Am 22. Okt. 1907 hielt Mitglied des Ausschusses der Christian Science für öffentliche Vorlesungen, einen Vortrag in der Ersten Kirchen Christi, des Scientisten in Boston, Mass.
Gott und Seine Schöpfung sind vollkommen.
Das göttliche Prinzip, Gott, hat Dasein, besteht in und aus sich selbst und ist ewig. Es ist so ursprünglich wie die Unendlichkeit und so dauernd wie die Ewigkeit. Es gibt keine höhere Macht, von welcher es etwa erschaffen worden wäre, und darum gibt es auch keine höhere Macht durch welche es vernichtet werden könnte. Es hat von Ewigkeit her bestanden, wird durch alle Ewigkeiten bestehen, und Seine Schöpfung muß Ihm gleich sein. Diese Schöpfung muß so vollkommen, so ursprünglich und so dauernd sein wie das göttliche Prinzip selbst. Es gab noch keine Zeit, da Gott, der Geist, das göttliche Prinzip nicht bestanden hat und nicht vollkommen war, und deshalb gab es noch keine Zeit, da Gottes Schöpfung nicht bestanden hat und nicht vollkommen war. Und weil es nie eine Zeit geben wird, da Gott nicht bestehen wird und nicht vollkommen sein wird, so wird es auch nie eine Zeit geben, da Seine Schöpfung nicht bestehen und nicht vollkommen sein wird. Also weil Gott jetzt besteht und vollkommen ist, deshalb besteht auch Seine Schöpfung jetzt, und deshalb ist auch sie vollkommen. Diese Schöpfung kann nie einen höheren Grad der Vollkommenheit erreichen als der, den sie gegenwärtig besitzt. Es ist nicht unsere Aufgabe uns zu vervollkommnen, sondern uns als vollkommen zu erkennen. Der Mensch vermag nicht „seiner Länge eine Elle zuzusetzen,” oder „ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.” Wir müssen uns auf die göttliche Seite der Frage stellen, müssen alles von dem Gesichtspunkte Gottes aus betrachten, und dann werden wir bald die Dinge in ihrer wahren, harmonischen Natur als „unsträflich und unbefleckt,” erkennen.
Die Christian Science errichtet ihren Bau auf dem göttlichen Prinzip, auf der Selbstexistenz des Lebens, der Wahrheit und der Liebe, während die Gebäude des begrenzten Wahrnehmungsvermögens immer die Sinnesbezeugungen zum Fundament haben. Die Christian Science erkennt Gott als den göttlichen Geist, und sie sieht deshalb die Schöpfung als geistig und nicht als materiell. Das begrenzte Wahrnehmungsvermögen hingegen sieht nur eine materielle oder begrenzte Schöpfung und denkt sich daher notwendigerweise einen Gott mit materiellen und begrenzten Eigenschaften und Neigungen, Die Christian Science erkennt den Menschen als das Ebenbild Gottes, während das begrenzte Wahrnehmungsvermögen sich Gott als das Ebenbild des Menschen vorstellt. Die Christian Science behauptet, daß kein sterbliches Auge je den wahren Menschen gesehen hat; das begrenzte Wahrnehmungsvermögen hingegen erklärt, daß nur das sterbliche Auge den Menschen sehen kann.
Die Christian Science erkennt den geistigen Menschen als den wirklichen, echten, wahren Menschen und erklärt, daß der sogenannte sterbliche Mensch ein bloßer Wahn sei; hingegen denkt sich das begrenzte Wahrnehmungsvermögen den sterblichen Menschen als wirklich, echt und wahr, und den geistigen Menschen als eine Möglichkeit. Mit anderen Worten: es denkt, es könne ja möglicherweise einen geistigen Menschen geben, ist aber fest davon überzeugt, daß es einen materiellen Menschen gibt. Die Christian Science behauptet die Existenz des geistigen Weltalls, während das materielle Wahrnehmungsvermögen sich für das Dasein des materiellen Weltalls erklärt. Beide können jedoch nicht der Wirklichkeit angehören, denn sie sind direkte Gegensätze. Paulus schreibt in seiner Epistel an die Korinther: „Die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.”
Die Christian Science erkennt das göttliche Prinzip als den Grund aller Dinge an, während das begrenzte Wahrnehmungsvermögen von den Sinnesbezeugungen ausgeht, um den Grund aller Dinge zu erforschen. Das begrenzte Wahrnehmungsvermögen glaubt, daß es einen Gott gibt, hat aber keinen bestimmten Beweis dafür; die Christian Science hingegen beweist das Dasein Gottes klar und unwiderleglich. Sie hat bestimmte Beweise. Das begrenzte Wahrnehmungsvermögen schränkt alles ein. Alle seine Argumente und Schlußfolgerungen beruhen auf den Sinnesbezeugungen. Es behauptet, daß die Sonne auf- und untergehe, daß der Mond sich von Osten nach Westen bewege; daß der Ton in der Glocke, die Farbe in dem Gegenstand sei. Es erklärt, daß das Gehör im physischen Ohr, das Sehvermögen im physischen Auge, und das Gefühl im physischen Nerv sei. Es behauptet, der Geist sei in der Materie, das Gehirn könne denken, das Herz lieben.
Ich bitte Sie nicht zu vergessen, daß wir nicht von Personen reden, sondern vom begrenzten Wahrnehmungsvermögen, und das geht die Christian Scientisten ebensoviel an als irgend jemand anders. Die Christian Science ist erschienen um die Menschheit zu erziehen, um sie durch diese Erziehung von ihrem Wahne zu befreien. Man denke einen Augenblick darüber nach und es muß einem klar werden, daß das Gehirn ebensowenig denken kann als das Herz lieben kann; daß das letztere ebensowenig lieben kann als die Lunge, die Leber oder irgend ein anderes Organ des Körpers. Wenn das Gehirn jetzt denkt, so hört es nie auf zu denken. Wenn Gott es mit der Kraft des Denkens ausgerüstet Hätte, so könnte ihm dieselbe nie entzogen werden, denn Gott ist unveränderlich. Wenn das Gehirn selbstständig denken könnte, so würde es ohne Aufhören weiterdenken.
Die Christian Science behauptet, daß es in der Materie im Gehirn keinen Geist gibt; daß der Geist nicht im Körper wohnt. Sie erklärt, daß der Geist Gott ist, daß er das göttliche Prinzip, die erhabene Allwissenheit des Daseins ist; daß der Geist nicht in uns wohnt, sondern daß wir im Geiste wohnen. Der sogenannte Geist, welcher vermeintlicherweise im Gehirn seinen Aufenthalt hat, ist kein Geist, sondern eine bloße Verneinung des Geistes; er ist das Gegenteil vom göttlichen Geiste und kann deshalb kein Geist sein, denn der eine Geist, Gott — der allmächtige, allwissende und allgegenwärtige Geist — kann kein Gegenteil haben. Es ist dies unmöglich, denn Gott ist Alles in allem. Gibt es mehr als „Alles”? Hieraus folgt, daß der Himmel keine Lokalität, kein bestimmter Ort ist, sondern ein Zustand der Harmonie, welchen das materielle Wahrnehmungsvermögen nicht kennt, welchen es unmöglich kennen kann, weil es nur Disharmonie kennt.
Auch hier stehen sich das begrenzte Wahrnehmungsvermögen und die Christian Science direkt gegenüber. Ersteres sieht nur Disharmonie, während die Christian Science nur Harmonie kennt. Das begrenzte Wahrnehmungsvermögen kann nicht existieren wo Harmonie herrscht, ebensowenig als der Mensch das Angesicht Gottes sehen, und leben kann. Sobald Gott, das absolute Gute, erscheint, fängt das begrenzte Wahrnehmungsvermögen an zu sterben.
Die Wissenschaft des Daseins kann ebensowenig einen Fehler im Dasein entdecken, als die Zahlenwissenschaft einen Fehler in der Mathematik finden kann; ebensowenig als die Sonne die Finsternis sehen, oder die Hitze die Kälte fühlen kann. Es gibt keinen Fehler in der Mathematik, denn ein Fehler in einem mathematischen Problem wäre nicht mathematisch. Ebensowenig gibt es einen wissenschaftlichen Fehler in der Wissenschaft des Lebens, denn ein Fehler in der Lösung eines wissenschaftlichen Problems wäre nicht wissenschaftlich. Es gibt deshalb keinen Fehler in der Wissenschaft, und die Christian Science ist absolut frei von Fehlern. Wie die Zahlenwissenschaft, so hat auch die Christian Science nur mit Vollkommenheit zu tun — mit absoluter Richtigkeit. Niemand, der mit der Wissenschaft des Daseins bekannt ist, kann an derselben etwas auszusetzen haben, geradesowenig als derjenige, welcher die Zahlenwissenschaft kennt, dieselbe tadeln wird.
Die Unrichtigkeit der Sinnesbezeugung.
Jede Theorie, welche von den Sinnesbezeugungen ausgeht, ist unrichtig, denn die Sinnesbezeugungen sind nicht zuverlässig. Sie sind nichts weiter als Einschränkungen, welchen kein Prinzip zugrunde liegt und welche nicht auf Tatsachen beruhen. Sie sind Phantasiebilder und Täuschungen, die uns fortwährend zu falschen Annahmen und abergläubischen Dogmen verführen.
Die Sinnesbezeugungen erklären, die Erde sei flach und die Sonne umkreise dieselbe. Vor nur wenigen Jahrhunderten wurden diese Bezeugungen als Beweis angenommen; man hielt sie allgemein für Tatsachen und lehrte sie in den damaligen Schulen. Die Welt verdankt dem großen Astronomen Galileo sehr viel wegen der vielen mathematischen und geometrischen Lehrsätze, die er der Welt überliefert hat. Als jedoch dieser berühmte Mann erklärte: „Die Erde bewegt sich, und die Sonne steht still,” mußte er sich auf der Straße grobe Beleidigungen gefallen lassen und man nannte ihn irrsinnig, einen Narren und unwissenden Menschen. Die Leute sagten, ein Mann, welcher die Jugend solche Torheiten lehre, sei gefährlich und dürfe nicht auf freien Füßen stehen. Sie warfen ihn ins Gefängnis, mißhandelten ihn und würden ihn gehängt haben, wenn er nicht widerrufen hätte. Was würde man aber heutzutage von einem unwissenden Menschen denken, der in Übereinstimmung mit den Bezeugungen ebenderselben Sinne solche Theorie wie man sie zu Galileos Zeit für richtig hielt, lehren würde, und der sich unterstände, seine Dienste in unseren öffentlichen Schulen anzubieten?
Wie unwissend sind doch alle diejenigen, welche die Wahrheit dadurch zu erreichen suchen, daß sie die Bezeugungen der Sinne in Bezug auf eine materielle Erde und eine physische Schöpfung für wahr halten. Werden uns künftige Generationen nicht auslachen und uns unwissend nennen, weil wir dachten, der Mensch sei aus Erde gemacht?
Die buchstäbliche Auslegung der Bibel hält den Menschen in der größten Unwissenheit und dem törichtsten Aberglauben gefangen. Man lese z. B. den fünften Vers des 104ten Psalms, wo es heißt: „Der du das Erdreich gründest auf seinen Boden, daß es bleibet immer und ewiglich.” Unsere Väter verstanden diese Stelle im begrenzten und wörtlichen Sinne. War es da ein Wunder, daß sie Galileo für einen Betrüger hielten? Seine Theorie stand in direktem Widerspruch mit der wörtlichen Übersetzung dieser Stelle und sprachen scheinbar der Vernunft und dem gesunden Menschenverstand Hohn. Ihrer Anschauung nach stand die Erde still. Sie war auf ihrem Boden fest gegründet, und mußte immer und ewig so bleiben; denn war das nicht die Lehre der Bibel? Ja, in ihrem buchstäblichen Sinne.
Wir sehen jetzt klar und deutlich, wie falsch die wörtliche Auslegung dieser Stelle war. Mag daher die Christian Science nicht recht haben, wenn sie die wörtliche Erklärung des 2. Kapitels des 1. Buches Mosis für ebenso vernunftwidrig hält? Bekanntermaßen heißt es da: „Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch [welcher aus einem Erdenkloß erschaffen ward] eine lebendige Seele.”
Die Christian Science zeigt klar und deutlich, daß nicht das 2. sondern das 1. Kapitel des 1. Buches Mosis den wahren Bericht der Erschaffung des Menschen gibt, denn in letzterem heißt es, daß der Mensch „zum Bilde Gottes” erschaffen wurde. Die Christian Science erklärt, daß der zweite Bericht — im 2. Kapitel — nur eine Allegorie ist, welche uns die sinnliche Auffassung der Schöpfung berichtet — eine Auffassung, welche das gerade Gegenteil der wissenschaftlichen und wahren Auffassung ist. Die Bezeugungen der Sinne stehen immer im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Bezeugungen, denn erstere beruhen auf Meinungen, letztere auf dem Verständnis; erstere sind Vermutungen, letztere sind wissenschaftliche Wahrheiten; erstere urteilen nach dem Ansehen, letztere gehen vom Prinzip aus. Die Sinnesbezeugungen handeln nur vom Begrenzten und Zeitlichen, die wissenschaftlichen Bezeugungen hingegen vom Unendlichen und Ewigen. Erstere sind falsch, letztere sind richtig.
Nun entsteht aber die Frage: Lehrt die Bibel Unwahrheiten? Keineswegs — sie lehrt die Wahrheit. Sie lehrt nicht nur die Wahrheit des Wahren, sondern auch die Wahrheit in Bezug auf das Unwahre. Sie gibt uns zuerst den wissenschaftlichen Bericht der Schöpfung, und dann denselben Bericht nach der Auffassung des materiellen Wahrnehmungsvermögens. Ersterer ist richtig, letzterer unrichtig. Jede Theorie, die von den Sinnesbezeugungen ausgeht, ist unrichtig.
Der Mensch und der Urstoff.
Die darwinistische Evolutionslehre, welcher selbst viele unserer Gelehrten beistimmen, geht vom Menschen aus; vom Menschen, wie das materielle Wahrnehmungsvermögen sich ihn vorstellt, und sucht auf diese Weise seinen Ursprung zu finden. Nun muß aber jede Theorie betreffs eines Ursprunges selbst einen Ursprung haben, und es läßt sich nie ergründen wo der erste Ursprung seinen Ursprung hatte. Darwin ging zurück bis zum Urstoff. Hier gab er seine Forschung auf. Er mußte da aufhören, denn weiter konnte er nicht zurückgehen. Es entsteht nun die Frage: Woher kommt der Urstoff? Wenn Gott den Urstoff erschuf, aus welchem sich der Mensch stufenweise entwickelt hat, so muß der Mensch dem Urstoff innewohnen; d. h. der Urstoff muß alles enthalten, was sich aus demselben entwickelt hat, von den niedrigsten Geschöpfen bis zu den höchsten: Pflanzen, Insekten, Tiere und Menschen. Wenn ein allwissender und allmächtiger Gott den Ursprung erschaffen konnte, aus welchem sich dann der Mensch entwickelte, konnte er dann nicht ebensowohl den Menschen erschaffen? Ferner, wenn Gott den Urstoff zwecks der Entwickelung des Menschen erschuf, so muß er den Menschen in seinen Gedanken gehabt haben; demzufolge wäre der Mensch ein Gedanke des unendlichen Geistes, ein Gedanke Gottes.
Gerade das lehrt die Christian Science: daß der Mensch, der wahre Mensch, der Abglanz und das Ebenbild Gottes — daß dieser Mensch die Idee des unendlichen Geistes ist; daß er alle Beschaffenheiten und Eigenschaften des göttlichen Prinzips ausdrückt, nämlich vollkommenen Frieden, vollkommene Glückseligkeit und vollkommene Gesundheit, sowie ein vollkommenes und unsterbliches Leben in einem seligen Zustande der Harmonie, wo Krankheit und Kummer keinen Zutritt haben. Die Christian Science lehrt, daß wir nicht zu sterben brauchen, um diesen seligen Zustand zu ererben, sondern daß derselbe hier und jetzt, jeden Tag und jede Stunde für uns erreichbar ist, wenn wir nur den alten Menschen mit seinen Werken ablegen und den neuen Menschen, Christum den Herrn, anlegen.
Dieser vollkommene Zustand des Menschen ist eine vollendete Tatsache, denn was noch kommen soll, ist in Gottes Augen bereits vorhanden. Was sich am Menschen und am Weltall zu irgend einer Zeit bewahrheiten wird, ist jetzt schon wahr. Nur das ist wahr, was vor der Ewigkeit die Probe bestehen kann. Was vor der Ewigkeit die Probe nicht bestehen kann ist nie wahr gewesen, wird nie wahr sein und ist auch heute nicht wahr. Nur das begrenzte Wahrnehmungsvermögen behauptet, daß der Mensch heute sterblich und materiell, und erst nach dem Tode geistig sei. Was am Menschen und am Weltall auf ewig weiterlebt, hat immer gelebt, war immer geistig, war nie materiell und ist es auch jetzt nicht. Hingegen, was nicht ewig leben wird, hat in Wirklichkeit nie gelebt; es kommt nicht von Gott und kann deshalb nicht existieren. Gott und Seine geistige Schöpfung haben allein Dasein, während die materielle Schöpfung kein Dasein hat.
Seit Jahrhunderten haben die Menschen das Ende der Welt prophezeit; d. h. sie haben verkündigt, daß unsere materielle Welt untergehen werde; daß unserem Physischen Weltall, welches das begrenzte Wahrnehmungsvermögen als Wirklichkeit ansieht, eine unbegreifliche und geradezu unmögliche Art und Weise der Vernichtung bevorstehe. Ich sage mit Absicht unmögliche Art und Weise; denn wenn das Weltall eine Wirklichkeit ist, wie kann es eine Unwirklichkeit werden. Kann aus einem Etwas ein Nichts werden? Die Christian Science offenbart die Tatsache, daß die sogenannte physische Welt, die Welt des begrenzten Zustandsbewußtseins, unwirklich ist, und daß sie in dem Maße unseres Verständnisses ihrer Unwirklichkeit zu Ende gehen wird. Früher oder später wird unser materielles Weltall „eingewickelt werden, wie ein Brief”; d. h. es wird unter die Dinge gerechnet werden, die man einstmals für wirklich hielt, die aber nun als unwirklich erkannt worden sind.
In der materiellen Welt beruht alles auf Mißerfolgen. Jedes Geschäft ist von Mißerfolgen abhängig und blüht am besten vonwegen derselben. Man frage sich, wie lange das Stiefel- und Schuhgeschäft bestehen würde, wenn sich Stiefel und Schuhe nicht abtragen würden? Wenn unsere Kleider nicht alt und untauglich würden, wo bliebe die Wollen-, Baumwollen-, Seiden- und Leinwandindustrie? Was würde aus der Rechtskunde werden und wer würde sie studieren, wenn die allgemeine Bruderliebe nicht ein Mißerfolg wäre? Welchen Wert hätte die Arzneikunde, wenn körperliche Gesundheit nicht ein Mißerfolg wäre? Und nicht zu vergessen: was würden die Leichenbestatter anfangen, wenn das irdische, begrenzte Leben nicht ein Mißerfolg wäre?
Die Grundsätze der Mathematik sind vor der Lösung unseres Problems ebenso unveränderlich als nach der Lösung. Wir haben nichts weiter zu tun, als unsere Fehler und falschen Begriffe zu beseitigen. Und so ist auch das Problem unseres Daseins vor unserer Lösung desselben ebenso vollkommen als nach der Lösung. Deshalb ist der Mensch jetzt so vollkommen als er je sein wird. Er muß nur wissenschaftlich verstanden werden.
Jesus erklärte: „Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein; und Alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.” Die Christian Science ist der Schlüssel zum Himmelreich. Was wir uns in Übereinstimmung mit der Christian Science auf Erden als wahr aufbinden, wird uns auch im Himmel aufgebunden sein, und was wir in Übereinstimmung mit der Christian Science als falsch erkennen, wird uns im Reiche Gottes abgenommen werden.
Die Christian Science ist der Welt geoffenbart worden. Sie leitet uns dazu an, die Lehren des begrenzten Wahrnehmungsvermögens zu verlernen. Sie beseitigt die Hindernisse und Einschränkungen, von denen wir umringt sind, indem sie uns lehrt, daß nur das falsche Wahrnehmungsvermögen oder die materielle Täuschung uns in Unwissenheit, Aberglauben und Furcht gefangen hält. Dieses begrenzte Wahrnehmungsvermögen allein ist für unsere Unwissenheit über die uns von Gott verliehenen Rechte verantwortlich; es verdunkelt unseren Blick, und deshalb können wir nicht sehen, daß alles für uns bereit steht, und daß wir nichts weiter zu tun haben, als zuzugreifen. Lucy Larcom schreibt:
Ich kann im Tale nicht verweilen,
Ich muß nach jenen Höhen eilen;
Die Felsen, die so drohend schienen,
Sie sollen mir als Stufen dienen.
Die materiellen Sinne halten die Menschen in der Sklaverei ihrer eigenen Täuschung gefangen, und je mehr sie sich von ihren Sinnesbezeugungen beherrschen lassen, desto mehr geraten sie in diese Gefangenschaft; desto mehr werden sie Sklaven ihrer eigenen Sklaverei, Leibeigene ihrer eigenen Leibeigenschaft. Ihr Wahn, daß sie dazu erschaffen seien in der Erde zu graben, hielt ihre Aufmerksamkeit ganz und gar in Anspruch, und sie blicken daher nie aufwärts und sehen nicht die Handschrift über ihrem Haupte, welche ihnen einen reichen Vorrat, welche ihnen Erlösung von ihrer schweren Arbeit bietet. Weil sie immer an Armut denken, werden sie ihres Reichtums nie gewahr. Sie leben in dem Wahne, daß sie von Mangel und Hungersnot umringt seien, und können deshalb nicht sehen, daß überall nichts als Überfluß herrscht. Sie verstehen nicht die hohe Bedeutung der Einladung: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken. Nehmet auf euch mein Joch, und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und vom Herzen demütig: so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.” Sie sind so sehr mit der Last ihrer Selbstverdammung und ihrer Verzweiflung beladen, daß sie den Chor der Engel: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen!” nicht hören können.
„Von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis,” ist uns eine herrliche Gabe zuteil geworden. Es ist die Gabe Gottes, welche gekommen ist, um die Menschen aus den geheimen Winkeln ihrer Unwissenheit, ihrer Ausschweifungen, ihres Elends und ihrer Sünden hervorzuholen und ihnen „zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes” zu verhelfen. Sie heilt nicht nur die Kranken von ihrer gegenwärtigen Krankheit, reinigt nicht nur den Sünder von seinen gegenwärtigen Sünden, befreit nicht nur die Welt von ihrer gegenwärtigen Last des Unglücks und der Verzweiflung; weit mehr als das: sie wird zuletzt Krankheit, Sünde, Krieg, Mord, Blutvergießen, Hungersnot, Mangel, Plagen, Sorgen, Schmerz und Tod ganz und gar beseitigen. Sie ist „Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.” Sie ist der wahre Christus, welcher „zum andern Mal ... wird ... ohne Sünde erscheinen ... zur Seligkeit.”
Die Christian Science ist eine Offenbarung.
Die Christian Science wurde der Welt geoffenbart, und zwar durch die Vermittlung einer Person, welche fähig war, eine solche Offenbarung zu empfangen und sie einer erwartungsvollen Welt zu überliefern. Je mehr die herrlichen Wahrheiten in unserem Lehrbuche „Science and Health with Key to the Scripture” verstanden und anerkannt werden, je mehr sie in Anwendung gebracht werden, desto mehr wird die Welt den hohen Wert dieses Buches würdigen; desto mehr wird sie dieses herrliche Werk, diese großartige Bewegung, welche einer umnachteten Menschheit Freiheit bringt, schätzen lernen.
Dann wird man sehen, was die Verfasserin dieses Buches zum Wohl der Menschheit beigetragen hat. Dann werden diejenigen gerechtfertigt sein, welche ihr jetzt zur Seite stehen, ihren Verordnungen gehorchen und ihre leisesten Wünsche erfüllen. Darum wäre mancher, der jetzt diese Bewegung und ihre Führerin mißversteht und mißdeutet, froh, wenn er Gelegenheit hätte, seinen Tribut ihr zu Füßen zu legen und ihre sanften und liebevollen Worte der Vergebung zu vernehmen. Dann wird sie als eine Person anerkannt werden, welche für ihre Mitmenschen das Höchste und Beste, das sie sich wünschen konnten, gesucht hat, nämlich Befreiung von ihren Gebrechen.
In Anbetracht der vielen und bis jetzt nur teilweise verstandenen Wohltaten, die sie uns, ihren Schülern, erwiesen hat und noch erweist, ist es ein Wunder, daß wir sie lieben und ehren, und daß wir unser Möglichstes tun, sie in ihrem großen Werke zu unterstützen? Können wir unsere Dankbarkeit auf eine bessere Weise ausdrücken als dadurch, daß wir ihre Wünsche erfüllen? Jesus sagte zu seinen Jüngern, seinen Schülern: „Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote.” Ferner erklärte er: „Das ist mein Gebot, daß ihr euch unter einander liebet.” Die Ermahnungen unserer Führerin, Mrs. Eddy, sind ebenso ernst und liebevoll. Auch sie ist mit dem Wunsche erfüllt, das „Friede auf Erden” herrschen möge. Wie Christus vor alters, so bringt uns heute die Christian Science nur die Botschaft des Friedens.
Was Ihnen die Christian Science nimmt, gibt sie Ihnen vierfältig wieder. Für Krankheit gibt sie Ihnen Gesundheit, für den Irrtum gibt sie Ihnen die Wahrheit; für den Haß, die Liebe; für den Tod, das Leben; für das Böse, das Gute; für die Zeit, die Ewigkeit; für die Sterblichkeit, die Unsterblichkeit; für die Materie, den Geist. Haben wir Ihnen mit der Materie zugleich Ihren Herrn weggenommen, so daß Sie nicht wissen, wo wir ihn hingelegt haben? Dann machen Sie es wie die Maria: schauen Sie nicht länger in das Grab des materiellen Wahrnehmungsvermögens, sondern suchen Sie Jesum als den Auferstandenen, im Geist und in der Wahrheit, als den Sieger über Tod und Hölle. Folgen Sie ihm in seiner Übergangsperiode, in welcher Wahrheit, Leben und Liebe auf den Gipfel des materiellen Wahrnehmungsvermögens führen, von wo aus man alles Niedrige überschauen kann. Wer diesen Höhepunkt erreicht hat, ist Sieger über Sünde, Krankheit, Kummer, Schmerz und Tod, weil er dieselben nicht mehr fühlt und nicht mehr fürchtet. Dann werden Ihnen die goldenen Strahlen des ewigen Sonnenaufgangs der Wahrheit den Weg nach dem herrlichen Lande der Harmonie und der Ruhe erleuchten — nach der Heimat der göttlichen Liebe. Dann wird Ihre Reise keine Anstrengung mehr kosten, sondern in freudiger Begeisterung und auf Fittichen der Wonne werden Sie sich immer mehr in die höheren Sphären der Wirklichkeit erheven, um vermöge der Wissenschaft des Lebens auf ewig in der Heimat der Seele zu wohnen.
In der Heimat der Seele wohnt keine Gefahr,
Kein Kummer, kein Leid, keine Sorgen.
Mein Heiland, er führt mich gar wunderbar
Durch die Nacht bis zum glorreichen Morgen.
Copyright, 1908, by Mary Baker G. Eddy.
Verlagsrecht 1908, von Mary Baker G. Eddy.
