In einer Geschichte in der Bibel sprach Jesus in Samarien mit einer Frau an einem Brunnen, genannt Jakobs Brunnen (siehe Johannes 4). Jesus sagte der Samariterin, die, wie wir später erfahren, einen unmoralischen Lebenswandel führte, dass diejenigen, die aus diesem Brunnen trinken, wieder durstig werden. Was mag Jesus damit gemeint haben? Könnte er sich auf die Tatsache bezogen haben, dass Wasser aus diesem Brunnen keine wahre Befriedigung bringen konnte?
Wir mögen den Brunnen symbolisch, als die Darstellung einer materiellen Existenz, betrachten, die aus Arbeit, vergänglichem Vergnügen, Leid, Krankheit und kurzem, menschlichem Glück besteht. Wenn wir aus diesem Brunnen trinken, d. h., wenn wir Befriedigung darin suchen, werden wir über kurz oder lang wieder Durst haben und nie dauerhaften Frieden erlangen oder erreichen.
Jesus, der sich des geistigen Brunnens, der unerschöpflichen, ewigen Quelle von Gottes Liebe bewusst war, sagte weiter: „Wer von diesem Wasser trinkt, der wird wieder durstig werden; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, der wird in Ewigkeit nicht mehr durstig werden, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das ins ewige Leben quillt.“ Die Frau, durch Jesu Worte sichtlich berührt, antwortete: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht mehr durstig werde und ich nicht mehr herkommen muss, um zu schöpfen!“
Jesus sah in jedem den wahren, geistigen Menschen, der zum Ebenbild Gottes erschaffen wurde. Er muss das wahre, geistige Selbst dieser Frau gesehen haben, das niemals von der Sünde berührt worden ist. Ihr unmoralischer Lebenswandel hatte nicht mehr Substanz oder Wirklichkeit als ein Traum. Der Traum vom Leben in der Materie mag der Samariterin, die fünf Ehemänner gehabt hatte und nun mit einem sechsten Partner zusammenlebte, sehr wirklich vorgekommen sein. Aber ein Traum kann auf der Wirklichkeit keine Narbe hinterlassen.
Welch ein wunderbares Geschenk Jesus der Samariterin machte. Sicherlich hat sie nicht sogleich alles in vollem Umfang verstanden und nicht alles in ihrem Geist aufgenommen, so wie auch die Jungfrau Maria nicht sogleich alles in vollem Umfang verstand, als der Engel Gabriel zu ihr kam und die frohe Botschaft brachte, dass sie vom Heiligen Geist schwanger werden würde. Marias Gedanken wurden vom Geist Gottes überschattet und erleuchtet, sodass sie volles Vertrauen in das Gesagte des Engels Gabriel hatte. In ähnlicher Weise mag auch die Samariterin (in geringerem Maß) das Gefühl gehabt haben, vom Geist Gottes überschattet zu sein. Nach ihrem weiteren Gespräch, in dem Jesus ihr unter anderem eröffnete, dass er der Christus, der verheißene Messias, war, „ließ die Frau ihren Krug stehen, ging hin in die Stadt und sagte zu den Leuten: ‚Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe; ob dieser nicht der Christus ist?‘“ Sie drängte sie, zu Jesus zu gehen, damit sie sich selbst davon überzeugen konnten, dass dies der lange erwartete Messias war, der ihnen die Erlösung von aller Drangsal bringen sollte.
Vor Jahren benötigte ich diese Gabe des Wassers der geistigen Wahrheit. Umständehalber musste ich das Haus verkaufen, in dem ich mit meinen vier Kindern wohnte. Die Kinder waren noch klein und konnten mir bei dieser Arbeit nicht helfen, daher verbrachten sie die Zeit des Umzugs bei einer Aufsichtsperson. Andere Hilfsquellen waren auch nicht in Aussicht, also packte ich alles alleine ein und mietete mir ein Zimmerchen, da der neue Besitzer schon in dem Haus arbeitete und es umbaute, während ich noch packte. Ich fing immer früh morgens an und arbeitete bis spät abends. Nach einiger Zeit fühlte ich mich sehr erschöpft von der äußerst anstrengenden und für mich sehr schweren Arbeit. Es stellten sich hohes Fieber und eine Lungenentzündung ein, aber ich arbeitete trotz der Schmerzen und Atemnot weiter und betete dabei ohne Unterlass.
Vor Jahren benötigte ich diese Gabe des Wassers der geistigen Wahrheit.
Dieser Abschnitt aus dem Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, war für mich sehr hilfreich: „Es ist sprichwörtlich, dass Florence Nightingale und andere Menschenfreunde, die sich humanitärer Arbeit gewidmet haben, in der Lage waren, ohne schwächer zu werden, Strapazen und Gefahren durchzustehen, die normale Menschen nicht hätten ertragen können. Das erklärt sich aus der Hilfe, die sie vom göttlichen Gesetz erhielten, das sich über das menschliche Gesetz erhebt. Die geistige Forderung, die die materielle bezwingt, verleiht eine Energie und Ausdauer, die alle anderen Hilfsmittel übertrifft und der Strafe zuvorkommt, die unsere Ansichten unseren besten Taten anheften wollen. Denken wir daran, dass das ewige Gesetz des Rechten den Menschen von allen Strafen verschont, außer denen, die auf Unrechttun stehen, auch wenn es das Gesetz, das die Sünde zu ihrem eigenen Vollstrecker macht, niemals aufheben kann.
Ununterbrochene Schwerstarbeit, Entbehrungen, gefährliche Situationen und alle widrigen Umstände kann man, wenn ohne Sünde, ohne Leiden ertragen. Was auch immer deine Pflicht ist, kannst du tun, ohne dir zu schaden“ (S. 385).
Eines Abends konnte ich vor Schmerzen kaum noch atmen, und das Fieber stieg weiter. Ich konnte nur noch ganz einfache Gedanken fassen: Gott ist bei mir, Gott liebt mich, Gott sorgt für mich. Ich bekam immer weniger Luft. Doch ich bemühte mich, im Gebet an diesen einfachen Gedanken festzuhalten. Da spürte ich, wie auf einmal eine große Kraft meinen Körper durchströmte. Ich setzte mich kerzengerade auf und atmete dabei ganz tief durch. Aller Schmerz, das Fieber und die sehr beklemmende Atemnot waren augenblicklich verschwunden. Der Christus, „die göttliche Botschaft von Gott an die Menschen, die zum menschlichen Bewusstsein spricht“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 332), war in dieser großen Not zu mir gekommen und hatte mir einen Becher frischer geistiger Wahrheit gebracht und ich war augenblicklich wiederhergestellt und vollkommen gesund.
Am nächsten Tag wachte ich früh morgens erholt auf und ging mit Kraft, Freude und tiefer Dankbarkeit wieder ans Werk. In den darauffolgenden Tagen packte ich alles ein, ohne irgendwelche Beschwerden mehr zu haben. Während der Arbeit blieb ich im freudigen Gebet ohne Unterlass. Liebevolle Personen, die von meiner Situation erfahren hatten, halfen mir mehrmals einige Stunden. Für die Erfrischung während dieser Erfahrung war ich sehr dankbar und auch für die sehr hilfreichen Zeilen von Mrs. Eddy in ihrem Lehrbuch.
Das Wasser, das Jesus anbot, kam aus der Quelle des Geistes und keinem materiellen Brunnen. Diese Quelle ist der Christus; sie ist allen Menschen jederzeit verfügbar. Wenn man aus dieser Quelle trinkt, ist man sich der Vollkommenheit bewusst, die wir als Gottes Widerspiegelung zum Ausdruck bringen. Diese Quelle kann weder vertrocknen noch versanden, weder verunreinigt noch vergiftet werden, denn ihr Ursprung, der göttliche Geist, ist ewig. Die Grundlage des Geistes hat keine Begrenzung, und jeder, der aus dieser Quelle Wasser schöpft, erhält es uneingeschränkt und kann dieses Wasser ungehindert weitergeben und verschenken. Wie Jesus sagte: „Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es auch“ (Matthäus 10:8).
Nehmen wir wie die Samariterin Jesu freigiebiges und großherziges Geschenk des Wassers der geistigen Wahrheit mit großer Freude und Dankbarkeit an. Und schenken wir es freudig an jeden weiter, der geistig durstig und bereit ist, diesen Becher frischen Wassers von uns anzunehmen, auf dass es ihn nimmer mehr dürsten möge, denn „was einen segnet, segnet alle“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 206).