Wenn Sie die Zukunft vorhersagen sollten, was würden Sie sagen? Gibt es etwas, das Sie mit großer Sicherheit prophezeien können? Das ist eine interessante Frage. Die Geschichte bewegt sich manchmal auf seltsamen Abwegen. Was könnten Sie auf der Grundlage dessen, was Sie heute wissen, mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen? Wenn Sie den Propheten in der Bibel diese Frage gestellt hätten, was hätten die wohl geantwortet? Wenn man alle auf einem Prophetenkongress zusammenbrächte und nach einem gemeinsamen Grundsatz fragte, was wäre die Antwort? Mir scheint, dass ihre Prophezeiungen sich ungefähr so zusammenfassen ließen: Gott liebt Sie und wird nie aufhören, Sie zu lieben.
Das mag überraschend klingen, wenn man an die Propheten denkt. Schließlich bestand vieles, was sie zu sagen hatten, aus schrecklichen und zerstörerischen Dingen, die bevorstanden. Doch die meisten Prophezeiungen kamen mit einem klar beschriebenen oder implizierten „wenn“. Wenn das Volk Gottes nicht tat, was Gott ihnen vorgegeben hatte, um mit Seiner Güte verbunden zu sein, dann würden es ihnen schwerfallen, Gottes Liebe als Liebe und nicht als schmerzhafte Maßregelung zu empfinden. Doch hinter all diesen offenkundigen Drohungen und Warnungen stand die tiefe und beständige Versicherung von dem starken Band zwischen Gott und Seinem Volk. Es gab das Versprechen, bewahrt, beschützt, bewacht, versorgt und auf jedem Schritt geführt zu werden. Deshalb können die Beschreibungen ihrer selbst eingebrockten Konsequenzen – nämlich dann, wenn die Kinder Israel von der Vereinbarung mit Gott abwichen – ziemlich hart klingen. Doch wie bei Eltern, die ihren Kindern unwillkommene Grenzen auferlegen, bleibt die zugrundeliegende Botschaft dennoch: „Ich hab’ dich lieb.“
Die Christliche Wissenschaft hilft uns, diese Botschaft der Liebe inmitten etlicher heutiger Missverständnisse über die Prophezeiungen wiederzuerlangen. Eine kurze Suche im Internet zum Thema Erfüllung von Prophezeiungen fördert eine Lawine aus passionierten Meinungen und mysteriösen Schlussfolgerungen zutage. Es kann uns einschüchtern oder das Gefühl von Unzulänglichkeit geben, wenn wir nicht zu demselben Schluss kommen wie die jeweiligen Verfasser. Vielleicht fragen wir uns: „Welches Mysterium verstehe ich hier nicht?“ Schließlich sind wir doch alle bemüht, das Leben zu verstehen, das Mary Baker Eddy in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift „die große Aufgabe des Seins“ nennt (siehe S. 254).
Grundlegend für die Christliche Wissenschaft ist das Verständnis, dass die Macht des Christus, Gottes Fähigkeit, zum menschlichen Bewusstsein zu sprechen, aus der Aktivität des göttlichen Prinzips kommt, das wir als verlässliche Gesetzmäßigkeit, die Stetigkeit des Guten, erleben. Mit anderen Worten, Gott verhält sich dienstags nicht anders als samstags. Deshalb stimmt die Botschaft der Propheten von einem Gott, der uns immer liebhat, nicht nur mit der Bibel überein, sondern auch mit einer wissenschaftlichen Herangehensweise an das Christentum. Wenn Gott unendliche Liebe ist und Gottes Schöpfung diese göttliche Liebe zum Ausdruck bringt und manifestiert, dann haben wir guten Grund, gewisse Vorstellungen über Prophezeiungen und die Art und Weise, wie sie in unserem Leben wirkt, entweder zu hinterfragen oder zu bestätigen.
Zunächst einmal: wenn Gott ewige Wahrheit ist, dann hat Gott nichts mit Zeit zu tun; Er steht über der Zeit. Also ist der Glaube, dass Gott sich irgendwie an Zeit und menschlicher Geschichte aufhängt und Seinen Propheten ständig Botschaften über die Zukunft übermittelt, unzulänglich. Gott spielt nicht im Sandkasten der materiellen Geschichte. Gott erkennt und bringt durch den Menschen in einem unendlichen, von den Begrenzungen der Materie freien Universum Leben, Wahrheit und Liebe zum Ausdruck. Und wenn Gott Geist ist und Gottes Schöpfung, einschließlich des Menschen als Sein Bild und Gleichnis, völlig geistig ist, dann ist Gott nicht ständig damit beschäftigt, eine materielle Welt auszubessern. Gott sagt den Propheten nicht Ergebnisse voraus, die außer ihnen niemand versteht und der restlichen Welt den Eindruck vermittelt, Gott sei ein Mysterium. Die Botschaft der Propheten ist in erster Linie, dass Gott verstanden werden möchte und kein unerfindliches Rätsel ist. Deshalb vermittelt uns der Prophet Jeremia Gottes Versprechen: „Ihr werdet mich suchen und finden. Denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, dann werde ich mich von euch finden lassen“ (Jeremia 29:13, 14). Das „ihr“ sind Sie und ich, keine ausgewählte Gruppe Sterblicher, die Gott als „Lieblinge“ favorisiert und die Er gelegentlich herschickt, wenn die Sterblichen vom Weg abkommen. Wenn Prophezeiung das also nicht ist, wie kann die Christliche Wissenschaft uns dann helfen zu verstehen, was sie ist?
Prophezeiung hat mit Sehen zu tun, nämlich das, was wahr ist und immer wahr sein wird. Die materielle Wissenschaft konzentriert sich meist auf Wissen, das man durch physische Untersuchungen oder Erkenntnisse erlangen kann. Prophezeiung ist in vieler Hinsicht ein Erkennen von dem, was nicht offenkundig ist. Wenn wir Gott aus ganzem Herzen suchen und gehorchen, können wir angemessen erwarten, dass wir erkennen können, wie genau unsere Zukunft mit der Harmonie Gottes in Einklang ist. Wenn wir uns von den wirbelnden Strömungen des Materialismus mitreißen lassen, können wir leicht erkennen, dass wir die Felsen übersehen werden, die uns erwarten, wenn wir plötzlich auf einen Wasserfall stoßen. Doch das ist der Punkt, wo ein Verständnis vom Christus als der wahren, allgegenwärtigen Idee Gottes, die beständig zum menschlichen Bewusstsein spricht, so viel ausmacht. Es hilft uns zu sehen. Es befähigt uns, moderne Propheten zu sein – nicht im mystischen Sinne eines Spezialwissens, sondern einhergehend mit dem Trost: „Gott ist hier, Er liebt uns und das können wir beweisen.“
Vom Standpunkt des Geistes ist die Materie keine verlässliche Darstellung des Lebens. Der Versuch, mit dem Rahmen der materiellen Begrenzungen des Lebens auszukommen, kommt der Anstrengung gleich, in einem stockdunklen Zimmer herumzulaufen, ohne sich zu stoßen. Andererseits bringt die Erkenntnis, dass das Leben geistig ist, eine Freiheit mit sich, die Tanzen bei Sonnenschein gleichkommt. In vieler Hinsicht lautet die Botschaft der Propheten, dass wir im Licht leben und alles sehen können, was wirklich ist. Deshalb kann ihre Botschaft so viel Verheißung und Freude auf bevorstehende Zeiten beinhalten. Zu anderen Zeiten mag es denen im Dunkeln wie „Pass auf“ oder „Hier entlang“ klingen, doch es dient dazu, uns einen sicheren Weg zu weisen.
Das Leben und die Mission von Christus Jesus haben uns das beste Vorbild eines Sehens und Lebens im Licht des Geistes gegeben. Deshalb waren seine Heilungen nie dazu bestimmt, mysteriös zu sein, und deshalb trug er seinen Nachfolgern auf, aktiv zu heilen – im Licht zu leben und anderen das Licht deutlich zu machen. So wie eine Prophezeiung nicht wirklich eine Zukunftsvorhersage ist, sondern die Verdeutlichung, dass die ewige Wahrheit, göttliche Liebe, im Hier und Jetzt und in Zukunft wahr ist, so zeigen körperliche Heilungen in der Christlichen Wissenschaft, dass es nicht darum geht, Materie herzurichten – einen leidenden, schlechten materiellen Zustand in einen besseren zu verwandeln. Es geht darum, die grundlegendste prophetische Botschaft von Gott zu erkennen und zu vernehmen: „Ich habe dich lieb, und nichts kann das Band dieser Liebe je zerreißen.“ Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Der Prophet von heute sieht am mentalen Horizont die Zeichen dieser Zeit, das Wiedererscheinen des Christentums, das die Kranken heilt und Irrtum zerstört, und es wird kein anderes Zeichen gegeben werden“ (S. 98).
Scott Preller
Mitglied des Vorstands der Christlichen Wissenschaft
