwa Lieblosigkeit sehen, sondern es festhalten, dass Jesus die Seinen auch da ‚liebt’, wo er uns gleichgültig und hart erscheinen mag. ... In dieser Liebe wird er dem Hause in Bethanien viel Größeres schenken, als wenn Jesus zu einer schnellen Heilung des Lazarus herbeigeeilt wäre. Die Liebe nimmt es auf sich, lieblos zu erscheinen und dem geliebten Menschen das Leid des Sterbens zuzumuten, damit sie in ungeahnter Weise ‚die Herrlichkeit Gottes’ sehen.” (WStB)
„V. 15 zeigt, dass die Wunder im Johannes-Evangelium weniger der Beseitigung konkreter Not dienen, als Aufruf zum Glauben an den von Gott gesandten Offenbarer sein wollen.” (BE)
Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi. (2. Thess 3:5)
„In [diesem] Vers stoßen wir auf eine Aussage, die eine äußere und innere Charakteristik des Christen darstellt. Der wahre Christ ist innerlich dadurch gekennzeichnet, dass er sich stets der Liebe Gottes bewusst ist. Es ist die tiefe Erkenntnis, dass nichts uns aus dieser Liebe und Fürsorge vertreiben kann, das Gefühl, dass wir ständig von den Armen Gottes umfangen sind. Zu den wichtigsten Erfordernissen des Lebens gehört das Gefühl der Sicherheit. Als Christen finden wir diese Geborgenheit im Bewusstsein der unwandelbaren Liebe Gottes. Äußerlich sollen Christen an der Geduld zu erkennen sein, die Jesus Christus uns verleiht. ... Wenn andere unter der Last zusammenbrechen, nimmt der wahre Christ seine Last auf sich und geht weiter. Mit der Liebe Gottes im Herzen und der Stärke Jesu Christi können wir Menschen allem die Stirn bieten.” (Barclay)
Das Gleichnis vom anvertrauten Zentner (Mt 25:14-30)
„Bei den im Gleichnis genannten Zentnern handelt es sich um das griechische Talent — eigentlich die Waage und das auf die Waage Gelegte —, dessen Rechnungswert nach dem Gewicht bestimmt wurde und infolgedessen davon abhing, ob Kupfer, Gold oder Silber darin enthalten war. ...
... Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass der unnütze Knecht die Schriftgelehrten und Pharisäer verkörpert und ihre Haltung gegenüber dem Gesetz und der Wahrheit Gottes. Der unnütze Knecht vergrub seinen Zentner in der Erde, um ihn seinem Herrn genau so zurückgeben zu können, wie er ihn empfangen hatte. So kannten auch die Schriftgelehrten und Pharisäer kein anderes Ziel, als das Gesetz genau zu beachten oder, wie sie selbst es ausdrückten, ‚einen Zaun um das Gesetz’ zu errichten. Jede Veränderung, jede Entwicklung, jede Erneuerung war für sie fluchwürdig. Ihre Methode wirkte sich lähmend auf die Glaubenswahrheiten aus, und alles Neue war ihnen von vornherein verhasst. Wie der Mann mit dem einen Zentner wollten sie alles genau so erhalten, wie es war — und deshalb werden sie verurteilt. Jesus sagt uns in diesem Gleichnis, dass ... Gott keine Menschen gebrauchen kann, die sich von vornherein verschließen. Doch das ist längst noch nicht alles, was uns dieses Gleichnis zu sagen hat.
1. Wir erfahren darin, dass Gott den Menschen unterschiedliche Gaben gibt. ... Es kommt nicht auf unser Talent an, sondern darauf, wie wir es nützen. Gott verlangt von niemandem etwas, was seine Fähigkeiten, die er mitbekommen hat, übersteigt. Wohl aber verlangt Gott von uns, dass wir die Fähigkeiten, die wir besitzen, voll ausnutzen. ...
2. Es lehrt uns, dass der Lohn für gute Arbeit darin besteht, dass wir noch mehr zu tun bekommen. Den zwei getreuen Knechten wird nicht geheißen, dass sie sich fortan auf ihren Lorbeeren ausruhen sollen, sondern sie erhalten größere Aufgaben zugewiesen ...
3. Es lehrt uns, dass bestraft wird, wer nichts wagt. ... Wer nur ein Talent besitzt, kommt leicht in Versuchung, zu sagen: Mein Talent ist so gering, dass es sich gar nicht lohnt, etwas damit anzufangen. Dennoch wird verurteilt, wer nur ein Talent besitzt und es ungenutzt lässt zum Wohle der Allgemeinheit.
4. Das Gleichnis enthält eine weitere Lebensregel von allgemeiner Gültigkeit, indem es uns klarmacht: ... Wer ein Talent besitzt und es nützt, wird schrittweise und allmählich immer mehr damit anfangen können; wer dagegen seine Talente brach liegen lässt, geht ihrer schließlich ganz und gar verlustig. ...
... Das Leben lehrt uns, dass die einzige Möglichkeit, der Gaben, die wir empfangen haben, nicht verlustig zu gehen, darin besteht, sie im Dienste Gottes und unserer Mitmenschen zu nutzen.” (Barclay)
Abkürzungen:
Barclay = William Barclay, Auslegung des Neuen Testaments
BE = Die Bibel mit Erklärungen
HdE = Handbuch der Evangelien
LBe = Lutherbibel erklärt
WStB = Wuppertaler Studienbibel
