Vor einigen Jahren tat ein bekannter Politiker etwas, das ich für verachtenswert hielt. Immer wenn ich an sein Verhalten dachte, ihn im Fernsehen sah oder etwas über ihn las, wurde ich wütend. (Und da dieser Politiker so oft in den Medien erwähnt wurde, war ich eigentlich ständig wütend!)
Nach mehreren Monaten dieser Wut fühlte ich eine Richtungsänderung in meinem Denken. Es war ein sanftes Drängen, von diesen Gefühlen geheilt zu werden. Obwohl dieser Politiker Dinge getan hatte, die ich nicht gutheißen konnte, war ich es gewesen, die die Entscheidung getroffen hatte, meiner Wut freien Lauf zu lassen.
Ich fand es schon immer hilfreich und heilend, Jesu Beispiel zu folgen, und mir kam ferner der Gedanke, dass Jesus Situationen dieser Art anders gehandhabt hatte. Die Liebe, die Jesus ausdrückte, war natürlich. Sie war weder forciert noch widerwillig. Sie beruhte darauf, dass er dem Guten folgte und Gott liebte und dass er Gottes Liebe die Situationen heilen ließ, die einer Heilung bedurften.
Ich merkte, dass ich diese Art Liebe ausdrücken wollte – selbst diesem Mann gegenüber, dem ich persönlich noch nie begegnet war. Ich betete um einen Weg da heraus.
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, schrieb einen Artikel zum Thema „Liebet eure Feinde“, der in ihrem Buch Vermischte Schriften 1883–1896 abgedruckt ist. Ich betete insbesondere mit diesem Absatz:
„Ich würde freudig alle, die mich nicht lieben, bei der Hand nehmen und zu ihnen sagen: ‚Ich liebe euch und würde euch nie absichtlich kränken.‘ Eben weil ich so empfinde, sage ich zu anderen: Hasset niemanden, denn Hass ist wie eine Pestbeule, die ihr Gift verbreitet und schließlich tötet. Wenn wir ihm nachgeben, überwältigt er uns und verursacht seinem Träger Leiden über Leiden in dieser Zeit und über das Grab hinaus“ (S. 11–12).
Mein Hass brachte mir keine Freude. Ich wusste, dass die einzige Möglichkeit, mich hinsichtlich dieses Mannes frei und in Frieden zu fühlen, darin bestand, ihn nicht absichtlich zu belasten. Ich dachte mehr darüber nach, wie ich das tun könnte. Die Christliche Wissenschaft erklärt, dass Gott, unser göttlicher Schöpfer, standhaft ist und uns alle liebt und versorgt. Das schließt diesen Politiker mit ein.
Sollte ich das nicht auch tun? Konnte ich nicht danach streben, diesen Mann so zu sehen, wie Gott ihn sah: als geistig, dazu erschaffen, Gottes Natur durch Eigenschaften wie Intelligenz und Ehrlichkeit auszudrücken? Was für ein Richtungswechsel des Denkens! Wann immer ich diesen Politiker nun in den Nachrichten hörte oder sah, arbeitete ich daran, ihn so zu sehen, wie Gott ihn sieht, und diese gottähnlichen Qualitäten in seinen Worten und Taten zu suchen.
Innerhalb einer Woche nach dieser neuen Denkweise empfand ich Anerkennung statt Wut, wenn sein Name erwähnt wurde, ich ihn sprechen hörte oder an ihn dachte. Damit ging zunehmende Bewunderung für seine Führungseigenschaften und ein anhaltendes Gefühl von Frieden einher.
Etwa ein Jahr später saß ich in einem Restaurant, als dieser Politiker hereinkam und sich an einen Tisch in der Nähe von meinem setzte. Ich war so dankbar, dass ich nicht mehr wie früher wütend wurde, wenn ich ihn auch nur sah.
Wenn wir zulassen, dass Wut auf andere – sogar Menschen, die wir gar nicht kennen – uns übermannt, weichen wir möglicherweise von Jesu Gebot und Vorbild ab, andere zu lieben. Doch Gott liebt uns alle, und wir können von Hass befreit werden, wenn wir bestrebt sind, so unvoreingenommen zu lieben wie Gott.
