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Original im Internet

Flüchtling ist kein Beruf

Aus der Oktober 2018-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 16. August 2018 im Internet.


Mehrere Wochen lang konnte man diese Botschaft auf großen Plakaten an Berliner Litfaßsäulen lesen. Ich glaube, die Menschen sollten darauf hingewiesen werden, dass Flüchtling zu sein kein ersehnter Zustand ist oder etwas, für das man sich freiwillig entscheiden würde. Es ist meistens das traurige Ergebnis davon, dass man vor unerträglichen Zuständen fliehen musste, zum Beispiel vor Krieg, korrupter Regierung oder religiöser Verfolgung. Fast immer müssen Flüchtlinge um ihr Leben fürchten und um das ihrer Familienangehörigen. Sie müssen gezwungenermaßen all ihren Besitz zurücklassen, ihr Zuhause und ihre Freunde und Verwandten, ihre Arbeitsstelle und ihr Heimatland.

Während der letzten Jahre haben wir immer wieder herzzerreißende Berichte gehört über das, was Menschen durchzumachen hatten, um solchen Zuständen zu entkommen und Sicherheit und Stabilität zu finden. Tausende haben beispielsweise schlimme Wetterbedingungen ertragen müssen und dauernde Not beim Überqueren des Mittelmeeres in kleinen, ungeeigneten Booten auf der Suche nach einem neuen Heim.

Immer wenn ich solche Berichte höre, sehne ich mich nach einer Gewissheit von Frieden, zusammen mit einer Lösung für diese ständige humanitäre Krise überall auf der Welt. Und dann denke ich an diese Worte eines Liedes aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft (Anna L. Waring, Nr. 148, Übersetzung © CSBD), die mich sehr trösten:

Ob auch die Stürme toben,
    mein Herz bleibt ungetrübt;
ich werde nie verzagen,
    da Gott mich ewig liebt.

Es gibt wahrlich keine Situation, in der Gott uns nicht erreichen und helfen könnte, denn Gott, Geist, ist immer gegenwärtig, um auf unseren Ruf zu antworten. In den Psalmen heißt es: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenn auch die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, wenn das Meer wütete und wallte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen. ... Der Herr Zebaoth ist mit uns“ (46:2–4, 8).

Seit Jahrhunderten haben sich zahllose Menschen im Gebet an Gott gewandt und erlebten, dass Er eine gegenwärtige „Hilfe in den großen Nöten“ ist – so auch unsere Familie.

Im März 1945, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges, wurden wir in unserem eigenen Land zu Flüchtlingen. Meine Mutter kannte die Christliche Wissenschaft seit etwa 15 Jahren, aber uns Kindern waren die Worte Christliche Wissenschaft zu der Zeit nicht bekannt. Sie hatte sie wohl auch nie vor uns ausgesprochen, denn es hätte für jeden gefährlich sein können, der diese Worte in Nazi-Deutschland auch nur erwähnt hätte. Dies alles konnte aber unsere Mutter nicht davon abhalten, zu beten, und es konnte uns nicht davon abhalten, die Wirkung dieser Gebete und ihr Vertrauen in Gottes schützende Macht zu fühlen – besonders während der Bombardierungen unserer Stadt, Stettin (heute polnisch Szczecin), und unseres Hauses.

Es wurde dann angeordnet, dass Familien mit Kindern zu ihrer eigenen Sicherheit die Städte verlassen sollten. Unser Vater, der Lehrer in einer Blindenschule innerhalb unserer Stadt war (eines der vielen Internate für Blinde in ganz Deutschland), wurde mit der Schule auf die Insel Rügen in der Ostsee evakuiert. Meine Mutter, meine beiden Geschwister und ich kamen in ein kleines Dorf in Hinterpommern nahe der Ostsee. Als die Front, also die Kämpfe, immer näherkamen, fühlte meine Mutter immer stärker den dringenden Gedanken, sie solle sich mit uns sofort aufmachen in Richtung Westen. Wir gingen in der Nacht los, als der Vollmond herausgekommen war, der uns auf dem Weg leuchten sollte. Wir mussten die ganze Nacht laufen und sehr still sein, denn unten am Strand waren bereits die sowjetischen Sturmboote gelandet. Mein älterer Bruder betete kontinuierlich das Gebet des Herrn. Meine kleine Schwester, die erst 5 Jahre alt war, beschwerte sich immer wieder, dass sie nicht mehr laufen könne, und meine Mutter sagte ihr jedes Mal, sie solle ihren Füßen sagen, dass sie einfach weitergehen müssten. Es ginge nicht anders.

Im Morgengrauen überquerten wir die Front zwischen den verfeindeten Armeen und erreichten schließlich einen kleinen Hafen. Wir hofften, dass wir von dem letzten Dampfer, der noch durchfahren durfte, mitgenommen werden würden. Ich bin sicher, dass unsere Mutter bei jedem Schritt unserer Reise betete und dass ihre Treue zu Gott und ihr unerschütterliches Vertrauen in Ihn dazu beitrugen, dass wir zu dem Zeitpunkt wie auch weiterhin in den kommenden Monaten beschützt und geführt wurden.

Schließlich kam ein kleines Schiff und legte an. Und obwohl es bereits voll war mit Frauen und vielen Kindern, konnten wir an Bord gehen. An dem Tag war das Wetter extrem stürmisch mit hohem Wellengang. Zwei große Schiffe waren bereits auf Minen gelaufen und mit Tausenden von Flüchtlingen untergegangen, sodass es nun viel Angst gab. An einen Moment bei der Fahrt über die Ostsee erinnere ich mich besonders, als meine Mutter auf Deck stand und sang:

Und auf der Erde sturmbewegtem Meere
    sehe ich Christus wandeln dort, 
und sieh’, er naht sich mir und voller
Milde
    spricht er zu mir sein göttlich Wort.
(Dies ist die Übersetzung aus dem damaligen Liederbuch der Christlichen Wissenschaft. Der heutige Text ist als Lied Nr. 253 vertont.)

Ich war noch ein Kind, sodass mich der Gedanke, dass Christus auf den Wellen wandelte, sehr beeindruckte. Ich schaute zu meiner Mutter und dann wieder zur Ostsee, dorthin, wo sie hinschaute, und fragte mich, wo sie den Christus sah. Und ich merkte, dass sie etwas sah, das ich nicht sehen konnte.

Erst viel später, als ich schon eine Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft besuchen konnte, wurde mir klar, dass das, was meine Mutter gesungen hatte, aus einem wunderschönen Gedicht von Mary Baker Eddy stammte, der Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, das im Liederbuch der Christlichen Wissenschaft vertont wurde. Und dass das, was meine Mutter „gesehen“ hatte, der unpersönliche Erlöser oder Christus gewesen war – die ewige Wahrheit, die heilende und erlösende Macht Gottes, die zu jedem empfänglichen Herzen kommt, wie es die Heilarbeit von Christus Jesus zeigte.

Heutzutage bin ich mir der Wahrheit bewusst, dass meine Brüder und Schwestern überall in den ewigen Armen der göttlichen Liebe in Sicherheit sind.

Ich singe dieses Lied immer gerne, und wie passend ist es doch, dass es „Christus, unsere Zuflucht“ heißt, denn Zuflucht war ja das, was unsere Familie suchte und schließlich fand.

Unser kleiner Dampfer schaffte es durch den heftigen Sturm auf See und legte am Hafen von Ueckermünde an. Dort wurden wir und viele andere Flüchtlinge zu einem Zug gebracht, der in Richtung Westen nach Hannover fahren sollte. Normalerweise ist dies eine etwa fünfstündige Fahrt, aber dieser Zug brauchte 14 Tage! Nach einem weiteren Abenteuer erreichten wir schließlich das Heim der Schwester meiner Mutter in Eisenach. Dort auf der Wartburg hatte Martin Luther vor 500 Jahren die Bibel in die deutsche Sprache übersetzt. Doch das war nicht das Ende unserer Flucht, denn die Besatzungsmächte gaben den Befehl, dass alle Flüchtlinge die Stadt innerhalb einer bestimmten Frist verlassen mussten. Meine Mutter wollte versuchen, zu ihren Eltern nach Potsdam bei Berlin durchzukommen. Unser Zug musste jedoch in Halle (Saale) anhalten. Es ging nicht weiter, denn alle Brücken waren durch Bomben zerstört worden.

Da waren wir nun, saßen auf dem nackten Fußboden des Bahnhofs, zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen und hofften und warteten auf einen Engelsgedanken von Gott, um uns einen Weg nach vorne zu zeigen, einen Weg mit Segnungen. Plötzlich sagte mein großer Bruder, der damals gerade 10 Jahre alt war, zu meiner Mutter: „Mutti, das hier scheint eine große Stadt zu sein! Vielleicht gibt es hier eine Blindenanstalt? Und vielleicht kennt man dort unseren Papi!“ Dies war die erleuchtete Idee, auf die wir gewartet hatten. Meine Mutter konnte ein funktionierendes Telefon finden, und im Telefonbuch fand sie die Adresse und Telefonnummer einer Blindenanstalt. Sie rief dort an, und ja, man kannte unseren Vater! Und man sagte: „Kommt gleich her!“ Und das taten wir natürlich ganz freudig. Dort fand uns unser Vater vier Monate später!

In einem kurzen Artikel zum Thema „Engel“ (in Vermischte Schriften 1883–1896) schrieb Mary Baker Eddy: „Gott gibt euch Seine geistigen Ideen, und sie wiederum geben euch, was ihr täglich braucht. Bittet niemals für morgen; es ist genug, dass die göttliche Liebe eine immergegenwärtige Hilfe ist, und wenn ihr wartet und niemals zweifelt, werdet ihr jeden Augenblick alles haben, was euch not tut“ (S. 307). Ich denke, unsere Familienerfahrung hat das so schön illustriert, und das versichert mir genau jetzt, dass Gott jeden, der Ihn anruft, schützt und leitet.

Es war in Halle, dass ich das erste Mal eine christlich-wissenschaftliche Kirche besuchte. Etwas später richtete diese Kirche auch eine Sonntagsschule ein, in die ich jeden Sonntag mit Freude ging. Und mittwochs ging ich auch gerne zu den Zeugnisversammlungen der Kirche. Ich liebte das, was ich dort über Gott lernte, nämlich dass Er unser liebender Vater und unsere Mutter ist, und auch, dass es eine unzertrennliche Verbindung zwischen Ihm und mir gibt. Und ich erlebte damals auch erste Heilungen durch meine eigenen Gebete.

Heutzutage bin ich mir in meinen Gebeten für die Welt der Wahrheit bewusst, dass meine Brüder und Schwestern überall in den ewigen Armen der göttlichen Liebe in Sicherheit sind. Möchten Sie, liebe Leserinnen und Leser, dasselbe tun? Wollen wir uns gemeinsam bewusstmachen, dass der Christus zu allen kommt und mit ihnen spricht, auch über das „sturmbewegte Meer“ und über alle Not hinweg, der sie sich ausgesetzt finden mögen. Er spricht von Gottes unendlicher Zärtlichkeit und Fürsorge und dass er sie alle zu Freiheit, Frieden und Sicherheit führt. Lassen Sie uns diese vielen Menschen in unsere Gebete mit einschließen und dadurch Gottes Liebe für die ganze Schöpfung bestätigen, weil wir doch alle die geliebten Töchter und Söhne Gottes sind.

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