Dieses Interview wurde ursprünglich auf Sentinel Watch ausgestrahlt, einem Podcast des Christian Science Sentinels. Im Mittelpunkt steht ein kleines Buch, das seit jeher eine große Rolle in der Bewegung der Christlichen Wissenschaft spielt und gelegentlich als Vorbild für das Erstellen klarer, prägnanter Richtlinien hervorgehoben wird: das Handbuch der Mutterkirche von Mary Baker Eddy. Christian Harder unterhielt sich mit Irmela Wigger, einer in Deutschland lebenden ehemaligen Präsidentin der Ersten Kirche Christi, Wissenschaftler.
Irmela, kannst du kurz erklären, warum eine Kirche ein Handbuch braucht und wie sein Inhalt auch für Leute interessant sein könnte, die keine Mitglieder der Kirche Christi, Wissenschaftler, sind?
Jede Kirche, jede Körperschaft, braucht Richtlinien, damit alle, die dort tätig sind, wissen, was wann wie zu tun ist – damit jeder weiß, was von ihm erwartet wird.
Jesus gab seinen Jüngern und Nachfolgern geistige Richtlinien in Form der Bergpredigt. Die Richtlinien und Satzungsbestimmungen im Kirchenhandbuch beruhen auf göttlichen Gesetzen. Mary Baker Eddy hat die Umstände, wie es zu diesen Richtlinien und Satzungsbestimmungen kam, unter anderem so beschrieben: „Sie wurden von einer Macht veranlasst, die man nicht sein eigen nennen kann; sie wurden zu verschiedenen Zeiten niedergeschrieben, wie es die Umstände erforderten. Sie entsprangen der Notwendigkeit, der Logik der Ereignisse – dem unmittelbaren Verlangen nach ihnen als einem Hilfsmittel, das geboten werden musste, um die Würde unserer Sache zu wahren und um sie zu verteidigen; daher ihre einfache, wissenschaftliche Grundlage und ihre genauen Bestimmungen, die zur Demonstration der wahren Christlichen Wissenschaft so wichtig sind und die zum Wohle der Menschheit vollbringen werden, was absolute Glaubenslehren, die für künftige Geschlechter bestimmt sind, nicht erreichen mögen“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 148).
Ich fand eine kleine Broschüre mit dem Titel „Das Kirchenhandbuch – eine Quelle der Kraft“, und einer der Artikel erwähnt, dass Mary Baker Eddy schon früh zu dem Schluss gekommen war, dass Organisation eine nützliche Notwendigkeit ist. Doch im selben Artikel wird gesagt, dass das Kirchenhandbuch als Rückgrat der Arbeit dienen muss, nicht als Zwangsjacke der Inspiration (siehe Robert Peel, „Das Handbuch und die Organisation“, Herold, Juli 1973). Ich finde es wunderbar, dass es uns nicht behindert, sondern hilft, Inspiration in allem zu finden, was wir an Kirchenarbeit zu tun haben.
Das ist sehr schön. Also ist es eindeutig mehr als ein Regelwerk. Du bezeichnest es als Quelle der Inspiration.
Ja, ich glaube, auch Leute, die nicht Christliche Wissenschaftler sind, können Inspiration darin finden, besonders in der „Regel für Motive und Handlungen“ im Kapitel „Disziplin“. Einige Sachen können für jede Religion, jede Gruppe, sehr hilfreich sein.
Der erste Satz lautet: „Weder Feindseligkeit noch rein persönliche Zuneigung sollte der Antrieb für die Motive oder Handlungen der Mitglieder Der Mutterkirche sein“ (S. 40). Feindseligkeit und persönliche Zuneigung sind oft der Ursprung von Problemen und Schwierigkeiten in Organisationen.
Es ist also wirklich eine Regel für den Alltag und für geistiges Wachstum.
Ja, genau, und es spielt in meinem Leben, meinem Alltag, seit jeher eine große Rolle. Ich habe mich für das Kirchenhandbuch interessiert, bevor ich als Praktikerin der Christlichen Wissenschaft im Christian Science Journal inserierte. Es fing damit an, dass ich die Bibliothekarin unseres Leseraums der Christlichen Wissenschaft wurde. Der Leseraum ist ein Ort, wo jeder die Bibel, alle Schriften von Mary Baker Eddy und die Zeitschriften der Christlichen Wissenschaft lesen, kaufen und studieren kann. Nachdem meine Vorgängerin mich in meine Pflichten eingewiesen hatte – die wöchentliche Bibellektion in der Bibel und Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift stecken, Bestellungen aufgeben und Rechnungen bezahlen –, dachte ich: „Es muss mehr dahinterstecken, Bibliothekarin des Leseraums der Christlichen Wissenschaft zu sein“, und so nahm mein Interesse am Kirchenhandbuch seinen Anfang.
Ich schaute in diesem winzigen Buch nach, um herauszufinden, was von Leseraum-Bibliothekaren erwartet wird, und las die Stelle über „diejenigen, die die Leitung der Leseräume Der Mutterkirche übernehmen“: „Er oder sie darf keine schlechten Angewohnheiten haben, muss Erfahrungen im Feld gesammelt haben, eine gute Bildung besitzen und ein hingebungsvoller Christlicher Wissenschaftler sein“ (S. 63–64). Eine gute Bildung, so schätzte ich, bedeutet nicht, dass man sich irgendwie extrem auf diesen Job vorbereitet, sondern dass man in Wirklichkeit ein offenes Herz haben muss – das „gebildet“ ist, um mit Besuchern zu sprechen und ihnen zu zeigen, was unser Leseraum für sie hat.
Das Kirchenhandbuch behindert uns nicht; es hilft uns, bei jeder Kirchenarbeit Inspiration zu finden.
Außerdem las ich: „Es ist das Privileg und die Pflicht eines jeden Mitglieds, das es sich leisten kann, die Zeitschriften, die die Organe dieser Kirche sind, zu abonnieren ...“ (Kirchenhandbuch, S. 44). Ich dachte: „Ja, das mache ich.“ Wir hatten damals nicht viel Geld und mein Englisch war nicht sehr gut, doch ich dachte: „Wenn es im Kirchenhandbuch steht, dann kann es nur helfen.“ Und so fing ich an, den Christian Science Sentinel zu lesen, um mir Englisch beizubringen. Nach kurzer Zeit war es mir wirklich möglich, Mrs. Eddys Bücher auf Englisch zu lesen, denn ich hielt immer in Gedanken fest, dass nichts mich daran hindern kann, alles über die Christliche Wissenschaft und Mary Baker Eddy zu erfahren, was ich wissen muss. Und so war es auch.
Es klingt so, als wäre deine Motivation vom Kirchenhandbuch gekommen.
Ja.
Also hast du erlebt, dass das Kirchenhandbuch deinen Bedarf gedeckt hat.
Ja. Erst sah ich es in meinem eigenen Leben. Alles, was im Kirchenhandbuch steht, hat die Macht Gottes hinter sich, denn es ist göttlich veranlasst, wie Mary Baker Eddy es ausdrückt. Wenn ich mich zum Beispiel hin und wieder nicht wohlfühlte, aber Dienst hatte, wusste ich, dass das göttliche Gesetz, das die Aktivität des Leseraums unterstützt, mich dort bewahren würde, und es ging mir jedes Mal wieder gut, wenn ich heimging. Oder wenn ich als einer der Leser, die die Gottesdienste leiten, meinte, nicht lesen zu können, weil ich schwer erkältet war, aber keinen Vertreter finden konnte, dann dachte ich: „Es ist meine Aufgabe zu lesen, und da ich Gottes geistiger Ausdruck bin, hat Gott mir die Fähigkeit dazu gegeben.“ Und das funktionierte immer.
Gut! Und wie hast du den Bedarf in einem weiteren Umfeld gedeckt gesehen – zum Beispiel in der Kirche?
Als ich später nicht mehr selbst Leserin war, konnte ich helfen, indem ich betete, wenn der Erste oder Zweite Leser meinte, wegen Unwohlsein nicht lesen zu können. Ich konnte für den Gottesdienst beten und wissen, dass die Leser und die Gemeinde in der heilenden Botschaft enthalten sind und dass alle kommen und geheilt werden können. Die „Regel für Motive und Handlungen“ ist eine sehr gute Hilfe für die Kirche. Ich finde, sie hilft dabei, eine gute Atmosphäre aufrechtzuhalten, denn sie ermuntert uns dazu, einander in der brüderlichen und schwesterlichen Liebe zu sehen, die wir jeder als Gottes geliebtes Kind ausdrücken. Und das ist nicht schwer.
Als mein Mann weiterging, machte ich schwere Zeiten durch. Ich war Erste Leserin und die Mitglieder meiner Kirche waren so liebevoll und unterstützten mich sehr. Sie wussten, dass Gottes Fürsorge für mich und meine Familie konstant und ewig ist. Nach zwei Wochen kehrte ich ins Amt der Ersten Leserin zurück, und die Überzeugung der anderen, dass ich diese Arbeit tun konnte, half mir ungemein. Wir alle helfen einander.
Und das Kirchenhandbuch gibt euch allen die Zuversicht, euch gegenseitig in dieser Weise zu unterstützen.
Ja, so ist es. Ich muss sagen, dass ich das Kirchenhandbuch wirklich liebe.
Das spürt man in allem, was du sagst. Hast du mit einer Regel im Kirchenhandbuch auch gerungen oder dich gefragt, warum sie da ist?
Ja, als ich erstmals las: „Ein Mitglied Der Mutterkirche darf Mrs. Eddy nicht auf ihren Spazierfahrten belästigen, nicht ständig an ihrem Haus vorbeigehen oder zu diesem Zweck die Sommerfrische in ihrer Nähe verbringen“ (S. 48), da dachte ich: „Sie ist doch nicht mehr da, was sollen wir hier befolgen?“ Doch dann verstand ich, dass es auch heute für uns wirklich aktuell ist. Wir sollen Menschen nicht verehren, egal wo sie sind und um wen es sich handelt. Vielleicht sind Menschen versucht, die Persönlichkeit ihres Praktikers oder ihres Lehrers oder einer sonstigen Person zu verehren, und Mrs. Eddy wollte uns verständlich machen, dass das nicht Christliche Wissenschaft ist, denn wir verehren Gott, nicht Menschen.
Mrs. Eddy schrieb außerdem, dass die Leute, die aufgefordert werden, für sie zu arbeiten, drei Jahre bleiben sollten (siehe Kirchenhandbuch, S. 67–68). Ich dachte: „Ist es möglich, dass sie wirklich von ihnen verlangen konnte, so lange zu bleiben?“ Ich fand das sehr streng, doch ich konnte auch sehen, wie viel sie für die Kirche und die Bewegung schaffen musste. Das war nicht möglich ohne Leute, die bei dieser wichtigen Arbeit helfen konnten. Also war mir klar, dass die Forderung nicht zu streng war. Sie war sehr wertvoll für die Kirche, für ihre Nachfolger und für die ganze Menschheit.
Und in Wirklichkeit ist das eine Forderung, Hingabe an die Sache der Christlichen Wissenschaft zu zeigen.
Ja, das ist es, und wenn wir eins bei der Kirchenarbeit lernen, dann ist es Hingabe – dass wir nicht etwas für uns selbst oder ein paar Leute in der Kirche tun, sondern es ist alles für diese wundervolle Sache der Christlichen Wissenschaft; wir arbeiten für die Erlösung der ganzen Menschheit.
Und heute, mehr als hundert Jahre, nachdem die aktuelle Ausgabe des Kirchenhandbuchs herausgegeben wurde, ist das nach wie vor relevant. Es ist nicht veraltet, oder?
Nein, es ist nicht veraltet, denn alles, was Mrs. Eddy dort sagt, ist heute anwendbar und sehr hilfreich. Sie hat die Kirche mit dem Kirchenhandbuch beschützt, und das Kirchenhandbuch leitet den Vorstand und alle Mitglieder der Mutterkirche nach wie vor an. Es ist göttlich veranlasst, es kann nicht aufhören, es beruht auf göttlicher Macht, und daher kommt es auch heute weiter zu Anwendung. Mary Baker Eddy hatte solch ein wunderbares, gottgegebenes Wissen, auch in Bereichen, in denen sie nicht geschult war. Und das kam, weil es kein persönliches Wissen war; es kam von ihrer demütigen Empfänglichkeit für Gott. Und so konnte sie ihre Nachfolger anleiten, die Arbeit zu erfüllen, die sie ihnen auftrug – und manchmal halfen sie, indem sie selbst Satzungsbestimmungen vorschlugen.
Möchtest du noch einen abschließenden Gedanken äußern?
Ich bin froh, dass ich herausgefunden habe, wie hilfreich die Regeln sind, die Mary Baker Eddy uns im Kirchenhandbuch gegeben hat, auch für meinen Alltag. Zum Beispiel das „tägliche Gebet“, das mit folgenden Worten eingeleitet wird: „Es ist die Pflicht eines jeden Mitglieds dieser Kirche, jeden Tag zu beten ...“ Und dann das Gebet selbst: „‚Dein Reich komme‘; lass die Herrschaft der göttlichen Wahrheit, des göttlichen Lebens und der göttlichen Liebe in mir aufgerichtet werden und alle Sünde aus mir entfernen; und möge Dein Wort die Liebe der ganzen Menschheit bereichern und sie regieren!“ (S. 41). Das hilft uns zu wissen, dass Gottes Reich jeden Tag für uns da ist und dass dieses Reich die Herrschaft der göttlichen Wahrheit, des göttlichen Lebens und der göttlichen Liebe ist, die jeden Menschen regiert. Das ist ein Gebet für die ganze Welt, nicht nur für uns. Kann es eine bessere Inspiration für den Tag geben?
