Metanoeite. Seit Monaten treibt mich dieses Wort um. Johannes der Täufer und dann Jesus traten auf mit dem Aufruf: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahegekommen. Tut Buße („metanoeite“) und glaubt an das Evangelium (die gute Botscahft)!“ (Markus 1). Dieses Wort „matanoeite“ wird seit Gründung der christlichen Kirchen umgedeutet: Lateinisch: „poenitentiam agite“ (betreibt Bereuung), Luther: „tut Buße“, Englisch: „repent“ (bereut), Russisch: „pokajtjesj“ (bereut)! In der griechischen Ursprache aber heißt es: „Denkt um, ändert euer Denken (vgl. Meta-morphose), erarbeitet euch ein neues Bewusstsein!“ (Durch Buße und Reue, also Schuldbewusstsein, würde der Mensch eher unselbstständig, abhängig, gängelbar, möglicherweise sogar willfährig!)
Doch Jesu Verkündigung läutet ein neues Zeitalter ein: „Die Zeit ist erfüllt“, d. h., das Bisherige ist vorbei. Wenn das Reich Gottes, die Erlebbarkeit des Göttlichen, nahegekommen ist, sollten wir unsere Aufmerksamkeit nicht rückwärts auf unser Benehmen im Bisherigen wenden („tut Buße“, „bereut“), sondern vorwärts auf das Neue! Denkt um, ändert eure Wahrnehmung! Entsorgt den ganzen angestauten Müll aus eurem Bewusstsein und öffnet euch für das Neue! Paulus sagt das ausführlicher: „Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich aus nach dem, was vorn ist“ (Philipper 3) und „Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen [„erkunden“] könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene“ (Römer 12, Lutherbibel 1984). Das Reich Gottes besteht also aus Gutem, Wohlgefälligem, Vollkommenem. Damit auch ich es erlebe, muss ich meine Erwartungshaltung ihm zuwenden, gewissermaßen mein „Empfangsgerät“ auf gleiche „Wellenlänge“ bringen.
Mit diesem „neuen“ Reich hatte ich vor mehreren Jahren ein beeindruckendes Erlebnis: Mir war bei Gartenarbeiten ein kleiner Stachel ins Nagelbett des Ringfingers gedrungen. Ein echter Mann hat ein Taschenmesser. Aber der Stachel saß fest. Am Abend war der Finger rot geschwollen und schmerzte heftig. Ich musste sofort handeln. Als Christlicher Wissenschaftler liebe ich den Satz aus Wissenschaft und Gesundheit auf S. 463: „Eine geistige Idee enthält kein einziges Element des Irrtums, und diese Wahrheit entfernt alles Schädliche in der richtigen Weise“. Diesen Satz verinnerlichte ich während des Einschlafens mit tiefstem Vertrauen. Am nächsten Morgen war der Finger wie heute. Kein Stachel wahrnehmbar. Aber einige Tage später kam er in einer Delle des Fingernagels allmählich herausgewachsen. Der vorher unbewegliche Stachel hatte sich um gut 100 Grad gedreht! Das kann kein Arzt oder Biologe verstehen. Und ich verstehe es jetzt erst ganz allmählich. Gemäß dem Lehrbuch hatte ich mutig vom schmerzenden Finger „in Wahrheit und Liebe hinein[geschaut]“ (vgl. WuG, S. 261). Materielle Bedingungen hatte ich völlig außer Acht gelassen.
Dieses Hauptanliegen bei Jesu „metanoeite“ hat Mary Baker Eddy nach langer Zeit wieder nachvollziehbar gemacht. „Ihr ... werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Johannes 8). Denn erst die geistige Freiheit, das freie, befreiende Denken, befreit von den durch zwanghaftes Denken entstandenen Schwierigkeiten.
Nicht beachtet wird in heutigen Veröffentlichungen, dass einer ihrer Zeitgenossen der nur drei Jahre ältere Karl Marx war, der als Linkshegelianer den historischen und dialektischen Materialismus begründet hat und durch den Kommunismus mit revolutionärer Gewalt das Paradies auf Erden erzwingen wollte.
Mit Materialismus als Weltanschauung und dadurch begründeter materieller Gewalt lässt sich das Heil der Menschheit aber nicht herbeizwingen. „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen“ (Sacharja 4). Deshalb Mary Baker Eddys so nachdrückliche Ablehnung der Materie, oder genauer ihre entschiedene Zurückweisung materiellen Denkens: „Was Materie genannt wird, manifestiert nichts anderes als eine materielle Mentalität“ (WuG, S. 173).
Inzwischen habe ich mich bei der nunmehr gewaltig fortgeschrittenen Naturwissenschaft schlaugemacht. Prof. H. P. Dürr, ehemaliger Leiter des Max-Planck-Instituts, stellt in einem seiner Bücher fest: „Ich habe als Physiker fünfzig Jahre lang — mein ganzes Forscherleben — damit verbracht zu fragen, was eigentlich hinter der Materie steckt. Das Endergebnis ist ganz einfach: Es gibt keine Materie.“ („Geist, Kosmos und Physik“, S. 44) Das hatte Mary Baker Eddy schon 140 Jahre vorher entdeckt — ohne alle diese aufwendigen Forschungseinrichtungen! Und das gibt mir Vertrauen in ihre Aussagen. Im Dezember 1900 führte Max Planck vor der physikalischen Gesellschaft Berlins den Begriff „Quanten“ ein. Je genauer man die Materie untersucht, desto mehr zerrinnt sie einem. Es bleiben nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur noch sogenannte Energiewirbel.
Max Planck sprach von einem „Feld“ oder „Quantenfeld“, Rupert Sheldrake nennt es „morphogenetisches Feld“, andere nennen es Urgrund, Matrix, Gregg Braden „Göttliche Matrix“. Für mich ist es das göttliche Feld. Und dieses göttliche Feld ist — und erschafft — alle Wirklichkeit. „Alles ist unendliches Gemüt“, konstatiert Mary Baker Eddy (WuG, S.468).
Die bekannte Streitfrage, ob das Glas halb voll oder halb leer sei, ist demnach keine lustige Scherzfrage, sondern letztendlich eine Entscheidung über Glück oder Unglück, über Leben oder Tod. Das Quantenbewusstsein ist nicht auf physikalische Versuche beschränkt, sondern im Alltag wirksam. Sucht hinter allem das Reich Gottes und Seine Gerechtigkeit zu entdecken (siehe Psalm 111)— bei jeder Wahrnehmung, bei jeder menschlichen Begegnung. Dann „[sehen] wir alle ... mit unverhülltem Gesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel“. Wir sehen die göttliche Vollkommenheit überall widergespiegelt und werden selbst verwandelt (griechisch: „metamorph-umetha“) in „dasselbe“ (!) Bild „von Herrlichkeit zu Herrlichkeit“ (2. Korinther 3).
Bei Quantenversuchen hat die Überzeugung des Versuchsleiters entscheidenden Einfluss auf das Endergebnis. Und nicht nur dort.
Bei Quantenversuchen hat die Überzeugung des Versuchsleiters entscheidenden Einfluss auf das Endergebnis. Und nicht nur dort. „Halte das Denken ständig auf das Dauernde, das Gute und das Wahre gerichtet, und du wirst diese in dem Verhältnis erleben, wie sie dein Denken beschäftigen.“ (WuG, S. 261)
Inzwischen beginne ich die Fingerheilung zu verstehen: Der Stachel war keine „Materie“, sondern der erlebbar gemachte, ver-gegenständ-lichte Furchtgedanke eines Gartengewächses: „Friss mich nicht, sonst stech‘ ich dich!“ Und da bei meiner Gartenbegeisterung Anfeindung eines Gewächses nun wirklich nicht zu mir gehört, verschwand „alles Schädliche in der richtigen Weise“.
„Mache dich auf, werde licht, denn dein Licht kommt“ (Jesaja 60), ist Grundvoraussetzung für das Erlebnis der Herrlichkeit. Und wir sind auch dazu ausgerüstet. Goethe sagt treffend: „Wär‘ nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt‘ es nicht erblicken. Läg‘ nicht in uns des Gottes eigne Kraft, wie könnt‘ uns Göttliches entzücken?“ (Zahme Xenien, 3. Buch, S. 279) Wenn wir — im Herzen (!)— vom Guten wirklich durchdrungen sind, gelingen die Heilungen. Suchet zuvörderst das Gute in allem wahrzunehmen: „Hast du dir jemals diesen Himmel und diese Erde vorgestellt, von Wesen bewohnt, die unter der Herrschaft der höchsten Weisheit stehen?“ (WuG, S. 91) (Das gilt auch für dich selbst!). Das Quantenbewusstsein — oder Gottesbewusstsein — zeigt, dass das Reich Gottes ganz nahe herbeigekommen ist, bis unser Bewusstsein deckungsgleich mit dem göttlichen wird und wir endlich erkennen, dass das göttliche Gemüt die einzige Macht und die einzige Wahrheit ist und alles Gegenteilige nicht mehr gilt!
„Metanoeite“ bedeutet also: Mache dich auf, leiste deinen Beitrag zum Empfang des Neuen, des auch jetzt wieder neuen Zeitalters. „Mache dich auf, werde licht, denn dein Licht kommt. Und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir.“ (Jesaja 60)