Christian Science ist äußerst wirksam im Heilen der Trunksucht gewesen. Warum? Größtenteils weil Christian Science dem Trinker das in rechter Weise gibt, was er auf falsche Weise und am Ende vergeblich durch Alkohol sucht. Warum betrinken sich Männer? Die Welt sagt: wegen tausend indirekter Gründe — doch, indem wir den Gebrauch des Alkohols nach seinen unmittelbaren Folgen beurteilen, können wir direkt behaupten, daß die Männer in den meisten Fällen trinken „um sich selbst zu entrinnen.”
Was fehlt denn diesem unbefriedigten „Selbst,” dem die Sterblichen um jeden Preis, sogar in die öden Illusionen der Trunkenheit entrinnen wollen? Es gibt viele Gründe im allgemeinen und zwei oder drei im besonderen, jedoch alles zusammengenommen ist es — der Sinn der Begrenzung. Ein Mann, der im nüchternen Zustand zweifellos viel Kummer gehabt hat, scheint beim Trinken fröhlich zu werden, und er trinkt, ob sich der Tatsache bewußt oder unbewußt, um seinen Kummer zu ertränken. Die Wirkung deutet auf die Ursache hin. Wieder ein anderer wird in seinem Rausche außerordentlich auf seine persönliche Tapferkeit, die Stärke und Gewandtheit seines Armes, die Schnelligkeit und Genauigkeit seiner Sehkraft eingebildet und voll Vertrauen auf seine Fähigkeit meint er prahlend „ein halbes Dutzend Männer in der Stadt prügeln zu wollen.” Er hat eine Zeitlang den Sinn der Schwäche verloren, der wahrscheinlich das Haupthindernis in seiner Laufbahn gewesen ist. Noch ein anderer tut, nachdem er eine gewisse Menge Alkohol eingenommen, als ob er unbegrenzten Reichtum besäße, ungeachtet der Tatsache, daß sein vorherrschender Gedanke über sich selber ein Glaube an finanziellen Mangel gewesen ist.
Noch viele ähnliche Beispiele könnten angeführt werden, diese jedoch sind kennzeichnend genug, um die Aufmerksamkeit auf die wirklich zugrunde liegenden Antriebe aller Formen und Grade der Trunkenheit zu lenken, nämlich des sterblichen Menschen Sehnen von dem Begriff der Begrenzung befreit zu werden, die er unwillkürlich als ungerecht, unnatürlich und ungesetzmäßig ansieht. Wenn es möglich wäre, die geistigen Zustände des Trinkers zu ermessen und zu vergleichen, so würde wahrscheinlich entdeckt werden, daß in vielen Fällen der Grad der Betrunkenheit im Verhältnis zur individuellen Entwicklung eines verabscheuungswerten Sinnes persönlicher Unvollkommenheit steht. Diese Ansicht über die Alkoholsucht beweist hiermit, wie nutzlos es ist, den Trunkenbold vor den Folgen seiner Angewohnheit zu warnen. Wer sich damit begnügt zu glauben, daß er nicht auf die Kosten seiner Trunksucht rechnet, spricht nur von Beobachtung, nicht Erfahrung, denn der Mann, der sich betrinkt, ist gewöhnlich weder unwissend noch gleichgültig gegen die Strafe. Er weiß, was eine weitere Ausschweifung für ihn und diejenigen, die von ihm abhängig sind, bedeutet. Ja, die Furcht dieser Kenntnis mag für eine Weile der Versuchung entgegentreten, bis die drohenden Einflüsterungen einer ungewährten Lebensnotdurft — sei es Gesundheit, Reichtum, Glück, Mut, Intelligenz, Ruhm oder anderes — täglich mit erneuter Dreistigkeit kommen, daß endlich gute Vorsätze, Willenskraft, Selbstachtung und Ehre den sich ansammelnden Wirkungen schrecklicher Gedankenanschauungen unterliegen und das Opfer kehrt zu seinem Getränk zurück, willig den Preis zu zahlen für die Befriedigung seiner Sucht und das einige Stunden dauernde Vergessen.
Bitte anmelden, um diese Seite anzuzeigen
Sie erlangen vollständigen Zugriff auf alle Herolde, wenn Sie mithilfe Ihres Abonnements auf die Druckausgabe des Herold ein Konto aktivieren oder wenn Sie ein Abonnement auf JSH-Online abschließen.