Sechstausend Gedanken – einigen Experten zufolge denken wir diese Menge jeden Tag. Deshalb ist es nicht überraschend, dass wir manchmal feststellen, dass unsere Gedanken abschweifen, sobald wir anfangen zu beten. Und in der heutigen technikorientierten Gesellschaft sind die Ablenkungen zahlreicher und beharrlicher als je zuvor.
Es gibt eine Lösung und zwar eine ganz einfache: die klare Sicht. In der Bergpredigt sagt Christus Jesus: „Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn dein Auge klar ist, dann wird dein ganzer Leib hell sein“ (Matthäus 6:22). Er spricht eindeutig über weitaus mehr als die körperliche Fähigkeit des Sehens.
Was bedeutet es für die Sicht, „klar“ zu sein? Das Glossar des Lehrbuchs der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, definiert Augen als „geistiges Erkennen – nicht materiell, sondern mental“ (Mary Baker Eddy, S. 586). Könnte eine klare Sicht zu haben bedeuten, dass wir uns auf das fokussieren, was wahr ist, was Gott gemacht hat? Wenn wir abgelenkt sind – eine Bedeutung der Vorsilbe ab ist „weg von“ –, werden wir nicht von Geist, Gott, der Ursache und dem Schöpfer von allem was wirklich existiert, angezogen. Wir lassen unsere Aufmerksamkeit von einem materiellen Eindruck oder Anliegen zu einem anderen springen und können sogar besorgt und ängstlich werden.
Viele erkennen heutzutage die Notwendigkeit, ihr Denken zu disziplinieren. Einige beschäftigen sich mit Meditation als Weg, ruhig und fokussiert zu sein. Andere versuchen Ablenkungen mit Hilfe extremerer Methoden zu überwinden. Kürzlich zog sich ein bekannter Profi-Footballspieler, der vor wichtigen Entscheidungen bezüglich seiner Karriere stand, zurück und ging für längere Zeit in völliger Dunkelheit in Klausur – eine Erfahrung der totalen Isolation und gänzlich ohne Licht.
Wenn auch diese und andere Mittel der inneren Fokussierung zeitweilig Frieden und Erleuchtung bieten können, basieren sie auf der Annahme, dass das Gehirn die Quelle der Intelligenz und des Denkens ist. Aber in Wissenschaft und Gesundheit steht: „Jeder Begriff, der mit dem Gehirn zu beginnen scheint, beginnt falsch. Das göttliche Gemüt ist die einzige Ursache oder das einzige Prinzip des Daseins“ (S. 262), wobei Gemüt als Bezeichnung für Gott verwendet wird.
Als Gottes Bild und Gleichnis, Seine rein geistige Widerspiegelung (siehe 1. Mose 1:26, 27), müssen Sie oder ich nicht fokussiert werden; der Fokus wohnt uns schon inne. Eine Widerspiegelung hat kein eigenes Gemüt, das abgelenkt werden kann. Es gibt nur ein unendliches Gemüt – Gott, der ganz und gar gut ist –, und dieses Gemüt ist auf jede seiner Ideen laserscharf fokussiert. Und als die Idee des Gemüts spiegeln wir alle diesen reinen Fokus auf das Gute wider bzw. bringen ihn zum Ausdruck. Er kann nicht verloren gehen oder gewonnen werden – er ist einfach, weil es in Wirklichkeit nichts anderes gibt, worauf man sich fokussieren kann!
Was wir tun müssen, ist, unsere Koexistenz mit diesem Gemüt, das niemals verwirrt, besorgt, unsicher oder abgelenkt sein kann, zu beanspruchen. In der Bibel heißt es: „Ihr sollt so gesinnt sein, wie Jesus Christus auch war“ (Philipper 2:5). Jesus weigerte sich, irgendein anderes Gemüt als Gemüt zu haben. Er weigerte sich, Gedanken zu befolgen, die nicht diesem Gemüt entstammten. Und wir sollten danach streben, dasselbe zu tun.
Es ist natürlich, dass wir Gemüt den Fokus unserer Aufmerksamkeit bestimmen lassen. In Wirklichkeit haben wir keine Wahl, da wir nichts anderes sind als Ausdruck des Gemüts. Allerdings versucht der Glaube an ein von Gott getrenntes Gemüt, das die Bibel die Gesinnung des Fleisches nennt, uns zu verleiten zu denken, dass wir ein persönliches Gemüt hätten, das verwirrt oder unaufmerksam sein kann.
Vor Jahren, als ich in New York City lebte und mein Nachbar über mir nach Kalifornien zog, um eine befristete Stelle als Lehrer anzunehmen, vermietete er sein Apartment unter. Der neue Mieter war ein Künstler, der gern bis spät in die Nacht arbeitete. Jeden Abend, nachdem ich mich zu Bett gelegt hatte, wurde ich durch Klopfen auf den Boden und laute Musik wachgehalten.
Es wäre untertrieben, wenn ich sagte, ich wäre abgelenkt gewesen. Ich versuchte die Angelegenheit auf vielfältige Weise zu lösen, z. B., indem ich ihn bat, die Lautstärke der Musik zu reduzieren, ihn zum Mittagessen einlud, um über das Problem zu sprechen, und sogar unseren Vermieter als Vermittler einschaltete. Nichts half. Wenn überhaupt, so wurde das Klopfen mehr und die Musik lauter.
Eines Nachts rannte ich in einem Wutanfall die Treppe hinauf, schlug gegen die Tür des Mannes und schrie ihn an, er solle die Musik leiser machen. Der Lärm hielt an. Am Ende meiner Weisheit angekommen, zog ich mich in meine Wohnung zurück, legte mich in mein Bett und überlegte, was ich als nächstes tun sollte. Es war klar, dass das Gebet – das meine erste Zuflucht hätte sein sollen – jetzt meine einzig verbleibende Option war.
Verzweifelt betete ich langsam das Gebet des Herrn und ließ jede Zeile tief in mein Bewusstsein eindringen. Dieses Gebet ist so hilfreich, weil es uns die gegenwärtige, geistige Vollkommenheit zusichert. Die Zeile „Dein Reich komme“ wird in Wissenschaft und Gesundheit mit „Dein Reich ist gekommen; Du bist immer-gegenwärtig“ (S. 16) interpretiert. Das inspiriert uns nicht nur dazu Gottes Allheit zu akzeptieren, sondern auch seine Unmittelbarkeit. Es bestätigt Gottes Frieden und Macht als die einzige Wirklichkeit, jetzt.
Als ich das Gebet beendet hatte, fühlte ich mich ruhig. Eingehüllt in Gottes sanfte Umarmung schlief ich ein. Am nächsten Tag kam der Besitzer des Lofts aus Kalifornien zurück, um seine Wohnung wieder zu beziehen. Der Untermieter zog aus und der neue Bewohner war für den Rest der Zeit, die ich dort wohnte, so leise wie die sprichwörtliche Maus.
Mit welchen Ablenkungen wir es auch immer zu tun haben, es bleibt diese eine absolute Tatsache bestehen: Alles, was irgendwo, zu irgendeiner Zeit wirklich vor sich geht, ist das unendliche Gute, und der Fokus des Gemüts auf seine eigene Güte kann niemals gestört werden. Wir können diesen ungestörten Fokus demonstrieren und Harmonie in unsere und die Erfahrung anderer bringen, indem wir eine „klare“ Sicht haben – uns immer des göttlichen Gemüts und seiner vollkommenen und vollständig harmonischen Ideen bewusst sind.
