Der Träger einer Botschaft von Gott muß notwendigerweise Gottes Bote sein. Zu allen Zeiten ist es die wesentliche Frage, ob die Botschaft von Gott gesandt ist. Wenn dem so ist, so kommt dem Boten rechtlicherweise die Ehre und Würdigung zu, die demjenigen gebühren, der den Menschen Segen spendet; aber wenn es sich herausstellt, daß die Botschaft nicht von Gott ist, so wird der Überbringer derselben nicht aufgenommen als einer, der mit göttlicher Autorität ausgerüstet ist.
Die Botschaft soll nicht angenommen oder verworfen werden, weil es gerade dieser oder jener ist, der sie bringt; aber der Bote soll gerichtet werden durch die Wahrheit oder Unrichtigkeit der Botschaft, die er bringt. Der Bote ist nicht der Urheber oder Verfasser der Botschaft. Er ist nur der Empfänger derselben, und es ist seine Mission, sie denjenigen zu bringen, zu denen sie gesandt wird. Er wird zu Zeiten aufgenommen, zu Zeiten zurückgewiesen, nicht, weil diejenigen, zu denen er gesandt ist, sich von der Wahrheit oder Unrichtigkeit seiner Worte überzeugt haben, sondern weil sie zufrieden oder unzufrieden sind mit dem, was sie hören. Es ist oft der Fall, daß es dem Menschen garnicht so sehr auf die Wahrheit ankommt, sondern auf das, was er für die Wahrheit hält oder was er möchte, daß die Wahrheit wäre. Der Mensch, der eine Botschaft zu bringen hat, die mit den Wünschen und der Überzeugung der Sterblichen übereinstimmt, wird mit offenen Armen empfangen, während ein anderer zurückgewiesen wird, weil er zu verkündigen wagt, was der allgemeinen Meinung widerspricht.
In vergangenen Zeiten hat es solche gegeben, die sich von dem zu befreien hofften, was für sie eine unwillkommene Botschaft war, indem sie den Boten verfolgten, und es gibt heutigen Tages ebenfalls solche, die sich einer so armseligen Handlungsweise schuldig machen, als ob sie hofften, die Botschaft dadurch zu ändern, daß sie den Boten zurückweisen. Sie sind der Tatsache uneingedenk, daß die Wahrheit oder Unrichtigkeit einer Behauptung in keiner Weise von demjenigen abhängt, der ihr Ausdruck verleiht. Anstatt alles zu prüfen und das Beste zu behalten, verschwenden sie ihre Zeit und Energie im Kampfe für oder gegen Persönlichkeiten. Die Juden glaubten, sich von den ihnen lästigen Lehren zu befreien, indem sie diejenigen verfolgten, die kühn die Wahrheit bekannten und ihre Worte durch ihre Taten bewiesen. In den Tagen der Apostel lebte ein gelehrter Pharisäer, namens Gamaliel. Dieser Mann hatte weiter zu blicken gelernt als seine Zeitgenossen. Es war ihm klar, daß es nicht möglich sei für jemanden die Wahrheit zu schaffen oder zu vernichten. Ein Mensch könne die Wahrheit entdecken und verkündigen, oder könne sie in einem falschen Lichte darstellen; er könne sogar eine Lüge für die Wahrheit halten und sie als solche verkündigen; aber nichts von dem, was er sage, denke oder tue, könne an der Wahrheit etwas ändern, oder umgestalten. Gamaliel hatte auch gelernt, daß der Irrtum früher oder später in sich selbst zerfallen müsse, weil er keine Grundlage habe. Bei einer Gelegenheit tadelte er die Juden strenge und wies sie auf die Torheit ihrer Handlungsweise hin. Er führte zwei ihnen wohl bekannte Beispiele an, wo die Verfechter des Irrtums vernichtet wurden und alle ihre Anhänger mit ihnen. Dann gab er den weisen Rat, der heutzutage noch ebenso weittragend und wirksam ist, als er damals war: „Und nun sage ich euch: Lasset ab von diesen Menschen, und lasset sie fahren. Ist der Rat oder das Werk aus den Menschen, so wird’s untergehen; ist’s aber aus Gott, so könnet ihr’s nicht dämpfen; auf daß ihr nicht erfunden werdet, als die wider Gott streiten wollen.”
Wenn dieser Rat beachtet worden wäre, so würden viele der blutigsten Seiten in der Weltgeschichte nicht geschrieben worden sein, und wenn er heutzutage beachtet würde, so wäre Verfolgung und Entstellung der Wahrheit unbekannt, und der geistige Fortschritt der Welt würde mit der großartigen Entwicklung der Civilisation nach andern Richtungen hin Schritt halten.
Die Botschaft und der Bote sind in gewissem Sinne untrennbar von einander. Es ist die Botschaft, die tröstet, ermutigt, kräftigt, aufrecht erhält und heilt; aber ohne den Boten weiß die leidende Menschheit nicht, daß es einen Heiland gibt für alle Übel, die sie erduldet. Der Bote muß hören und verstehen oder er kann andern die Botschaft nicht bringen, und diejenigen, zu denen er gesandt wird, müssen das Wort annehmen und glauben oder es kann ihnen nicht dadurch geholfen werden.
Der Bote denkt nicht an sich selbst, sondern an die Botschaft, die er empfangen hat, und an diejenigen, denen er sie bringen möchte. Es ist das Vorrecht derjenigen, die sie hören, den Boten zu lieben und zu ehren. Der Mensch ist undankbar in der Tat, der nicht den liebevollen Dienst des Boten würdigt oder ihm seine Dankbarkeit nicht zeigt. Es ist die größte Torheit, wenn er erklärt, daß er nur der Botschaft Dank schuldet; denn hätte er sie von irgend jemand anderem empfangen, als von demjenigen, der sie ihm brachte, so würde er sie ebenso bereitwillig angenommen haben und sie würde ebenso viel für ihn getan haben. Vielleicht ist dies wahr; Tatsache aber ist, daß er sie nicht von jemand anderem empfing und er schuldet in nicht geringem Grade demjenigen Dank, der so liebevoll und opferfreudig das brachte, was ihm in der Zeit der Not half.
Die Geschichte bezeugt, daß der Bote zuweilen zurückgewiesen, wenn die Botschaft angenommen wird. Die Selbstsucht des sterblichen Menschen läßt ihn das Gute nicht anerkennen, das andere vollbringen. Die Größe der Botschaft wird nicht ohne eine gerechte Würdigung des Boten erkannt und umgekehrt; die Größe des Boten wird nicht erkannt, ohne daß die Botschaft verstanden wird. Nur wenige, wenn überhaupt einige der großen Männer und Frauen sind von ihren Zeitgenossen vollkommen gewürdigt worden. Zukünftigen Generationen war es vorbehalten, ihre Werke zu verstehen und ihre Größe zu würdigen. Eine große Botschaft macht einen großen Boten, nicht immer groß in dem Sinne der sterblichen Menschen, aber groß, wenn man ihn mit dem Maßstabe dessen mißt, was wahrhaft und dauernd ist.
Moses und die Propheten waren Gottes Boten und als solche werden sie von der Christenheit unserer Zeit angesehen; aber sie wurden nicht von allen aufgenommen, die von ihnen das Wort der Wahrheit vernahmen. Der Dekalog war die größte Botschaft, welche die Welt bis dahin empfangen hatte. Die zehn Gebote offenbarten das Grundgesetz alles rechten Tuns und Denkens und verhießen alles Gute denen, die ihren Anforderungen genügten. Die Weltgeschichte gibt uns Bericht darüber, wie die Menschen diese große Botschaft von Gott aufnahmen oder verwarfen, die sein Bote vor dreitausend fünfhundert Jahren verkündigte.
Der größte Bote, welcher der Welt gesandt worden, war Jesus von Nazareth. Nie hat das Ohr eine größere Botschaft vernommen als die, welche er verkündigte, eine Botschaft die, wenn sie verstanden wird, den Menschen wahrhaft frei macht, — frei von Sünde, Krankheit und Tod. Das Leben, das er lebte, die wundervollen Worte, die er sprach, die unvergleichlichen Werke, die er tat; dieses alles zusammen verkündigte das Evangelium des Friedens und des Wohlgefallens den Menschen auf Erden. Die, welche nicht bereit waren für die Botschaft, wiesen den Boten zurück und stießen ihn aus, indem sie glaubten, ihn und seine Worte dadurch zu vernichten; aber der Fortschritt, den das Christentum machte, zeigt, wie vergeblich das Tun aller derer ist, die dem widerstreben, was wahr ist.
Diejenigen, die den Meister verstanden, erhielten den Befehl, die gute Botschaft in derselben Weise, wie er es tat, zu verkündigen, dadurch: daß sie ein reines Leben führten, das Evangelium predigten, die Kranken heilten, die Aussätzigen reinigten, die Toten erweckten und Teufel austrieben. Nur in dem Maße ihres Verständnisses waren sie fähig, das, was sie gehört hatten, richtig zu verkündigen. Bei einer Gelegenheit konnten die Apostel wegen ihres Unglaubens und ihres mangelnden Verständnisses nicht das Evangelium von der Erlösung durch die Heilung des mondsüchtigen Knaben verkündigen. Der Meister strafte diesen falschen Sinn und trieb ihn aus, auf diese Weise Gottes Gegenwart und Macht beweisend.
Die Apostel verstanden nicht völlig die Botschaft und konnten sie deshalb nur in beschränktem Maße anwenden. Der Meister hatte wiederholt Gottes Liebe für die ganze Menschheit verkündigt; aber sogar Petrus glaubte, daß die Erlösung nur für die Juden sei, und dieser Glaube hatte eine solche Wirkung bei ihm, daß er sich weigerte, den Heiden ein Bringer der guten Botschaft zu werden. In einem Gesichte wurde ihm das Irrige seiner Überzeugung geoffenbart und er erklärte später kühn: „Nun erfahre ich mit der Wahrheit, daß Gott die Person nicht ansiehet; sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und rechtthut der ist ihm angenehm.” Nach dieser Erfahrung war ihm die Botschast mehr als sie ihm je zuvor gewesen. Er erkannte, daß sie für die ganze Welt bestimmt war.
Gottes Botschaft ist für die ganze Menschheit, und wenn sie verstanden wird, verkündet sie eine allgegenwärtige Erlösung von allem Übel, Sünde, Krankheit und Tod. Der irrige Glaube, daß die Mission des Erlösers nur den Juden galt, ist lange seitdem verschwunden; aber es gibt andere Irrtümer, die in den Gedanken der Sterblichen Gottes Macht oder wenigstens Seine Willigkeit zu helfen, beschränken. Die Botschaft von der Erlösung, wie sie zu unsrer Zeit von der großen Mehrzahl der Christen verkündigt wird, enthält die Verheißung der Erlösung nur von der Sünde in dieser Welt und die Hoffnung auf die Erlösung von Krankheit in der zukünftigen Welt. Ist es nicht augenscheinlich, daß das nicht das Evangelium ist, so wie unser Meister es gelehrt hat? Die Wahrheit, wie er sie offenbarte, macht den Menschen vollkommen gesund. Er verkündigte das, was ihm vom Vater gegeben worden war und erklärte, daß alle, die Gottes Willen tun, erfahren sollten, ob diese Lehre von Gott sei oder ob er von sich selber rede. Die Wirklichkeit und Macht der Botschaft war in keiner Weise auf ihn selbst beschränkt; sondern alle können die Wahrheit kennen lernen als einen allgegenwärtigen Erlöser von allem Übel.
Jahrhunderte lang hörte und empfing die Welt nur einen Teil der Botschaft; aber die Beschränkungen des sterblichen Glaubens können nicht ewig währen. Als die Zeit erfüllet ward, wurde die Wissenschaft des Christentums von einer entdeckt, die von Gott gesandt war, um noch einmal das Evangelium der Erlösung von Krankheit und Sünde zu verkündigen. Diese Botin, Mary Baker G. Eddy, dachte nicht an sich selbst, sondern an die herrliche Botschaft, die sie empfangen hatte und an die Leidenden und Bekümmerten, zu denen sie gesandt war. Viele haben gehört und geglaubt. Diese sind geheilt worden von ihren körperlichen Leiden und haben gelernt, ihre bösen Wege zu verlassen und ihre unrechten Gedanken aufzugeben. Ist es seltsam, daß ihre Herzen erfüllt sind von Liebe und Dankbarkeit für die, welche ihnen die Botschaft brachte? Sie fühlen, daß es die Botschaft der Wahrheit und Liebe ist, die sie empfangen haben, und daß sie ihnen zahllose Segnungen gebracht hat. Aber sie fühlen auch, daß eine Schuld der Dankbarkeit an die Botin abzutragen ist, und dies möchten sie liebevollen Herzens tun. Sie möchten vor allen Dingen Gott lieben und ehren, und dies tun sie, indem sie Seine Botin ehren. Die Beweise ihrer Liebe und Würdigung sind nicht „persönliche Vergötterung”; sie sind nur eine aufrichtige Anerkennung dessen, was Gott getan hat, sowie der Mittel, deren Er sich bedient hat, um die Seinen zu segnen. Wir lieben Gott mehr, wenn wir diejenige lieben, durch die Er gewirkt, um die Menschheit zu erlösen. „Wer seinen Bruder nicht liebet, den er siehet, wie kann er Gott lieben, den er nicht siehet?”
Die Christian Science ist der Welt verkündet worden. Von niemandem wird es verlangt, sie anzunehmen nur nach Hörensagen. Es kann jeder selbst ihren Wert prüfen. Wenn die Erfahrung einen Menschen gelehrt hat, daß die Christian Science praktisch gemachtes Christentum ist, und daß sie in wirksamer Weise die Ansprüche von Sünde und Krankheit vernichtet, wird er anfangen, die Größe der Botin zu erkennen und zu begreifen, und er wird jene Reinheit der Gedanken und des Lebens lieben, die allein die Botschaft vernehmen und sie andern verkündigen konnte. Er wird anfangen zu begreifen, wie vielen Dank er persönlich derjenigen schuldet, die Gottes erlösende Macht bewiesen hat und andre gelehrt, sie zu beweisen.
