Orlando Trentini wuchs auf, als die Christliche Wissenschaft in Brasilien gerade zu sprießen begann, und hat viel von den Anfängen miterlebt. In diesem Interview erzählt er davon und zeigt auch, wie ein Verständnis des Christus die Fähigkeit zu heilen stärkt. 1969 hat Trentini die öffentliche Praxis der Christlichen Wissenschaft begonnen und 1979 wurde er Lehrer der Christlichen Wissenschaft. Er hat auch für die Mutterkirche in Boston gearbeitet und war gut sechs Jahre Leiter der Übersetzungsabteilung.
Beschreiben Sie einmal, wie die Christliche Wissenschaft in den Süden Brasiliens kam.
Die Ersten, die die Christliche Wissenschaft nach Brasilien brachten, waren Deutsche, Amerikaner, Schweizer und Briten. Unter den Deutschen befanden sich Helene Marie von Schramm und ihr Mann Otto Albert Schmidt, die sich in Blumenau ansiedelten. Dort wurde 1932 eine Vereinigung der Christlichen Wissenschaft gegründet und offiziell anerkannt.
Wie sahen die frühen Jahre in Brasilien für die Christlichen Wissenschaftler aus?
Anfang 1932 folgte Otto Albert Schmidt dem Ruf nach einem Heiler aus einem entlegenen Dorf im Wald, das heute als Panambi in Südbrasilien bekannt ist. Er legte die Entfernung in 55 Tagen größtenteils zu Fuß zurück. Viele Leute dort brauchten Heilung, darunter auch die Eltern meiner Mutter.
Wie ist es dazu gekommen?
Sie hörten von dem Heiler durch einen Verwandten, der so krank war, dass er betete: „Lieber Gott, entweder heile mich oder nimm mich zu Dir. Ich will so nicht weiterleben. Amen.“ Noch in der gleichen Woche hörte er von jemandem, der aus Deutschland gekommen war und durch Gebet heilte. Er hat sich mit dem Mann in Verbindung gesetzt und innerhalb von wenigen Wochen war er vollständig und dauerhaft geheilt. Daraufhin beschloss er diesen Heiler zu besuchen und machte sich zu Fuß auf den 100 km langen Weg. Dass er diese lange Reise machen konnte, bewies, dass er wirklich geheilt war.
Als dieser Verwandte erfuhr, dass mein Großvater an starken Magenbeschwerden litt, empfahl er ihm, diesen Heiler aufzusuchen. Nach vier Wochen war unser Großvater völlig geheilt. Er lebte noch weitere 30 Jahre und führte ein aktives Leben.
Aufgrund dieser Heilungen begann die ganze Familie die Christliche Wissenschaft zu studieren.
Was sind Ihre ersten Erinnerungen an die Christliche Wissenschaft?
Ich war erst ein Jahr alt, als meine Mutter zum ersten Mal einen Praktiker der Christlichen Wissenschaft aufsuchte. Einige Wochen zuvor war sie zum Fluss gelaufen (etwa 5 km von zu Hause entfernt) in der Absicht, mit mir im Arm von der Fähre ins Wasser zu springen.
In dem Moment, wo sie springen wollte, hat sie eine innere Stimme gehört, die fragte: „Wenn der Fährmeister deinen Sohn rettet, wer soll ihn dann großziehen?“ Das hat sie aufgeschreckt und sie suchte nach einer möglichen Antwort. Logischerweise würde der Vater ihn großziehen, aber sie dachte, dass er ihren Sohn nicht zu einem guten und ehrlichen Menschen erziehen würde. Inzwischen war die Fähre auf der anderen Seite angekommen.
Als sie mir diese Geschichte in meiner frühen Jugend erzählte, fragte ich sie: „Hast du es noch mal versucht?“ Sie sagte: „Nein, weil mir klar geworden war, dass niemand dich besser erziehen würde als deine Mutter. Daher habe ich mich entschieden zu leben, um für dich zu sorgen, damit du eine gute moralische und akademische Bildung kommst.“
Für mich war die Stimme, die sie beim Fluss hörte, der Christus, Gottes Botschaft an alle Seine Kinder. Er hat sie gerettet und er hat auch mich gerettet.
Sie kehrte völlig geheilt von ihrem Besuch beim Praktiker zurück.
Lassen Sie uns über den Christus sprechen und was er Ihnen bedeutet.
Die Statue des segnenden Jesus Christus mit seinen ausgebreiteten Armen auf dem Berg über Rio de Janeiro ist weltbekannt und wird jedes Jahr von Tausenden besucht.
Natürlich ist der lebendige Christus immer gegenwärtig und er ist geistig. Der Christus ist ohne Alter und teilt sich dem empfänglichen Denken in einer universalen Sprache mit, die jeder verstehen kann. Wie in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy definiert, ist Christus „die göttliche Offenbarwerdung Gottes, die zum Fleisch kommt, um den fleischgewordenen Irrtum zu zerstören“ (S. 583). Eddy hat der ganzen Menschheit den lebendigen, heilenden Christus aufgezeigt.
Welchen Bezug hat der Christus zu Jesus?
Jesu Verständnis des wahren Christus hat ihn befähigt, mit einfachen Beispielen zu lehren, die Fischersleuten und Feldarbeitern verständlich waren. Er konnte beweisen, dass „die göttliche Offenbarwerdung Gottes“ wirklich und gegenwärtig ist. Die Heiltaten, die diese Tatsache bewiesen, veränderten die Denkweise der Menschen und gaben ihnen eine reinere Gesinnung. Sie waren – und sind – ein Licht, das in der Finsternis scheint und das die empfänglichen Herzen zur göttlichen Wahrheit zieht.
Dann können auch wir das akzeptieren und dadurch gesegnet werden?
Ja, sicher. Jesus brachte anderen das Heilen bei und schickte sie sogar in andere Dörfer, damit sie dort predigten und heilten. Sie sind dann zurückgekehrt und staunten nur über die wundervollen Zeichen, die durch ihre Arbeit geschahen. Für mich ist es eindeutig, dass auch wir die Botschaft, die Jesus den empfänglichen Herzen mitteilte, mit den Menschen um uns her teilen sollen.
Außerdem sagte ja Jesus kurz vor seiner Himmelfahrt zu seinen Jüngern: „Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung.“ (Markus 16:15)
Können Sie etwas darüber sagen, wie dieses Christus-Licht uns heute helfen kann?
Selbst in der heutigen Zeit – wie zu jeder Zeit – kann jeder von uns den ewigen Christus erleben, die göttliche Offenbarwerdung, die in den Gedanken und Herzen der Menschen leuchtet und sie umwandelt. Christus öffnet ihre Augen und Ohren und bereitet sie darauf vor, Christi Jesu Lehren zu folgen. Viele kennen die Bibelstelle: „Mache dich auf, werde licht! Denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.“ (Jesaja 60:1)
Die Menschheit staunt noch immer, wie dieser Sohn Marias solche wundervollen Heilungen so natürlich vollbringen konnte, sogar wenn Menschenmengen ihn umdrängten. Es war, als ob ein lebendiger Lichtstrahl schien, den der Einzelne wahrgenommen hat, und augenblicklich verschwanden Dunkelheit, Schmerzen, Sorgen und Gebrechen. Warum sind die Menschen ihm tagelang gefolgt? Wohl sicherlich weil seine Worte wahr und aufrichtig waren und vom Herzen kamen, und alle, die ein Herz hatten, konnten ihn verstehen, die Botschaft aufnehmen und Heilung erleben. Einige sind geheilt worden, als er nur an ihnen vorüberging. Wie war Jesus dazu im Stande?
Eddy erklärt: „Jesus war der Sohn einer Jungfrau. Er war dazu berufen, den Sterblichen Gottes Wort zu verkünden und ihnen in einer menschlichen Gestalt zu erscheinen, die sie sowohl verstehen als auch wahrnehmen konnten. Marias Empfängnis von ihm war geistig, denn nur Reinheit konnte Wahrheit und Liebe widerspiegeln, die in dem guten und reinen Christus Jesus deutlich Fleisch geworden waren. Er drückte die höchste Form von Göttlichkeit aus, die eine fleischliche Gestalt in jener Zeit ausdrücken konnte. ... So kommt es, das Christus die Koinzidenz oder die geistige Übereinstimmung zwischen Gott und dem zu Seinem Bild erschaffenen Menschen darstellt.“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 332-333)
Waren diese Ideen hilfreich für Sie, als Sie aufwuchsen?
Ja, und ich habe auch viele Heilungen erlebt. Im Alter von etwa vier Jahren bin ich krank geworden mit Symptomen einer Lungenkrankheit. Ich hatte schon seit dem Säuglingsalter an Atembeschwerden gelitten. Aber diesmal verlor ich wohl schnell das Bewusstsein. Meine Eltern begannen für sich und auch für mich zu beten. Dies geschah an einem Freitag. Am Samstagmorgen bat mein Vater seinen Schwiegervater, jemanden in das Dorf zu schicken, wo der Praktiker der Christlichen Wissenschaft lebte. Der Ritt auf dem Maulesel dorthin dauerte acht Stunden, vier hin und vier zurück. Als der Reiter – sein jüngster Sohn – zurückkehrte, erfuhr die Familie, dass der Praktiker schon angefangen hatte für mich zu beten und dass er auf seinem Maulesel am Montag gegen Mittag da sein könne.
Am Sonntagmorgen kam die Hebamme, die meiner Mutter bei meiner Geburt geholfen hatte, mich besuchen. Sie trat an mein Bett und meinte, sie müsse meine Eltern auf meinen Tod vorbereiten. Mein Vater schickte sie nach Hause, weil sie Todesgedanken hatte, und sagte: „Orlando braucht Gedanken des Lebens.“ Als sie traurig antwortete: „Ich wollte doch nur helfen”, sagte Vater zu ihr: „Dann geh nach Hause, nimm dein Buch Wissenschaft und Gesundheit und lies darin.“
Sie gehorchte. Sie hat ihr Buch genommen und gelesen. Dann kam sie an eine Stelle, die sie nachdenklich machte. Es hieß da: „Schickt Gott Krankheit, gibt Er der Mutter ihr Kind für den kurzen Zeitraum einiger Jahre und nimmt es dann durch den Tod hinweg? ... Die Heilige Schrift ist in diesem Punkt eindeutig, indem sie erklärt, dass Sein Werk vollendet war – für Gott gibt es nichts Neues – und dass es gut war.“ (S. 206)
An dem Nachmittag haben Vater und Mutter und ihre Eltern in unserem Haus gebetet und da bin ich aufgewacht. Ich hatte Hunger und wollte Hühnersuppe, die meine Mutter mir auch gab. Ich bin wieder eingeschlafen. Später wachte ich wieder auf und wollte noch mehr Suppe. Und ich habe die ganze Nacht geschlafen.
Ich war völlig geheilt und meine Gesundheit ist immer besser geworden, als ich das Buch selbst zu studieren begann und mir nicht nur anhörte, was meine Eltern mir vorgelesen haben.
Später haben Sie auch andere Sprachen gelernt. Wohin hat Sie das dann geführt?
Ich bin mit Deutsch groß geworden und habe später auch Portugiesisch gelernt. 1959 begann ich Englisch zu studieren und Gespräche in Englisch zu führen. Das war gewissermaßen die Vorbereitung auf den Elementarunterricht in der Christlichen Wissenschaft in Washington im Jahr 1961. Dadurch haben sich meine Englischkenntnisse noch weiter verbessert und ich begann den Christian Science Sentinel zu lesen, um meinen Wortschatz zu vergrößern und um anzuwenden, was ich gelernt hatte.
Im Elementarunterricht hat die Lehrerin betont, dass die Kirche in Boston „deine Kirche“ ist. Sie sei nicht nur für die, die in Boston leben und arbeiten, es sei „deine Kirche“. Du betest für sie, du passt auf sie auf und du unterstützt ihren Fortschritt. Sie forderte mich auch auf, eine Landkarte von Brasilien in meinem Büro aufzuhängen, sie mehrmals die Woche anzuschauen und verschiedene Gebiete herauszusuchen und im Gebet zu begleiten. Sie erklärte dazu, dass das göttliche Gemüt die Quelle von allem Guten ist, das sich ereignet. Ich sollte das Gute bejahen und den Irrtum verneinen, besonders in Bezug auf rückständige Teile des Landes, und sollte sie im Licht von Entwicklung und Bildung für alle sehen. Das habe ich auch gewissenhaft getan.
Was hat Sie in die Heilpraxis der Christlichen Wissenschaft geführt?
Die Praxis war etwas ganz Natürliches in meinem Leben. In frühen Jahren habe ich gebetet, um mich in einer fremden Stadt nicht zu verlaufen. Als ich etwa sieben war, habe ich mich selber von Ohrenschmerzen geheilt. Bevor ich 13 wurde, habe ich einen kleinen Hund geheilt, der von einem Wagen überfahren worden war. Ein paar Jahre später habe ich gebetet, um Ohrbeschwerden zu heilen, die ich seit meiner frühen Kindheit in einem Ohr hatte.
Was für Heilungen erlebten Sie, nachdem Sie eine Familie gegründet hatten?
Mein jüngerer Sohn wurde krank, als er etwa vier war. Drei oder vier Tage lang konnte er nur Flüssiges zu sich nehmen. Er sah sehr krank aus und da hat sich bei uns Furcht eingeschlichen. So haben wir sein Bett in unser Schlafzimmer gestellt. Meine Frau und ich haben die Bibellektion der Christlichen Wissenschaft studiert und ich bat meine Mutter, ihm Behandlung zu geben. Sie sagte jedoch, es sei besser einen anderen Heiler zu engagieren, da sie sich persönlich zu sehr betroffen fühlte.
Als der Praktiker kam, sprach er zuerst mit uns Eltern und mit meiner Mutter. Wir haben zusammen gebetet, bis er das Gefühl hatte, dass wir alle ruhig und eines Gemüts waren, um die Heilung zu erleben. Als er aufstand, um ins Schlafzimmer zu gehen, zeigte er uns eine saftige Birne, die er für den Jungen mitgebracht hatte.
Sofort haben wir gesagt: „Aber er isst ja nichts!“ Da hat er gesagt: „Beten wir doch noch weiter, denn wenn ich in das Zimmer gehe, müssen wir alle wissen, dass er gesund ist. Können Sie das tun? Werden Sie in der Zeit, die ich mit dem Jungen verbringe, aufrichtig richtig beten?“
Erst nachdem wir zugestimmt hatten, ging er hinein. An diesem Nachmittag aß der Junge fast die ganze Birne. Es dauerte noch eine Weile, bis er sich völlig erholt hatte, aber er wurde gesund und wir waren sehr dankbar.
Gekürzte Übersetzung aus dem Christian Science Journal vom Oktober 2012.