Wer begeistert in der Sonntagsschule unterrichtet, ist manchmal nur widerstrebend bereit, Sonntagsschulvorsteherin oder -vorsteher zu werden. Von außen mögen die zu übernehmenden administrativen Aufgaben wenig erfreulich erscheinen verglichen mit den Herausforderungen und Erfolgen des Unterrichtens – jedenfalls, bis die besonderen Freuden, Möglichkeiten und die einzigartige Sichtweise auf die Kirchenaktivität dieses Amts für die neue Person deutlich werden. Unsere Führerin Mrs. Eddy schrieb einmal an den Sonntagsschulvorsteher und die -lehrerschaft der Mutterkirche: „Es ist eine Freude zu wissen, dass jene, die in grundlegenden Vertrauensämtern wie zum Beispiel in der christlichen Erziehung der lieben Kinder treu sind, den Lohn der Rechtschaffenheit ernten, auf der Stufenleiter des Seins höhersteigen und schließlich ihres Meisters Verheißung verwirklichen werden: ‚Sie werden alle von Gott gelehrt sein‘“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, und Verschiedenes, S. 230).
Die Sonntagsschule ist in der Tat grundlegend für die ausgewogene Entwicklung aller jungen Christlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, für die wachsende Bewegung der Christlichen Wissenschaft in aller Welt und für die Arbeit in der Zweigkirche. Sie ist als Bestandteil des Bildungssystems der Christlichen Wissenschaft nicht wegzudenken und untersteht dem Handbuch der Mutterkirche von Mrs. Eddy, das auch deren Schutz bereitstellt. Die Lebendigkeit jeder Zweigkirche, ihre Fähigkeit, ihre Umgebung zu segnen, ist somit direkt mit der Kraft und dem Wohl ihrer Sonntagsschule verknüpft.
Die Arbeit unserer Führerin als Gründerin der Christlichen Wissenschaft ist in einer neuen Dimension sichtbar, wenn man die Vollständigkeit und sich selbst erhaltende Natur des Bildungssystems der Kirche Christi, Wissenschaftler, erkennt. Denn wodurch wird eine Schule erfolgreich? Die Erfolge zeigen sich im Leben ihrer Schülerinnen und Schüler. Wie erzielt sie diese Ergebnisse? Durch ihre Lehrinhalte und -methoden, durch das Kaliber der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer und ihr Vorbild sowie durch ihre Einstellung der Schülerschaft gegenüber.
Thema und grundlegende Unterrichtsmethoden in der Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft sind kurz und bündig auf weniger als einer Seite im Kirchenhandbuch (siehe Artikel XX Abschnitt 2 und 3) festgelegt. Um zu verstehen, wie vollständig diese Anweisungen sind, muss man vielleicht Lehrerin bzw. Lehrer werden, ohne selbst dort unterrichtet worden zu sein oder sonstige Erfahrung im Unterrichten zu haben.
Der Unterricht wird von Mitgliedern der Zweigkirche erteilt. Deren Kaliber, Vorbild und Einstellung den Schülerinnen und Schülern gegenüber bestimmen, wie engagiert diese ihr Verständnis der Christlichen Wissenschaft demonstrieren und ob sie es durch aktives Studium vertiefen. Akzeptieren sie die Anweisung im Kirchenhandbuch für den Elementarunterricht? Ein Sonntagsschulvorsteher betrachtet es vielleicht als wichtigen Teil seiner Arbeit, die Mitgliedschaft immer wieder an den Wert und die Freude des Sonntagsschulunterrichts zu erinnern, damit die Mitglieder ebenfalls unterrichten wollen und der Vorstand bereit ist, die am besten für die Anforderungen der Sonntagsschule qualifizierten Mitglieder von anderen Pflichten freizustellen.
Als ich mich dem Ende meiner dreijährigen Amtszeit als Sonntagsschulvorsteherin näherte, wurde ich unerwartet gefragt: „Wenn Sie Ihrem Nachfolger einen Rat geben können, was wäre das?“ Meine spontane Antwort bestand aus nur einem Wort: „Zuhören!“ Nachdem ich jetzt mehr Zeit hatte, darüber nachzudenken, ist die Antwort dieselbe. Die Sonntagsschulvorsteherin kann sich nur nach ihrem gegenwärtigen Verständnis und dem Bedarf des Augenblicks richten. So unzulänglich sie sich zunächst fühlen mag, so kann sie doch ihren Vorstand unterstützen, indem sie darauf vertraut, dass dieser im Gebet gelauscht und angesichts der aktuellen Bedürfnisse die bestmögliche Wahl getroffen hat. Und wenn sie dann selbst im Gebet lauscht, werden ihr die angemessene Arbeitsweise, die nötigen Schritte und der jeweils richtige Zeitpunkt deutlich werden. „Denn er hat seinen Engeln über dir befohlen, dich auf allen deinen Wegen zu behüten“ (Psalm 91:11).
Das Erste, was sich mir entfaltete, als ich lauschte, war die Einheit der Zweigkirche und der Sonntagsschule im wundervoll integrierten Verfahren des wissenschaftlich-christlichen Bildungssystems und wie wichtig es ist, dass diese Einheit von der Mitgliedschaft anerkannt wird, wenn die Kirche eine aktive, beständige Ausbildungsstätte für die Sonntagsschule sein soll. Als ich weiter lauschte, erkannte ich die Einheit von Kirche und Sonntagsschule in ihrer Fähigkeit, die Bedürfnisse der ganzen Familie zu stillen. Zu einer Zeit, in der die Familie und ihr Wert für den Fortschritt der Gesellschaft nur unzureichend anerkannt werden, ist diese bestehende Fähigkeit jeder Zweigkirche der Christlichen Wissenschaft, die ganze Familie in ihre liebevolle Fürsorge einzuschließen, von unschätzbarem Wert.
Da ich zuvor Vorsitzende eines Komitees gewesen war, das sich um die unmittelbare Nachbarschaft meiner Zweigkirche kümmerte, hatte ich mir das geografische Umfeld der Kirche als unseren Zuständigkeitsbereich vorgestellt, obwohl ich – wie die meisten Mitglieder – weiter weg wohne. Als ich nun aus Sicht der Sonntagsschulvorsteherin lauschte, erschien mir das Umfeld der Kirche erheblich größer: Es schloss die täglichen Kontaktpunkte aller Mitglieder ein, also auch, wo sie wohnen, arbeiten oder zur Schule bzw. Uni gehen. (Wäre das nicht so, dann würde die Mitgliedschaft einer Stadtkirche schnell zu einem kleinen Club zusammenschrumpfen, während die übrigen Mitglieder an ihrem Wohnort und Arbeitsplatz als Christliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unsichtbar wären.)
Als diese Gedanken Form annahmen, erzählte ich anderen davon, und die Lehrerinnen und Lehrer berichteten zu Anfang jedes Amtsjahres auf der Mitgliederversammlung von ihrer Arbeit – den Problemen und Erfolgen. Auf diese Weise wurde jedes Mitglied auf die Arbeit der Sonntagsschule aufmerksam, egal, welche Aufgabe es ansonsten übernommen hatte, und das einheitliche Ziel unserer Kirchentätigkeit war etabliert.
Mitglieder und Schülerinnen und Schüler fingen an, mehr Kinder zur Sonntagsschule mitzubringen, und es war auffällig, dass diese Neulinge nicht nur durch die anhaltende Unterstützung ihrer jeweiligen Lehrerinnen und Lehrer ermutigt wurden, sondern auch durch das echte Interesse an ihrem Fortschritt seitens derer, die sie mit der Sonntagsschule bekannt gemacht hatten. Auch die Eltern kamen zur Kirche. Ähnlich wie Bäche sich einen Weg zum Fluss bahnen, so fühlen sich Kinder von Orten angezogen, an denen sie sich wertgeschätzt, geliebt und verstanden fühlen. Die Schülerinnen und Schüler bringen ihre Freundinnen und Freunde gern mit, wenn sie selber sich in der Sonntagsschule wohlfühlen, der Unterricht ihnen etwas bringt, sie sich Bücher ausleihen können und ihnen Möglichkeiten geboten werden, ihre Sonntagsschule aktiv zu unterstützen.
Es stellte sich heraus, dass mehrere kleine Workshops für das Lehrerkollegium am Anfang jedes Amtsjahres den neuen Lehrerinnen und Lehrern halfen, sich schnell zurechtzufinden und zu erkennen, welchen Bezug die Arbeit ihrer jeweiligen Klasse zur gesamten Sonntagsschulerfahrung ihrer Schülerinnen und Schüler hatte. (Diese Workshops fanden zusätzlich zu zwei Versammlungen der gesamten Lehrerschaft pro Jahr statt; um die Einheit der Arbeit zu wahren und allen zu helfen, eng mit dem Kollegium, der Leihbibliothek der Sonntagsschule, der Sekretärin, den Vertretungslehrern, Ordnern und Musikern zusammenzuarbeiten, die alle an mindestens einem dieser kleineren Workshops teilnahmen.) Lehrende, denen der individuelle Fortschritt der Schülerinnen und Schüler wirklich am Herzen liegt, die sie und ihren Freundeskreis kennenlernen, angemessene Hausaufgaben aufgeben und sie zu weiterem Lernen durch Anwendung ihres Verständnisses während der Woche ermuntern, erleben viele der tiefsten Freuden des Elterndaseins, nur dass sich die Familie ständig ändert und erweitert.
Die Rolle der Sonntagsschulvorsteherin bzw. des Sonntagsschulvorstehers sieht etwas anders aus. Sie bzw. er hegt und pflegt die Arbeit der gesamten Sonntagsschule, unterstützt die Lehrerschaft und die anderen Mitarbeitenden der Sonntagsschule, heißt die Schülerinnen und Schüler willkommen, teilt Besuchende der richtigen Klasse zu und spricht mit den Eltern. Sie bzw. er hat einen gewissen Vorgeschmack von dem, was auf Großeltern zukommt: die liebevolle Fürsorge, die sich nicht einmischt, die Aufrechterhaltung von Werten und Weitblick, die Ermutigung anderer, ihre gottgegebenen Fähigkeiten zu entdecken und zu beweisen, und die Anteilnahme an ihren Sorgen und Erfolgen. In einer Radiosendung wurden unlängst Kinder über Großeltern befragt. „Sie haben immer Zeit für mich“, sagte ein Kind, und ein anderes fügte hinzu: „Großeltern sind in Wirklichkeit sehr jung. Sie sehen nur äußerlich manchmal ein bisschen alt aus.“ Passt diese Beschreibung nicht auch auf Sonntagsschulvorsteher? Sie haben immer Zeit. Und vor allem liegt ihre Hauptaufgabe nicht darin, alle zu ermahnen, sie sollen Liebe zum Ausdruck bringen, sondern darin, still und dankbar zuzuschauen, wie die göttliche Liebe, das eine Gemüt, sich als Alles zum Ausdruck bringt.
„Eine große geistige Gesundheit, ein mächtiges Etwas, in den Tiefen des Unsichtbaren begraben, hat eine Auferstehung unter Euch bewirkt und ist unversehens zu lebendiger Liebe geworden“, schrieb unsere Führerin einmal an die Kirchen in Chicago. Sie bezog sich hier auf das damalige Wachstum und Wohl der Christlichen Wissenschaft in dieser Stadt. „Was ist dieses Etwas, dieses Phönixfeuer, diese Säule bei Tag, die Euren Weg erleuchtet, lenkt und schützt?“, fragte sie weiter. Und sie antwortete: „Es ist Einigkeit, das Band der Vollkommenheit, die tausendfältige Ausbreitung, die die Welt umspannen wird – Einigkeit, die den Gedanken, der am stärksten in uns ist, zu Größerem und Besserem entfaltet, zum Inbegriff alles Wirklichen und Guten“ (Verschiedenes, S. 164). Das Amt der Sonntagsschulvorsteherin bzw. des Sonntagsschulvorstehers bietet eine privilegierte Sichtweise, mit der wir dieses „mächtige Etwas“ in Tätigkeit sehen können, während es still und stetig die Kirche und die allumfassende, heilende Tätigkeit der Sonntagsschule erweitert.
