Weltfrieden – bei diesem Begriff werden die einen sehnsüchtig dreinschauen und andere womöglich höhnisch lächeln. Zweifellos ein ehrbares Ziel, aber vielleicht doch nur eine naive, unrealistische Hoffnung? Während des Kalten Krieges zwischen Ost und West schien es, als könnte nur ein Gleichgewicht der Mächte den Frieden sichern. Die Menschen in Europa lebten in dieser Zeit stets mit einem gewissen Unbehagen, dass dieser Friedenszustand eigentlich nur die Abwesenheit von Krieg war. Viele meinten, dass nur die Angst vor dem Terror des Krieges (und Europa kannte den Terror von Kriegen nur gar zu gut!) einen offenen Konflikt verhinderte.
Um dauerhaft bestehen zu können, muss Frieden aber auf etwas Substanziellerem beruhen als nur auf der Gefahr der Vernichtung. Der Friedefürst (so beschreibt Jesaja den Messias, siehe Jesaja 9:6,7) bringt die Friedensbotschaft übrigens auch nicht einfach aufgrund einer Pattsituation zwischen Konfliktparteien, sondern vielmehr auf der Basis einer vereinten und allumfassenden Herrschaft des Christus, der sichtbaren Macht Gottes, der nur Liebe ist.
Um dauerhaft bestehen zu können, muss Frieden auf etwas Substanziellerem beruhen als nur auf der Gefahr der Vernichtung.
Wir können uns jederzeit an diese Regierung des Christus wenden und diese einende Kraft anerkennen, die uns zu der Tatsache lenkt, dass wir alle gemeinsame Eltern haben, einen Vater-Mutter Gott. Wenn wir hinter die Etiketten von Kultur und Theologie schauen, finden wir Gemeinsamkeiten in unserem geistigen Wesen. Respekt und Brüderlichkeit sind die natürliche Folge.
Auf dem Weg zu jenen Gemeinsamkeiten und gegenseitigem Respekt hat Europa in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht. Aus meiner Kindheit im Deutschland der sechziger und siebziger Jahre erinnere ich mich noch an abfällige Bemerkungen, mit denen man Franzosen beschrieb, und an die Begriffe, die sie für die Deutschen verwendeten. Diese Worte habe ich seit Jahrzehnten nicht mehr gehört. Niemand würde einen Freund beleidigen.
Das norwegische Nobel-Komitee erklärte: „Über 70 Jahre hatten Deutschland und Frankreich drei Kriege ausgefochten. Heute ist Krieg zwischen Deutschland und Frankreich undenkbar. Das zeigt, wie historische Feinde durch gut ausgerichtete Anstrengungen und den Aufbau gegenseitigen Vertrauens enge Partner werden können.“ (http://www.tagesschau.de/ausland/friedensnobelpreis-eu100.html) Und damit wurde der Europäischen Union der Friedensnobelpreis 2012 verliehen.
„Gegenseitiges Vertrauen.“ Es mag nicht immer einfach sein, Vertrauen aufzubauen, wenn wir mit Hetzpropaganda bombardiert werden, die auf Unterschiede in Kultur, Rasse und Theologie ausgerichtet ist und darauf abzielt, Argwohn und Verachtung zu schüren. Doch Hass ist Gottes Liebe nicht gewachsen. Gottes Liebe spricht so zum menschlichen Herzen, wie es jedes Herz verstehen kann. Was für ein machtvolles, bejahendes Gebet! Und es beruht auf einer machtvollen geistigen Tatsache: „Wir sollten gründlich verstehen, dass alle Menschen ein Gemüt, einen Gott und Vater, ein Leben, eine Wahrheit und eine Liebe haben. In dem Verhältnis, wie diese Tatsache sichtbar wird, wird die Menschheit vollkommen werden, der Krieg wird aufhören und die wahre Brüderlichkeit des Menschen wird begründet werden.“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 467)
Was für einen machtvollen Beitrag zum Weltfrieden jeder Einzelne leisten kann, indem er Christus als alles und in allen respektiert!
Das folgende Beispiel veranschaulicht, wie die Mitgliedschaft einer Kirche sich um ihre Stadt kümmern und zu Heilung und Frieden beitragen kann. Es war ein Mittwochabend im Februar. Ich saß in der Kirche, lauschte der Lesung, als plötzlich eine Ordnerin mir auf die Schulter klopfte und mich bat, ins Foyer zu kommen. Sie benötigte Unterstützung mit einem Besucher, der gerade gekommen und offensichtlich mental etwas gestört war. Es war ziemlich kalt draußen, doch er trug nur ein leichtes Hemd. Sein Blick war wirr und verängstigt, seine Bewegungen fahrig. Er sagte, der Teufel sei hinter ihm her und er suche Schutz. Ich versicherte ihm, dass es dem Teufel nicht gelingen würde, in unsere Kirche zu kommen. Das beruhigte ihn ein wenig.
Wir setzten uns still nebeneinander und hörten eine Weile der Lesung zu. Dann fragte er mich flüsternd, ob ich für ihn beten könnte, dass ihm seine Sünden vergeben wurden. Ich nickte und betete still, um zu erkennen, dass er als Gottes Kind nicht sündigen kann und dass Gott niemals Seine Liebe von Seiner geliebten Schöpfung abwendet.
Kurz darauf drehte er sich mit großen Augen zu mir und sagte: „Wow.“ Dann schaute er wieder nach vorn und lauschte weiter der Lesung. Als der Leser später die Versammlung freigab, damit die Gemeinde von Heilungen berichten konnte, flüsterte mein neuer Freund mir zu: „Ich möchte etwas sagen.“ Zugegebenermaßen war ich etwas misstrauisch. „Was wollen Sie denn sagen?“ „Ich empfinde hier so viel Liebe und ich fühle mich sicher.“ „Natürlich können Sie das sagen.“ „Na, ich habe es ja gerade gesagt!“
Nach der Versammlung kamen viele Mitglieder, um ihn zu begrüßen. Dann ging einer nach dem anderen, während er mir mehr über sich selbst erzählte. Er stammte aus Trinidad und lebte hier in einer ziemlich heruntergewirtschafteten Gegend und verdiente nur wenig. Seine Mutter war böse mit ihm, weil er zu wenig für die Familie tat.
Inzwischen war ich allein mit ihm. Er zeigte mir seine Bibel, in der er Fotos seiner Familie aufbewahrte. Er erkannte, dass er irgendwann die Kirche verlassen müsste. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er begann, in der Kirche hin und her zu laufen. Ich versuchte mir zu vergegenwärtigen, dass er ein geliebtes Kind Gottes ist und nicht beherrscht wird von seiner Kultur oder seiner Geschichte, sondern von dem einen alles regierenden Gemüt.
Dann blieb er stehen und sagte zu mir: „Wissen Sie, ich habe ein Messer. Ich habe einmal einen großen Fehler gemacht, den will ich nicht noch einmal machen.“ Bei diesen Worten schaute er mich an und plötzlich begannen seine Augen zu funkeln. „O nein!“, dachte ich augenblicklich. „Das tust du nicht! Du kannst keinem einen Schaden zufügen.“ Der Anflug von Panik verließ mich wieder. Ich hob beide Hände zur Decke hoch und sagte zu ihm: „Die göttliche Liebe erfüllt diesen gesamten Raum.“ Dann streckte ich meine Arme zur Tür: „Und diese ganze Liebe fließt hinaus und erfüllt die ganze Stadt.“ Er folgte dieser Bewegung und trottete in diese Richtung. Wir gingen zusammen hinaus ins Freie. Er wurde sehr nachdenklich und sagte, er würde jetzt nach Hause gehen. Wir trennten uns und ich wusste im Stillen, dass er sich in Gottes Liebe befand.
Am nächsten Mittwoch sprach ich nach der Zeugnisversammlung noch eine halbe Stunde in der Kirche mit einem Mitglied. Da steuerte ein junger Mann auf die Kirche zu. Er ging aufrecht mit federndem Schritt und trug eine Winterjacke. Er öffnete die Kirchentür und reichte mir die Hand. Ich schaute ihn fragend an und er sagte mit einem breiten Lächeln: „Hey, ich war letzte Woche hier!“ Ich hätte ihn nicht wiedererkannt. „Jaja“, lachte er, „heute bin ich mutig. Kein Teufel. Ihr habt mir letzte Woche so geholfen! Ich hab mit meiner Mutter gesprochen, alles ist wieder gut. Ich werde bei ihr einziehen. Diese Kirche ist wirklich etwas ganz Besonderes. Danke.“ Und damit verabschiedete er sich.
Da waren also ein dunkelhäutiger Mann aus Trinidad und ein weißer Deutscher, die sich in einer amerikanischen Kirche treffen und sich ihrer gemeinsamen geistigen Brüderschaft erfreuen. Ich musste an Paulus’ Erklärung denken: „Da gilt nicht mehr Grieche und Jude, Beschnittener und Unbeschnittener, Barbar, Skythe, Knecht oder Freier, sondern alles und in allen ist Christus.“ (Kolosser 3:11)
Was für einen machtvollen Beitrag zum Weltfrieden jeder Einzelne leisten kann, indem er Christus als alles und in allen respektiert – als Illustration unserer individuellen wahren Einheit mit Gott. Ja, Weltfrieden ist möglich. Und wenn wir unsere göttliche Verbindung betrachten, können wir durchaus sagen: Er ist unausweichlich.
Haben wir nicht alle einen Vater? Hat uns nicht ein Gott geschaffen?
Maleachi 2:10