2005 war ich in die USA gegangen. Ich hatte zuvor noch nie auswärts gewohnt, auch nicht in einem Internat. Mit 19 ging ich auf das Principia College, wusste aber, dass ich erst in vier Jahren nach Hause zurückkehren konnte.
Als ich dort ankam, war ich mit drastischen Veränderungen konfrontiert. Ich bin in der Stadt aufgewachsen und plötzlich fand ich mich an einem Ort “am Ende der Welt” wieder. Viele Felder, kein Straßenlärm und nichts, was dem Stadtbild, wie ich es kannte, ähnlich wäre. Es fühlte sich so fremd an, morgens aufzuwachen und nicht meine Familie oder meine Freunde um mich zu haben. Ich kannte niemanden in Principia und alle schienen so anders zu sein als ich. Und obwohl alle sehr freundlich zu mir waren, war es doch gänzlich anders, als von den Menschen umgeben zu sein, die ich schon mein Leben lang kannte.
Nach einer Woche in der Schule wollte ich wieder nach Hause. Wenn ich irgendwo in Afrika gewesen wäre, hätte ich das nächste Flugzeug genommen und alles hinter mir gelassen. Ich war sehrversucht, alles aufzugeben und möglichst sofort wieder zu Hause zur Schule zu gehen. Zu der Zeit schien es, als wenn ich mich nicht auf die Schularbeiten konzentrieren könnte, und manchmal weinte ich mich regelrecht in den Schlaf. Dies dauerte eine ganze Zeit lang an. Die ersten Ferien am College machten alles noch schlimmer, weil Weihnachten war. Gerade auch bei dem kalten Wetter konnte ich das Heimweh kaum ertragen.
Zu Hause in Kaduna, Nigeria, war es Tradition zu Weihnachten, dass wir aufstanden, wenn unsere Mutter kochte, dann gab es ein riesiges Frühstück und dann gingen wir in die Kirche. Danach trafen wir uns mit Mitgliedern unserer Großfamilie, um den ganzen Tag gemeinsam zu essen. In den USA hatte ich überhaupt keine engen Freunde, mit denen ich Weihnachten hätte verbringen können. Aber zum Glück lebte mein Bruder in Texas und ich konnte ihn in dieser Zeit besuchen.
Als ich nach den Weihnachtsferien zur Schule zurückkam, dämmerte mir auf, dass ich überhaupt nicht versucht hatte, mit meinem Heimweh zurechtzukommen, sondern war nur sauer, verwirrt und frustriert gewesen. Ich hatte große Schwierigkeiten gehabt, meine Erfahrung wertzuschätzen oder sie überhaupt als ein positives Ereignis in meinem Leben zu sehen; obwohl es meine eigene Entscheidung gewesen war, auf das Principia College zu gehen. Ich hatte die ganze Situation nicht als ein Ereignis gesehen, das einer Heilung bedürfte oder das durch Gebet verbessert werden könnte. Ich hatte nur gesehen, dass ich damit leben musste.
Schließlich beschloss ich, mit der internationalen Studentenkoordinatorin über meine Gefühle zu sprechen, weil ich wusste, dass sie ähnliche Geschichten schon von anderen internationalen Studenten gehört hatte. Sie war sehr nett und sagte, dass ich akzeptieren sollte, dass ich von unserem Familienleben nichts verpasste, wenn ich eine Schule so weit weg von zu Hause besuchte. Sie sagte, dass ich meine Augen öffnen müsste für die Wahrheit, dass ich jetzt die Gelegenheit hatte, neue Mitglieder zu meiner Familie hinzuzubekommen. Nachdem sie das gesagt hatte, kam mir der Gedanke, dass ich dankbar sein konnte, anstatt unglücklich zu sein. Ich konnte geistige Qualitäten in all den wunderbaren Menschen um mich herum sehen. Direkt nach diesem Gespräch rief ich meinen Vater an und erzählte ihm, was ich durchgemacht hatte. Auch er betonte die Idee, dass wir nie woanders als am richtigen Platz sein können, ganz gleich, was die Situation auch sagt. Er erinnerte mich, dass Gott allen Raum füllt, unendlich ist, und es deshalb unmöglich ist, außerhalb Seiner Fürsorge zu sein. Mit diesem Gedanken im Bewusstsein fing ich an, viele Freundschaften zu schließen und viel Gutes als Ergebnis meines Studiums in Principia zu sehen. Dann bemerkte ich, dass ich Freunde gefunden hatte, die mich glücklich machten und mir sehr viel bedeuteten. Schließlich wurde mir klar, dass ich außerdem eine sehr gute Bildung bekam. Mein Traum, die Welt zu sehen, war wahr geworden. Und in die USA zu kommen war der erste Schritt. Auch hatte ich gerade die Zusage für ein Auslandsstudium in Frankreich erhalten, ein Land, das ganz oben auf der Liste der Länder stand, die ich besuchen wollte.
Ich erkannte, dass es kein Fluch und keine Strafe war, das College fern von zu Hause zu besuchen. Aber es bedurfte eines Gespräches, eines Anrufs und einiger Gebete, um meine Augen für all den Segen um mich herum zu öffnen. Sobald ich das erkannt hatte, war ich an meinem richtigen Platz und ich begann, mehr Beweise hierfür zu sehen. Die folgenden dreieinhalb Jahre in Principia brachten mir so viel Freude und Wissen, dass alles Heimweh völlig verschwand. Nicht, dass ich meine Familie in Nigeria nicht mehr vermisst oder nicht mehr an sie gedacht hätte. Vielmehr lernte ich mehr schätzen als nur die physische Nähe zu ihnen. Heute hege ich immer liebevolle Gedanken und Erinnerungen an die Freunde, die ich am College kennengelernt habe. Und außerdem kann ich auf jeden Fall sagen, dass ich tatsächlich meine Familie vergrößert habe und meine Heimat nicht mehr nur in Nigeria ist.
Dieser Beitrag wurde erstmals im Christian Science Sentinel vom 19. Juli 2010 veröffentlicht.
