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Ethik und die Praxis der Christlichen Wissenschaft

Welches sind die ethischen Dimensionen beim Heilen in der Christlichen Wissenschaft, die weltweit praktiziert wird? Wie wird diese Ethik sichtbar in Situationen des täglichen Lebens? Drei erfahrene Heiler, die auch Lehrer der Christlichen Wissenschaft sind, kamen kürzlich zusammen, um über wichtigen Themen zu sprechen. Wir präsentieren ihr Gespräch in einer Serie. vom Christian Science Journal sprach mitund . Judy Wolffs Praxis ist in Arlington, Virginia, USA, beheimatet, Phil Davis (West Roxbury) und Sandy Sandberg (Norwell) kommen aus Massachusetts.

Ethik und die Praxis der Christlichen Wissenschaft

Erster Teil

Aus der Juni 2010-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


ERSTER TEIL

Warren Bolon: Wie würden Sie das Wesen der Ethik in der Beziehung zwischen Praktiker und Patient beschreiben? Ist es mehr als nur ein Verhaltenskodex?

Phil Davis: Wörterbücher definieren Ethik als moralische Prinzipien, als Verhaltenskodex. Ich betrachte sie im Umgang von Praktikern und Pflegern der Christlichen Wissenschaft gern als die Goldene Regel-sie beschreibt unsere Liebe zu anderen und dass wir andere so behandeln, wie wir gern selbst behandelt werden wollen. Es geht nicht so sehr um menschliche Regeln als darum, andere so zu lieben, wie wir selbst geliebt werden möchten.

Judy Wolff: Jesus legte die Messlatte für jeden höher, als er sagte, dass wir lieben müssten, wie er geliebt hat, und er liebte auf göttliche Weise. Er erhob die ganze Idee der Ethik auf Gottes Niveau. Was sieht Gott in unserem Nächsten? Die Ethik eines Praktikers der Christlichen Wissenschaft wird immer Moralität ausdrücken, aber sie wird auf den göttlichen Qualitäten von Gott basieren und darauf, dass Gott beide führt, Praktiker und Patient, und die Gedanken eines jeden zu der göttlichen Idee dieser Beziehung hebt.

Karl (Sandy) Sandberg: Ich denke gern über die Frage aus dem Kapitel „Zusammenfassung" in Wissenschaft und Gesundheit nach: „Welche Forderungen stellt die Wissenschaft der Seele?" Mary Baker Eddy definierte sie in zwei großen Forderungen: erstens, das erste Gebot, Gott zu lieben, und die zweite ist, dass man seinen Nächsten liebt. Es sind diese beiden großen Gebote, die zusammenwirken, Judy, so wie Du das gerade gesagt hast. Sie wurden durch unseren Meister Christus Jesus in seinen Reden in der Bibel und durch sein Lehren und seine Heilarbeit auf eine höhere Ebene gehoben.

Wolff: Es sind nicht nur menschliches Gutestun und menschliche Liebe. Es ist die göttliche Liebe, die den Praktiker und den Patienten bewegt.

Davis: Wir sprechen ja über das Herzstück, das Fundament von allem, was Christliche Wissenschaft ist-die Heilpraxis und der professionelle Aspekt dieser Praxis. Wenn wir täglich für unsere Praxis beten, Moment um Moment, dann stellen wir Fragen in diesem Gebet, wie z. B. „Vater, wie soll ich mich heute verhalten? Soll ich diesen speziellen Fall annehmen? Wie soll ich diesen Fall morgen behandeln oder übermorgen?" Es gilt jeden Moment, Entscheidungen zu treffen, die auf Gebet basieren. Sie werden nicht aufgrund von willkürlichen Regeln getroffen, sondern auf der Basis, wie Gott uns in unserer Praxis führt.

Sandberg: Einer der wichtigsten Aspekte, die mich beim Thema Ethik beschäftigen, wäre vom Patienten aus gesehen die Frage: „Welche Art Beratung und Zuspruch kann der Patient vom Praktiker erwarten?" Viele, die die Christliche Wissenschaft gerade erst kennenlernen, sind es gewohnt, sich an einen Priester oder Seelsorger um Rat zu wenden, und wünschen, dass man ihnen sagt, was sie tun sollen. Sie erwarten ganz selbstverständlich, dass, wenn sie sich an eine Kirchenperson wenden, ihnen gesagt wird, wie sie sich verhalten sollen, was sie tun sollen, was sie unternehmen sollen, um dieses oder jenes gewünschte Ergebnis zu erreichen. Ist es das, was ein Patient von einem Praktiker der Christlichen Wissenschaft erwarten kann?

„Was soll ich, von Ihrem höheren Standpunkt aus betrachtet, tun?"-So etwas verwechselt menschliche Meinung mit göttlicher Vollmacht.

Bolon: Es kann auch sein, dass sie gewohnt sind, sich an einen Mediziner zu wenden, um von ihm Rat zu jedweder Situation zu erhalten. Gibt es da einen Unterschied im Verhältnis zwischen dem Praktiker der Christlichen Wissenschaft und dem Patienten?

Davis: Nun, es gibt Gesundheitsprofis, die in gewissen Fällen dem Buchstaben nach und rechtlich für den Patienten verantwortlich sind. Wenn wir von einem Praktiker der Christlichen Wissenschaft sprechen, ist das aber ein ganz anderes Modell. Diese übernehmen nicht die Verantwortung für einen Fall. Es ist einfach nicht dieses Modell. Was ist die Hauptaufgabe eines Praktikers der Christlichen Wissenschaft? Es ist die, jedem Fall das effektivste Gebet zu widmen, welches zur Heilung führt. Es geht also nicht so sehr darum, was für einen Patienten nicht getan wird, sondern darum, wo unser Mittelpunkt ist. Und wenn wirklich das Gebet zur Heilung im Mittelpunkt steht, dann will man nicht in andere Gebiete abschweifen wie Beraten oder Empfehlen oder in den Versuch, den Patienten „zur Gesundheit zu überreden". Wir konzentrieren uns auf dieses Gebet, welches Heilung bringt.

Wolff: Ein Praktiker ist kein Fürbitter. Mit anderen Worten, ein Praktiker geht nicht im Namen eines Patienten zu Gott und betet für die Hilfe Gottes, weil er als Praktiker ein „höheres Denken" hätte oder weil er gläubiger wäre. Der Praktiker und der Patient gehen beide zu demselben Gott und Gott lässt beide die inspirierende, heilige Botschaft erkennen. Sie sind gleichberechtigt. Es gibt keine Hierarchie in der Christlichen Wissenschaft. Der Praktiker ist nicht ein höheres oder heiligeres Wesen und auch seine Gebete sind nicht höheroder heiliger.

Ich habe Patienten, die an einem bestimmten Problem arbeiten und mich anrufen, oft ein Problem, wo es um die Wahl eines Weges oder einer Richtung geht. Ich hatte gerade jemanden, der sagte: „Was soll ich, von Ihrem höheren Standpunkt aus betrachtet, tun? Ich würde gern hören, welches Ihre höhere Sichtweise ist." So etwas verwechselt menschliche Meinung mit göttlicher Vollmacht. Die menschliche Meinung eines Praktikers ist nicht besser und nicht schlechter als die Meinung jedes anderen, denn es ist einfach nur das, nämlich menschlich, und eine menschliche Meinung können wirvon jedem bekommen.

Davis: Wir sollten hinzufügen, dass Praktiker gern mit ihren Patienten reden-sie tauschen Zitate aus, die sie studieren, sprechen mit einem Individuum über sein Verhältnis zu Gott. Aber unser Blick ist auf Gebet und auf das Verhältnis des Patienten zu Gott gerichtet, so werden wir uns nicht damit befassen, die Leute menschlich zu führen, zu versuchen herauszufinden, was sie tun sollen, während sie auf dieser Erde wandeln. Das ist eine Sache zwischen Gott und dem Patienten. Wenn mirein Patient so eine Fragen stellt, sage ich oft: „Wissen Sie, ich weiß es nicht. Aber ich weiß, wer es weiß. Lassen Sie uns darüber beten."

Sandberg: Oft sagt Patient nicht nur: „Was soll ich tun?", sondern, „Sagen Sie mir, was ich tun soll!" Das mensch liche Gemüt ist so gewohnt, nach dem einfachen Weg zu suchen und dass ihm jemand sagt, was es tun soll, und es dann einfach zu tun. Das hätte zur Folge, dass das Individuum für jedwede Handlung von seiner Verantwortung freigesprochen würde. Falls ein Patient sich an einen Praktiker wendet in der Erwartung, dass der Praktiker ihm seine Arbeit abnimmt und er ihm sagt, was er zu tun hat, dann liegt es in der Verantwortung des Praktikers, dem Patienten freundlich, aber deutlich verständlich zu machen, dass es nur ein Gemüt, eine Macht, einen wirkenden Einfluss gibt, und dass es nicht darum geht, dass ein menschliches Gemüt arbeitet, um ein anderes menschliches Gemüt zu unterstützen oder umzuwandeln. Vielmehr ist es ein Erheben des Denkens, um zu erkennen, was Gott ist – genau wie Du gerade überdas Erkennen des göttlichen Willens gesagt hast, Judy,-und zur Erkenntnis, dass das Göttliche im Bewusstsein genau das entfaltet, was wir brauchen. Und während der Praktiker dies tut, ist der Patient in der Lage zu hören, was Gott ihm sagt, und dieser klaren Gott-gegebenen Richtung und dem gewiesenen Weg zu folgen.

Wolff: Und Sandy, oft kann die menschliche Meinungauch sein: „Mit welchem Bibelvers soll ich arbeiten?" oder, „Wie soll ich studieren?" Wir sind nicht die Quelle der Inspiration für das Studium der Leute und wie sie ihre Erlösung ausarbeiten. Aber sowohl der Praktiker als auch der Patient müssen die Sache vor Gott bringen und der Praktiker muss seine metaphysische Arbeit machen und die mentale Beeinflussung handhaben, die sie davon abhalten möchte, das Wort Gottes zu hören. Dann erhält der Patient die Antwort direkt von Gott und hat die Inspiration, die so heilig und wertvoll ist, eine Wahrnehmung der Führung, von der sie wissen, dass sie göttlich ist. Dann wird ihre Beziehung zu Gott stärker. Es ist ihnen nun klarer, wie sie zu Gott gehen und Sein Wort hören können; sie haben eine engere Beziehung zu Gott entwickelt, etwas so Wertvolles, das kein menschliches Wesen, auch kein Praktiker, beeinträchtigen kann. Der möchte, dass die Person mit einer engeren Beziehung zu Gott weggeht und nicht mit einer größeren Abhängigkeit vom Praktiker.

Davis: Wenn ich mich habe verführen lassen, jemandem Ratschläge zu erteilen, habe ich später oft festgestellt, dass ich mich geirrt habe.

Wolff: Das macht demütig, nicht wahr?

Davis: Ja, das tut es, und obwohl das Ziel da war - dass sie in ihrem Gebet mit Gott ihren eigenen Weg finden mussten, den Weg, den der Vater für jeden von uns individuell vorbereitet hat-,ist es nicht meine Aufgabe, dies herauszufinden. Aber ich weiß, Gott hat einen Plan, und durch Gebet kommt dieser Plan ans Licht. Er kann im Leben dieser Person realisiert werden. Wir wollen sicher sein, dass wir als Praktiker Teil der Lösung sind und nicht Quelle von Störungen.

Wolff: Mary Baker Eddy macht es in Wissenschaft und Gesundheit sehr deutlich, dass Meinung nicht Teil der Praxis der Christlichen Wissenschaft ist. Sie sagt: „In dem einen Gemüt, Gott, gibt es keine sterblichen Meinungen." (S. 399) Wenn wir uns an Gott wenden, bekommen wir keine sterbliche Meinung-wie z. B.: Sollte der Patient diese Person heiraten oder diese Arbeit annehmen? Oder sogar: Soll er zum Arzt gehen oder nicht? Das sind alles sterbliche Ansichten, Gott hataberkeine solchen. Und damit sind sie nicht Teil einer Behandlung in der Christlichen Wissenschaft. Mary Baker Eddy sagte auch: „Die Wissenschaft (bezogen auf die Christliche Wissenschaft) macht keine Zugeständnisse an Personen oder Meinungen." (Wissenschaft und Gesundheit, S. 456) Also ist ein Praktiker weder ein pastoraler Führer noch ein Ratgeber. Der Praktiker geht mit Gott und geht auch mit diesem Patienten mit Gott, aber Meinungen sind nicht Teil dieser Praxis. Ich muss sicherstellen, dass ich mein eigenes Denken von Meinungen befreie, denn diese tendieren dazu, meine Sicht auf das Göttliche zu blockieren. Je mehr wir uns von dieser Tendenz befreien, desto klarer sehen wir unseren Vater, der nicht irgendetwas „meint".

Davis: Ich mag ihren markanten Ausspruch zu diesem Punkt: „In Christian Science sind bloße Meinungen wertlos." (Wissenschaft und Gesundheit, S. 341)

Wolff: Ja!

Sandberg: Für andere Entscheidungen zu treffen, hätte - wenn wir es denn tun würden - zur Folge, dass diese Personen das Recht hätten zu sagen: „Sie haben mir doch gesagt, ich sollte das tun, und es war falsch. Also ist es Ihr Fehler, nicht meiner." Und wenn wir ihnen einen guten Rat gäben, an wen würden sie sich das nächste Mal wenden, wenn sie Entscheidungen zu treffen hätten? Sie kommen zurück zu Ihnen. Sie gewinnen aber nicht an Selbsterkenntnis und Verantwortung. Nun, das könnte, wenn Sie so wollen, ein Weg sein, eine Klientel aufzubauen, eine persönliche Gefolgschaft-aber das wäre genau die Antithese dazu, wozu der Praktiker hier ist. Über Jesus sagte Mary Baker Eddy: „Er erfüllte sein Lebenswerk in der richtigen Weise, nicht nur, um sich selbst gerecht zu werden, sondern auch aus Erbarmen mit den Sterblichen - um ihnen zu zeigen, wie sie ihre Arbeit tun können, jedoch nicht, um sie für sie zu tun, noch um sie einer einzigen Verantwortung zu entheben." (Wissenschaft und Gesundheit, S. 18) Ein jeder ist für seine eigene Erlösung verantwortlich. Dies ist das Ziel, zu dem sich die Praxis der Christlichen Wissenschaft tatsächlich entwickeln muss.

Den nächsten Teil dieses Gesprächs lesen Sie bitte in der Juli-Ausgabe des Herolds.

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