Von meiner frühsten Kindheit an, war die Bedeutung des Wortes Sünde unbestimmt und zweifelhaft. Ich war belehrt worden, daß wir aus Furcht vor ewiger Strafe keine Sünde begehen sollten. Meine kindliche Einbildung und meine Träume wurden oft von schrecklichen Gespenstern der Furcht heimgesucht, was ich wohl in einer ewig-drohenden Zukunft erwarten könne, weil die Menschen in Sünde geboren waren und ein sündiges Leben führten. Was ich getan hatte, um dieses schreckliche Verhängnis zu verdienen, was Sünde war, wußte ich nicht, aber ich befolgte fromm gewisse sogenannte notwendige Gesetze, welche von den Kirchenältesten niedergelegt worden waren, in der Hoffnung dadurch Gottes Zorn zu besänftigen. Als ich älter wurde und mein Geist analytischer, fand ich heraus, daß trotz allen vorhergesagten Leiden, ich noch lebte und glücklich war, und es wunderte mich, ob so viel Wahrheit in dieser Theorie der Sünde wäre, wie man mich zu glauben gelehrt hatte. Ich konnte sehen, wie einige Leute diese ehrwürdigen Gesetze brachen, und daß sie augenscheinlich glücklich dabei waren und gut fortkamen, während einige von denen, welche uns von den Schrecken der Sünde erzählt hatten, in mancher Weise schwer beladen waren und unglückliche Fehlschläge zu haben schienen, obgleich sie ein mustergültiges Leben führten.
Ich erfuhr dann, daß es viele Leute gibt, welche die gewöhnlich angenommenen Behauptungen in Betreff der Sünde bezweifeln, und die willens sind, zukünftige Strafe zu wagen, da, wie es scheint, ein wenig Sünde oft gegenwärtiges Glück bringt. Warum sollte man sich so sehr um zukünftige Strafe sorgen, für eine Tat, die jetzt Vergnügen und Nutzen bringt? besonders da niemals jemand aus jenem mystischen Lande zurückgekehrt war, um uns zu sagen, ob der Lohn des Bösen ausgezahlt würde oder nicht. Da diese Schlüsse vollkommen natürlich und nur zu befriedigend sind, kam es mir niemals in den Sinn, die angenommene Lehre über die Natur der Sünde in Frage zu stellen, oder nach der Ursache und der Wirkung der Sünde von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus zu forschen. Niemand schien zu wissen, daß wir mit mathematischer Gewißheit die Sünde und ihre unvermeidlichen Folgen oder sogenannten Strafen erkennen können, und daß man diesen vorgreifen könne, nicht durch die Vergebung eines launenhaften Gottes, sondern durch eine Erkenntnis dessen, was Leben ist, und wie man wahrhaft leben kann.
Die Religion ist, in dem Kriege, den sie mit der Sünde führte, oft mystisch gewesen. Sie hat wirkungslos die Gefühle anzurufen gesucht, anstatt der Menschheit zu zeigen, wie man ein praktisches, beweisbares Verständnis Gottes gewinnen kann, welches auf jede Not des Menschen, sei sie geistig oder Physisch, anwendbar sei. Man ist deshalb irrtümlich darauf hinaus gekommen, die Sünde nur als den Bruch eines sittlichen Gesetzes anzusehen; und als das Resultat eines oberflächlichen Verständnisses der zehn Gebote; die ersten zwei, welche den ganzen Kern aller Gebote enthalten, werden für nutzlos gehalten, oder sind für diese aufgeklärte Zeit und Generation nicht beabsichtigt. Götzendienst wird von dem selbstgerechten menschlichen Geist als ein Ding angesehen, welches gänzlich der Vergangenheit angehört. Das Wörterbuch definiert Sünde folgendermaßen: „Jede absichtliche Verletzung des göttlichen Gesetzes, oder Übertretung eines göttlichen Befehles.” Wenn man die Wahrheit dieser Definition erwägt, so sind die ersten Fragen, welche sich uns natürlicherweise aufdrängen: „Was ist das göttliche Gesetz? Was sind göttliche Befehle?” Sind diese Gesetze wie menschliche Gesetze, die nach Belieben gebrochen werden können, und ist ihre Übertretung von Strafe begleitet, vorausgesetzt, daß der Sünder bei der Tat ertappt wird? oder muß man das Göttliche von einem ganz anderen Standpunkt aus ansehen? Die letzte Frage muß gewiß bejahend beantwortet werden, wenn wir die Bedeutung des Wortes „göttlich” im Lichte der Christian Science betrachten. Göttlich bedeutet Gott-gleich, das heißt, Gottes Natur besitzend oder kundtuend, welche alles-einschließende Intelligenz, Allmacht, Gegenwart, Tätigkeit, unendliches Prinzip ist. Ein Gesetz Gottes ist also absolut; es kann nicht ohne unvermeidliche Strafe gebrochen werden, denn der Bruch dieses Gesetzes bringt den Sünder aus der Harmonie mit Leben, Wahrheit und Liebe. Die Verletzung des Gesetzes ohne Strafe würde einen Zustand fundamentalen Mißklanges bedeuten, ohne irgend ein Gefühl von Unbehagen, ein unmöglicher Zustand.
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