Viele von uns haben vielleicht irgendwann einen Dirigenten nachgeahmt – die Arme mit wiegenden Bewegungen geschwenkt, um ein imaginäres Orchester zu führen. Doch zum Dirigieren ist mehr erforderlich als schwenkende Armbewegungen. Eine Dirigentin bzw. ein Dirigent kennt die zu spielende Komposition in allen Einzelheiten. Die Mitglieder des Orchesters vertrauen dieser musikalischen Führung und folgen ihr, um gemeinsam das Werk zu spielen.
Meinen wir gelegentlich, keiner Führung zu bedürfen? Ich verstehe inzwischen, wie wichtig es ist, geführt zu werden – und der Führung zu folgen. Wenn uns dies schwerfällt, mag es daran liegen, wen oder was wir als unsere Führung wahrnehmen. Ein Orchester würde nie einem musikalischen Laien die Leitung überlassen. In ähnlicher Weise würden wir uns nicht der Leitung einer Person anvertrauen, wenn wir nicht sicher wären, dass sie die Fähigkeit zum Führen hat.
Die Gründe dafür, Gott die „Leitung“ unseres Lebens zu übergeben und Seiner Führung zu folgen, sind überzeugend. Ein Psalmist schreibt: „Herr, du erforschst mich und kennst mich. ... Du prüfst mich und siehst alle meine Wege. ... Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch; ich kann sie nicht begreifen“ (Psalm 139:1, 3, 6).
Gottes Führung und nicht unserem begrenzten Verständnis oder auch einer anderen Person zu folgen, wirkt sich äußerst positiv auf unser Leben aus. Mary Baker Eddy schreibt im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Wenn der Mensch von Gott regiert wird, dem immer-gegenwärtigen Gemüt, das alle Dinge versteht, dann weiß der Mensch, dass bei Gott alle Dinge möglich sind“ (S. 180). Das eine Gemüt, Gott, weiß, dass nur Gutes möglich ist, und so muss der Mensch, der Ausdruck des Gemüts, dies ebenfalls wissen. Wir brauchen nur in die Bibel zu schauen, um zahllose Beispiele von Menschen zu sehen, die Gott vertrauten und sich und anderen dadurch großen Nutzen brachten.
Josef beispielsweise kam im Haus eines ägyptischen Beamten, der erkannte, „dass der Herr mit ihm war“ (1. Mose 39:3), zu hohen Würden. Letztendlich wurde Josef der zweitmächtigste Mann Ägyptens und lenkte die ganze Region weise durch sieben Jahre der Fülle und sieben Jahre der Not – und darüber hinaus. Mose führte die Israeliten aus Ägypten – nicht weil er ein begnadeter Sprecher mit Führungsqualitäten war, sondern weil er sich von Gott zeigen ließ, wie man mit dem Pharao umgehen musste und was erforderlich war, um sein Volk auf seinem vierzigjährigen Weg zum Gelobten Land zu führen. Später wurde Rut von Gott dazu veranlasst, ihrer Schwiegermutter Noemi in ein neues Land zu folgen, und so wurde Rut die Urgroßmutter von König David. Im Neuen Testament wird sie als Teil des Geschlechts von Jesus, dem Messias, anerkannt (siehe Matthäus 1:5–16).
Warum meinen wir also, dass wir unseren Weg allein gehen können und uns Gottes Führung nur dann anvertrauen müssen, wenn wir in der Klemme sitzen? Wie gut würde diese Denkweise in einem Orchester funktionieren? Sie würde zu großem Missklang führen. Betrachten wir uns vielleicht als Solistinnen und Solisten, wenn wir in Wirklichkeit Mitglieder des großen Orchesters Gottes sind? Wenn wir meinen, allein zu spielen, verpassen wir die Gelegenheit, in Einklang mit anderen zu sein.
Ein Grund, warum wir uns möglicherweise ungern Gottes Führung anvertrauen, ist eine falsche Vorstellung von uns selbst, statt zu erkennen, dass Gemüt bzw. Prinzip (Synonyme für Gott) unseren Tag und unser Leben in der Hand hat. Wenn wir meinen, allein zu spielen, kann leicht der Eindruck entstehen, die Bedürfnisse, Ziele oder Interessen der anderen seien im Wettbewerb mit unseren. Dieser Irrglaube gründet sich auf die Vorstellung von Begrenzung – nicht genug Zeit bzw. unzureichende Gelegenheiten, Ressourcen, usw. zu haben. Andere als Hürden statt als Mitspielerinnen und Mitspieler zu betrachten, gefährdet unseren Gleichklang mit unseren Mitmenschen.
Ich lebe in New York City. In einer Umgebung mit acht Millionen Mitmenschen kann man den Eindruck gewinnen, in einem Ameisenhaufen zu sein. Doch Insektenforscher wissen, dass Ameisen nicht kopflos herumlaufen; jede hat eine wichtige Aufgabe, die zum Wohl der Kolonie beiträgt. Neulich war ich mit dem Skateboard unterwegs und bin dabei in eine große Straße eingebogen. Als ich gerade um die Ecke kam, betraten eine Mutter und ihr Kleinkind unmittelbar vor mir den Zebrastreifen. Sie hatten grün, also sollten Skateboards, Fahrräder und Fahrzeuge halten. Allerdings hielt ich nicht an, und obwohl ich der Frau und ihrem Kind ausweichen konnte, erkannte ich später, dass ich mich egoistisch verhalten und den Gleichklang mit anderen gestört hatte. Und vor allem hatte ich nicht auf Gott gelauscht.
Ein guter Mitmensch zu sein, erfordert wie bei den Musikerinnen und Musikern eines Orchesters, täglich zu üben und unser Bestes einzubringen, um so zu spielen, wie es der Allgemeinheit zum Guten gedeiht. Das erfordert Demut, eine geistige, gottgegebene Qualität, die im Leben und in den Lehren von Christus Jesus zum Ausdruck kam.
Wenn ich dahingehend bete, den vielen anderen ein guter Nächster zu sein, dann muss ich mir bewusst machen, dass Gott jeder und jedem von uns eine oder mehrere wichtige Partien zum Spielen zuweist. Die Mitglieder eines Orchesters bringen Demut und Respekt zum Ausdruck, indem sie nicht lauter oder langsamer spielen, als es für das ganze Orchester vorgegeben ist. Wenn ein Mitglied des Orchesters versucht, an falscher Stelle einen Solopart zu spielen, dann gerät damit das gesamte Orchester in Unordnung. In ähnlicher Weise sind wir alle dafür verantwortlich, die Harmonie in unserem Wohnviertel und unserem Land zu wahren, auch wenn wir unsere einzigartige Individualität zum Ausdruck bringen.
Mrs. Eddy sagt in Wissenschaft und Gesundheit dazu: „Um die ganze Macht dieser Wissenschaft zu entwickeln, müssen die Disharmonien des körperlichen Sinnes der Harmonie des geistigen Sinnes weichen, geradeso wie die Wissenschaft der Musik falsche Töne berichtigt und dem Klang liebliche Harmonie verleiht“ (S. viii). Im Gleichklang mit anderen zu spielen ist einfacher, wenn wir eine materielle Vorstellung der Dinge zum Schweigen bringen und mit unserem göttlichen Sinn, mit geistiger Intuition, auf Gottes Führung lauschen. Wenn wir ehrlichen Herzens lauschen, hilft Gott, unser großer Dirigent, uns, im Hinblick auf unsere Mitmenschen unser Bestes zu geben.
Die Bibel enthält in den Sprüchen diesen Vers über Gottvertrauen: „Denke an ihn in allen deinen Wegen, dann wird er dich recht führen“ (3:6). Wenn wir erkennen, dass Gott im Mittelpunkt steht – immer gegenwärtig und aktiv ist –, dann lernen wir mehr über Seine Liebe und werden uns des Guten, das Er uns stetig gibt, besser bewusst, denn Er übergeht niemanden. Wenn wir dies tun, werden wir geduldiger, gelassener und dankbarer und verhalten uns als Mitmensch, Kollegin oder Kollege, Kirchenmitglied und Familienmitglied besser.
Gott den ganzen Tag über unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden bewahrt uns davor, allzu sehr von den Vorstellungen vereinnahmt zu werden, was für uns am besten ist. Und es hält uns davon ab, krampfhaft zu prüfen, was andere denken oder tun. Musikerinnen und Musiker müssen die anderen Instrumente hören, dürfen sich aber nicht von ihnen ablenken lassen. Und jede Person muss selbst lernen, was für sie vonnöten ist. Sich auf den großen Dirigenten zu konzentrieren, um alles im richtigen Tempo zu machen, hilft uns allen, erfolgreich zu sein.
In Wissenschaft und Gesundheit lesen wir dazu: „Harmonie im Menschen ist ebenso wirklich und unsterblich wie in der Musik“ (S. 276). Bescheiden zu sein und auf Gottes Führung zu lauschen befähigt uns, uns an unsere Partie zu halten, und führt zu mehr Harmonie ... und das klingt dann sehr gut.
