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Was ist Sünde?

Aus der Dezember 1905-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Von meiner frühsten Kindheit an, war die Bedeutung des Wortes Sünde unbestimmt und zweifelhaft. Ich war belehrt worden, daß wir aus Furcht vor ewiger Strafe keine Sünde begehen sollten. Meine kindliche Einbildung und meine Träume wurden oft von schrecklichen Gespenstern der Furcht heimgesucht, was ich wohl in einer ewig-drohenden Zukunft erwarten könne, weil die Menschen in Sünde geboren waren und ein sündiges Leben führten. Was ich getan hatte, um dieses schreckliche Verhängnis zu verdienen, was Sünde war, wußte ich nicht, aber ich befolgte fromm gewisse sogenannte notwendige Gesetze, welche von den Kirchenältesten niedergelegt worden waren, in der Hoffnung dadurch Gottes Zorn zu besänftigen. Als ich älter wurde und mein Geist analytischer, fand ich heraus, daß trotz allen vorhergesagten Leiden, ich noch lebte und glücklich war, und es wunderte mich, ob so viel Wahrheit in dieser Theorie der Sünde wäre, wie man mich zu glauben gelehrt hatte. Ich konnte sehen, wie einige Leute diese ehrwürdigen Gesetze brachen, und daß sie augenscheinlich glücklich dabei waren und gut fortkamen, während einige von denen, welche uns von den Schrecken der Sünde erzählt hatten, in mancher Weise schwer beladen waren und unglückliche Fehlschläge zu haben schienen, obgleich sie ein mustergültiges Leben führten.

Ich erfuhr dann, daß es viele Leute gibt, welche die gewöhnlich angenommenen Behauptungen in Betreff der Sünde bezweifeln, und die willens sind, zukünftige Strafe zu wagen, da, wie es scheint, ein wenig Sünde oft gegenwärtiges Glück bringt. Warum sollte man sich so sehr um zukünftige Strafe sorgen, für eine Tat, die jetzt Vergnügen und Nutzen bringt? besonders da niemals jemand aus jenem mystischen Lande zurückgekehrt war, um uns zu sagen, ob der Lohn des Bösen ausgezahlt würde oder nicht. Da diese Schlüsse vollkommen natürlich und nur zu befriedigend sind, kam es mir niemals in den Sinn, die angenommene Lehre über die Natur der Sünde in Frage zu stellen, oder nach der Ursache und der Wirkung der Sünde von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus zu forschen. Niemand schien zu wissen, daß wir mit mathematischer Gewißheit die Sünde und ihre unvermeidlichen Folgen oder sogenannten Strafen erkennen können, und daß man diesen vorgreifen könne, nicht durch die Vergebung eines launenhaften Gottes, sondern durch eine Erkenntnis dessen, was Leben ist, und wie man wahrhaft leben kann.

Die Religion ist, in dem Kriege, den sie mit der Sünde führte, oft mystisch gewesen. Sie hat wirkungslos die Gefühle anzurufen gesucht, anstatt der Menschheit zu zeigen, wie man ein praktisches, beweisbares Verständnis Gottes gewinnen kann, welches auf jede Not des Menschen, sei sie geistig oder Physisch, anwendbar sei. Man ist deshalb irrtümlich darauf hinaus gekommen, die Sünde nur als den Bruch eines sittlichen Gesetzes anzusehen; und als das Resultat eines oberflächlichen Verständnisses der zehn Gebote; die ersten zwei, welche den ganzen Kern aller Gebote enthalten, werden für nutzlos gehalten, oder sind für diese aufgeklärte Zeit und Generation nicht beabsichtigt. Götzendienst wird von dem selbstgerechten menschlichen Geist als ein Ding angesehen, welches gänzlich der Vergangenheit angehört. Das Wörterbuch definiert Sünde folgendermaßen: „Jede absichtliche Verletzung des göttlichen Gesetzes, oder Übertretung eines göttlichen Befehles.” Wenn man die Wahrheit dieser Definition erwägt, so sind die ersten Fragen, welche sich uns natürlicherweise aufdrängen: „Was ist das göttliche Gesetz? Was sind göttliche Befehle?” Sind diese Gesetze wie menschliche Gesetze, die nach Belieben gebrochen werden können, und ist ihre Übertretung von Strafe begleitet, vorausgesetzt, daß der Sünder bei der Tat ertappt wird? oder muß man das Göttliche von einem ganz anderen Standpunkt aus ansehen? Die letzte Frage muß gewiß bejahend beantwortet werden, wenn wir die Bedeutung des Wortes „göttlich” im Lichte der Christian Science betrachten. Göttlich bedeutet Gott-gleich, das heißt, Gottes Natur besitzend oder kundtuend, welche alles-einschließende Intelligenz, Allmacht, Gegenwart, Tätigkeit, unendliches Prinzip ist. Ein Gesetz Gottes ist also absolut; es kann nicht ohne unvermeidliche Strafe gebrochen werden, denn der Bruch dieses Gesetzes bringt den Sünder aus der Harmonie mit Leben, Wahrheit und Liebe. Die Verletzung des Gesetzes ohne Strafe würde einen Zustand fundamentalen Mißklanges bedeuten, ohne irgend ein Gefühl von Unbehagen, ein unmöglicher Zustand.

In der obengenannten Definition von Sünde, deutet das Wort „absichtlich” an, daß, wenn die Übertretung unabsichtlich wäre, man den daraus entstehenden Folgen entgehen könne. Dem sorgfältigen Beobachter wird diese allgemein angenommene Definition sogleich als unwissenschaftlich erscheinen; „ein Haus, so es mit ihm selbst uneins wird,” denn darin wird das göttliche Gesetz als absolut und zur selben Zeit als veränderlich angesehen, aber wir lesen wiederholt in Gottes heiligem Wort, daß Er unveränderlich ist, und daß Seine Gesetze Ihm gleichen. Wir finden es deshalb notwendig, eine tiefere Bedeutung der Sünde zu suchen, als uns bis jetzt gegeben worden ist, um den unbefriedigten Forderungen der Wahrheit zu genügen. Diesen Forderungen wird in Christian Science genügt, in welcher wir lernen, daß, als Gott den Menschen und das Weltall erschuf, Er ewige Gesetze des Daseins und des Lebens in Wirksamkeit treten ließ; welche zu halten, Gesundheit, Heiligkeit, Glück und Unsterblichkeit bedeutet; daß diese Gesetze für immer bestehen und die großen Wirklichkeiten des Seins umfassen; und daß der bewußte oder unbewußte Bruch eines dieser Gesetze oder eine Abweichung von selbst dem geringsten unter ihnen, in einem Grade Sünde ist. Diese Gesetze sind für menschliche Weisheit nicht immer verständlich, noch können sie, wie so viele rechtsgültige Gesetze niedergelegt und arrangiert werden, aber sie können geistig wahrgenommen werden, und dem menschlichen Verständnis, durch wissenschaftliche Folgerungen in Hinsicht auf Gottes Willen und Gottes Zwecke bekanntgemacht werden, durch die Wirkungen sowohl auf ein einzelnes Wesen, wie auf seine Umgebung, welche der Führung eines gottgefälligen Lebens folgen, wie es in dem Leben Jesu Christi und in dem Leben der Guten und Reinen eines jeden Zeitalters gezeigt wird.

Um diese Schlußfolgerung wissenschaftlich zu verstehen, und so dahin zu gelangen, das göttliche Gesetz zu begreifen, dürfen wir die ewige Tatsache, daß Gott alles ist, Seine Allmacht, Seine Allwissenheit und Allgegenwart nicht aus den Augen verlieren, noch die daraus folgende Machtlosigkeit eines jeden Dinges, welches ein einziges Element, das diesen Attributen der göttlichen Natur entgegen ist, zu besitzen vorgibt. Gott sitzt nicht, wie ein mächtiger Regent zu Gericht, um ein Strafmaß für dieses oder jenes gebrochene Gesetz zuzumessen; solch eine Idee ist irrtümlich, rein mythologisch. Gott ist keine selbstsüchtige, materielle Persönlichkeit, ein vergrößertes, menschliches Wesen in einem weitentfernten, materiellen Himmel, welches Gesetze für die Sterblichen macht und aus dieser unbekannten Ferne sie oft ungerecht beurteilt. Wenn solch ein falscher Begriff angenommen würde, wie könnten wir uns Ihm genügend nähern, um Ihn und Seine Gesetze zu erkennen, oder wie könnten wir nur wünschen es zu tun? Ein richtiger Begriff wird gewonnen, wenn wir Gott als ewiges Prinzip von allem, was wirklich existiert, zu betrachten lernen. Diese Idee über Gott wird jetzt fast allgemein angenommen, wenigstens dem Buchstaben nach. Wenn Gott, Geist, unendlich ist, so ist Er gut, denn Seine Unendlichkeit schließt aus, daß Er beides gut und böse sein kann. Er ist deshalb die Unendlichkeit des Guten und Rechten, nämlich der Vollkommenheit. Bei Gott ist alles Vollkommenheit, und Gott ist das Leben des Menschen, so daß das erste Gebot, das notwendigste von allen: „Du sollst keine andern Götter neben mir haben,” noch mit größerer Kraft in Christi Jesu eignen Worten ausgedrückt wird: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.” Paulus sagt: „In ihm leben, weben und sind wir,” das heißt nicht aus eignem Willen des Menschen, sondern weil Gott das große „Ich werde sein” ist, hat der Mensch Leben, Tätigkeit und Intelligenz. Das ist eine endgültige Behauptung über das Dasein des Menschen, sein Geburtsrecht, ein Gott-ähnliches, von Gott gegebenes Leben, und es deckt das ganze Bereich des menschlichen Bewußtseins. Es ist die Sünde, zu versuchen ein anderes Leben, eine andere Tätigkeit oder Intelligenz als die von Gott gegebene zu kennen oder zu haben, die eine Übertretung des göttlichen Gesetzes ist.

Wir finden so, daß der Hauptzweck des Menschen in der Tat ist, Gott zu kennen und sich für immer Seiner zu freuen. Der Mensch sollte Gott kennen, damit er sich selbst erkennen kann, denn der wahre Mensch ist das Ebenbild Gottes. Wenn der Mensch die Wahrheit weiß, und weiß, daß er in der Wahrheit ein absolut Gott-ähnliches Leben führt, dann weilt er in der Wirklichkeit und kennt keine Sünde. Die zehn Gebote Mose, welche als göttlichen Ursprungs angenommen werden, betonen klar die wichtige Tatsache von Gottes Allmacht und des Menschen Einheit mit Ihm. Christus Jesus, welcher keine Sünde kannte, faßte die zehn Gebote folgendermaßen zusammen: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte, und deinen Nächsten als dich selbst.” Dieses könnte sogar noch zusammengedrängt werden, dadurch daß man den Gedanken des Paulus in den Imperativ setzt und so lauten läßt: In Gott sollen wir leben, weben und sein.

Jesu Gebrauch des Wortes „Liebe” bedeutet weit mehr, als in dem engen Begriff der menschlichen Zuneigung eingeschlossen ist, und der Heiland zeigte die ungeheure Weite seiner Bedeutung, dadurch daß er das Wort mit Edelsteinen der Belehrung umgab, um dafür eine diamantene Fassung zu machen, in welcher die Liebe ihre Lichtstrahlen bis in die tiefsten Schlupfwinkel des menschlichen Bewußtseins erstrahlen läßt, die Dunkelheit des Chaos und der Unordnung mit Weisheit erleuchtet, der Wahrheit von Gottes Allgegenwart. „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte.” Könnte irgend etwas umfassender sein, oder vollständiger das ganze individuelle Wesen des Menschen einschließen? Jede Phase der Existenz bis hinab zu den schwächsten Regungen der Seele ist darin eingeschlossen, und dieses Ideal, in welchem Gott Alles in allem ist, ist als erreichbar anzusehen.

Das zweite Gebot ist dem ersten gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst.” Wie der innere Sinn oder das innere Selbst dahin gebracht werden muß, seine Beziehungen zu Gott zu erkennen, so muß der Nachbar, das uns umgebende Weltall, ähnlich behandelt werden, und so wird die Unumschränktheit und Allmacht Gottes verwirklicht. Innen, außen, alles ist Gott, und da ist kein andrer neben Ihm. Also die Kraft dieser Gebote ist nach Christian Science folgende: Weil Gott ist, lebt der Mensch; er ist Gottes Idee oder Spiegelbild. Der Mensch lebt wirklich nur, wenn er ein Gott-ähnliches Leben führt, bis in die kleinsten Einzelheiten der Gedanken, Worte und Taten. Er muß Leben, Wahrheit und Liebe und alle Attribute Gottes kund tun, welche Gesundheit, Heiligkeit, Vollkommenheit, Glück und Unsterblichkeit ans Licht bringen. So und nur so, kann das Himmelreich zu ihm kommen, in welchem er in Einklang mit dem Wirklichen lebt, in genauem Einklang mit dem göttlichen Willen; deshalb ist er ohne Sünde und im Frieden mit sich und anderen. In dem Grade, in welchem er von dem graden und engen Pfade der Wirklichkeit abweicht, und versucht Unwirkliches wirklich zu machen, sündigt der Mensch und hat „andere Götter neben Mir.” Er bricht das Gebot, und mag die Sünde noch so leicht sein, sie muß bestraft werden, denn die Sünde muß irgend wann, irgendwie, ihre Strafe nach sich ziehen, bis die Zerstörung der Sünde vollbracht ist. Es ist nutzlos, Gottes Vergebung anzuflehen, und sich einzubilden, daß wir unsrer Bitte wegen von der Strafe der Sünde befreit werden. Die „Du sollst nicht” der Bibel sind befehlend, sie verlangen kein ergebungsvolles Fortfahren in der Sünde, sondern eine radikale Trennung von derselben. Wie im göttlichen Gesetze die Entwicklung des Guten immer nach Vollkommenheit und ewigem Leben strebt, so würde der falsche Anspruch der Sünde die Wirksamkeit des Gesetzes nachahmen, aber ihre Entwicklung wendet sich notwendigerweise von der Wahrheit ab, und endet in Zerstörung und Tod.

Da Gott — die alles-einschließende und alles-erschaffende Wirklichkeit — nicht Sünde oder eine Fähigkeit zu sündigen erschaffen konnte, so müssen Sünde und alle ihre Phänomene und Folgen unwirklich, machtlos und nicht zu befürchten sein. Es ist deshalb die Pflicht und das Vorrecht des Menschen, die Sünde mit beharrlichem Eifer anzugreifen, durch die Erkenntnis seiner Macht bestärkt, welche er als ein Kind Gottes besitzt, und durch eine absolute Zuversicht auf Sieg, welcher sogar schon gewonnen ist, weil die Wahrheit ist, und der Irrtum nicht ist. Die heilige Schrift erklärt: „Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod,” und daraus können wir schließen, daß in dem Prozeß der Entwicklung der Sünde, sie an irgend einem oder an jedem Punkte ihres Verlaufes erfolgreich angegriffen werden kann, und jeder Sieg trägt zu ihrer endlichen Zerstörung bei. „Darnach das Ende, wenn er das Reich Gott und dem Vater überantworten wird, wenn er aufheben wird alle Herrschaft und alle Obrigkeit und Gewalt.”


Eine Seligmachung, die nicht heilt, ist nicht die ganze Seligmachung Christi, und ein Heilungssystem, das die Menschen nicht von Sünde sowohl wie Krankheit rettet, ist nicht die heilende Macht Gottes. Die Bibel lehrt, daß Krankheit ein abnormer Zustand ist, der durch unwissentliche oder absichtliche Gesetzlosigkeit verursacht wurde, daher ist der Rückweg zum normalen Zustand der Gesundheit und Heiligkeit durch die Erlösung von Sünde oder Gesetzlosigkeit, und Gehorsam gegen das Gesetz des Lebens wie Christus Jesus es lehrte und ausübte.

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