Eine Umfrage des Meinungsinstitutes Gallup in fünfzehn Ländern zeigte, dass Deutsche Weltmeister im Pessimismus sind. Siebenundachtzig Prozent der Befragten glauben nicht, dass die Zukunft etwas Gutes bringt. Sie sehen Arbeitslosigkeit, politische Ungerechtigkeit und eine marode Wirtschaft auf sich zukommen.
Als jemand, der selbst in Deutschland lebt, dachte ich daher, ich wüsste genau, was diese Leute meinen. Um diese Ansicht bestätigt zu bekommen, sprach ich mit Menschen, die selber schon ganz unten gewesen sind. Aber da wartete eine Überaschung auf mich. Die Statistiken erzählen eben nicht die ganze Wahrheit — es gibt sehr wohl noch Hoffnung.
Als Erstes besuchte ich „Menschen in Not“, ein karitatives Projekt im süddeutschen Bamberg.
Wer durch die Tür tritt, dem kommt Freundlichkeit entgegen: „Woll'n Se 'nen Kaffee? Hier ist ein Keks!“ Eine muntere Gruppe obdachloser Menschen sitzt um einen Tisch herum. Sie bekommen hier kostenlose Nahrung, Kleidung und Beratung. Das Projekt, von einer katholischen und einer baptistischen Gemeinde getragen, beschäftigt etwa fünfzehn Ehrenamtliche, die hier ihre Zeit und Energie einbringen.
Diana Aulbach ist eine von ihnen. „Wir nennen unser Projekt auch, Matthäus 25' “,sagt sie, „Weil es in diesem Kapitel der Bibel heißt:, Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan' “(Mt 25:40).
Jeden Tag hat Diana Armut vor Augen. Und trotzdem möchte sie keine Goldmedaille für Pessimismus — ganz im Gegenteil. „Ich sehe in der wirtschaftlichen Krise unseres Landes eine Chance. Ich hoffe, dass sie Menschen dazu bringt, sich nicht länger nur mit den eigenen Problemen zu befassen, sondern aufmerksamer zu schauen, welche Sorgen andere haben, und zu helfen.“
Diana hat es am eigenen Leib erfahren. Ihr Mann ließ sich scheiden und drohte ihr das gemeinsame Kind zu entziehen. Sie wurde obdachlos.
„An dem Tag, als ich beschlossen hatte mich umzubringen, lud mich eine Freundin in ihre Kirche ein. Ich dachte, gut, den Selbstmord kannst du auch einen Tag verschieben“, erzählt Diana mir. „Dieser Tag veränderte mein Leben. Ich ging zum Gottesdienst. Dort weinte ich mir das Herz aus dem Leib und bat Gott um Vergebung. Dann legte ich mein ben in Seine Hände. Und Er gab mir ein neues Leben. Als ich aus der Kirche wieder herauskam, war ich ein neuer Mensch.“
Bevor ich gehe, gibt mir Diana noch ihr Lieblingszitat aus der Bibel mit auf den Weg: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jes 43:1).
Kein schlechtes Ergebnis für meine erste Recherche über Menschen, die ganz am Boden gewesen sind. Ich hatte einen Keks, einem Kaffee und eine ganze Menge Inspiration mitbekommen. Ich stellte fest, dass ich tatsächlich nicht Informationen über Pessimismus, sondern über Hoffnung sammelte.
Als Nächstes sprach ich mit Daniel Friedrich, der zusammen mit anderen Studenten Ehrenamtlich.de entwickelt hat, eine Internetseite, wo Leute, die freiwillige Arbeit leisten möchten, Hilfe und Informationen bekommen können. „Vielen Leuten fehlt die Phantasie, sich vorzustellen, was überhaupt alles möglich ist, wie Theaterspielen mit Gefängnisinsassen zum Beispiel“, sagt er. „Wir wollen den Leuten den Horizont erweitern, denn das bringt auch mehr Motivation — Information plus Inspiration.
Ganz dreist stelle ich die Frage, ob Daniel wirklich lieber hilft als sich auf Partys zu amüsieren. „Also“, erklärt er mir, „ich habe diesen Anspruch an mich selbst, dass ich nicht enteinfach nur mein Leben so dahinleben möchte, sondern denen helfen will, die weniger Glück haben als ich. Indem ich das tue, lebe ich nach meinem eigenen Standard und das ist ungeheuer befriedigend. Das wiederum motiviert mich und ist damit die Quelle meines Optimismus. Nennen wir es eben einen Engelskreis.“
Erneut finde ich Hoffnung statt Pessimismus.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen, eine Dachorganisation für sämtliche ehrenamtliche Gruppen, veröffentlichte eine erstaunliche Tatsache: Jeder Dritte über 14 Jahre arbeitet in der Bundesrepublik als freiwilliger Helfer. Das ergibt mehr als 22 Millionen Menschen, die aktiv Hoffnung durch freiwilliges Helfen ausdrücken.
Ich begann mich selbst zu fragen, wie ich Hoffnung in meinem eigenen Leben gefunden hatte. Mir wurde klar, dass es mein geistiges Studium war, das mir die Sicherheit brachte, das alles gut ist.
Dabei hat mich eine besondere historische Figur immer inspiriert. Mary Baker Eddy, eine Frau aus dem 19. Jahrhundert, hatte schwere Zeiten mitgemacht. Zweimal erlebte sie, wie ein Ehemann starb, ihr Kind wurde ihr weggenommen, sie musste Ehebruch, Scheidung, Armut, Betrug und Einsamkeit ertragen. Und trotzdem verlor diese Frau nie die Hoffnung. Was sie über Hoffnung zu sagen hatte, stimmte mit dem überein, was ich in meiner Recherche bisher festgestellt hatte.
In ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit schrieb sie: „Geistige Entwicklung keimt nicht aus dem Samen, der in den Boden materieller Hoffnungen gesät ist, aber wenn diese vergehen, pflanzt Liebe von neuem die höheren Freuden des Geistes fort, an denen kein Makel der Erde haftet. Jede weitere Stufe der Erfahrung entfaltet neue Ausblicke der göttlichen Güte und Liebe“ (S. 66). In der Tat befasst sich mein geistiges Studium genau damit — eine neue Sicht über das göttlich Gute und die göttliche Liebe zu gewinnen und damit Hoffnung für meine Zukunft und die meines Landes.
Ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann: Was zunächst nach einer Recherche über die Goldmedaille für Pessimismus aussah, brachte tatsächlich unglaublich viel Gutes hier in Deutschland ans Tageslicht. Nämlich aktiv zu sein in Kopf und Tat — auf die guten Dinge zu achten, an die Stelle des Habenwollens die Dankbarkeit zu setzen, Freude zu geben anstatt nach ihr zu verlangen und sich von den negativen Dingen niemals den Weg versperren zu lassen.
So, ich muss los — ich will mich den 22 Millionen anschließen.
Gekürzter Nachdruck eines Artikels, der auf www.spirituality.com erschien.
