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Geheime Trübsalsquellen.

Aus der April 1908-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Viele Leute haben vor der Betrachtung ihrer geheimen geistigen Mangelhaftigkeit und ihrer moralischen Inkonsequenz unwillkürlich einen Widerwillen, und sie vermeiden es daher ängstlich, sich öfters einer genauen Selbstprüfung zu unterwerfen Die Erkenntnis dessen, was unser Begriff von Persönlichkeit in sich schließt, ist jedoch ein wichtiger Faktor in des Menschen Bestreben, sein Seelenheil zu bewirken. Wir müssen alle lernen, „was wir von Rechts wegen sind” („Science and Health,“ Seite 8), damit das, was wir sein sollen, zum Ausdruck kommen möge. Wer das Böse in seinem Inneren geheim hält, wird nie von dessen Folgen befreit werden. Es ist nicht nötig, anderen Leuten unsere Fehler zu erzählen; aber wir für uns selbst müssen uns des scheinbaren Vorhandenseins dieser Fehler bewußt sein, denn sonst können wir ihren Einfluß nicht neutralisieren, können sie nicht aus unserem Bewußtsein vertreiben. Wenn wir der Meinung sind, das Übel sei nicht vorhanden, weil es sich nicht geltend macht, „so betrügen wir uns selbst” und geben dadurch dem Übel eine um so bessere Gelegenheit, seine Tätigkeit ungeahnt und unvermerkt zu betreiben.

Die Bibelstelle: „Und werdet eurer Sünde inne werden, wenn sie euch finden wird,” bewahrheitet sich ganz besonders in der Werktätigkeit innerhalb der Christian Science, wodurch die enge Verbindung zwischen dem Geist und dem Körper, zwischen dem sündlichen Denken und den körperlichen Leiden veranschaulicht wird. Jeder irrtümliche Gedanke, dem wir uns hingeben, anstatt ihn zurückzuweisen, wird früher oder später seine Gegenwart durch die Störungen, welche er hervorruft, geltend machen, obgleich der Leidende nicht immer imstande sein mag, die Spuren zwischen der irrtümlichen Ursache und der irrtümlichen Wirkung zu verfolgen. Wenn die Welt einmal einsieht, daß der sterbliche Leib nur durch die Veredlung der Gedanken eine höhere Entwicklungsstufe erreichen kann, erst dann wird unsere Gesundheitslehre geistiger Natur sein, und wir werden unsere Aufmerksamkeit mehr auf moralische als auf physische Zustände richten.

Es ist unter allen Umständen recht, eine Krankheit zu verneinen, und wir sollen jeder Versuchung, die uns zu körperlichen Leiden verführen will, entgegentreten, denn solche Zustände sind nicht von Gott erschaffen, gehören also nicht der Wirklichkeit an. Der nächste und bessere Schritt besteht jedoch darin, daß wir die forschenden Strahlen der Wahrheit in die geheimsten Winkel unseres Bewußtseins leuchten lassen, um zu erfahren, ob wir nicht auf „bösem Wege” sind. Eine bloße passive Verneinung der Sünde genügt nicht, denn wir bleiben nichtsdestoweniger oft unbewußt der Gefahr ausgesetzt, ein Opfer der Sünde zu werden; hingegen, wenn wir unseren Fehlern ehrlich in’s Gesicht schauen, so sollte das ihr Verschwinden zur Folge haben. Die Sünde wird nur dann für uns unwirklich, wenn wir ihre Unwirklichkeit durch Selbsterkenntnis, Buße und Bekehrung beweisen, wie es uns unsere Führerin gelehrt hat.

Wer nicht wissentlich der Sünde frönt braucht nicht zu erschrecken, wenn von geheimen Sünden die Rede ist, denn nur durch innere Reinheit kann man Frieden erlangen. Ein unentdeckter Irrtum ist nicht notwendigerweise ein untätiger Irrtum, denn gerade die Tätigkeit verborgener Fehler bereitet uns oft die unangenehmsten Erfahrungen; wenn wir hingegen die Wahrheit in unserem Inneren tätig erhalten, so ist dadurch dem entgegengesetzten Irrtum vorgebeugt. Es liegt klar auf der Hand, daß das Übel nur dann aktiv sein kann, wenn das Bewußtsein des Guten müßig ist. Hierdurch erklärt sich des Menschen Fähigkeit, sein eigenes Seelenheil zu bewirken. Wir können die Liebe in uns so aktiv erhalten, daß der Haß seine Bemühungen — so weit wir persönlich in Betracht kommen — nicht zur Reife bringen kann. Dasselbe ist der Fall in Bezug auf die anderen christlichen Tugenden. Weil der Irrtum im menschlichen Wahne stets aktiv ist, müssen wir ganz besonders darauf achten, daß das Gute in unseren Gedanken immer die Oberhand behält und wirksam ist. Unsere Freiheit bemißt sich nach unserem Fleiß, unserer Treue und unserer Liebe zum Guten.

Gott, das himmlische Prinzip, ist jederzeit bereit, das Gute zu belohnen. Der Prophet Jesaja erklärt: „Eure Sünden wenden solch Gut von euch.” Wenn sich daher der Verwirklichung unserer rechtmäßigen Wünsche ein Hindernis entgegenstellt, können wir sicher sein, daß unser eigenes Ich der Berichtigung bedarf. Wir können nie fehlgehen, wenn wir die Hindernisse auf unserem Weg zum Himmel in uns selbst suchen anstatt in unserer Umgebung. Der Wahn, daß der Mensch seinem wahren Wesen nach böse sein kann, bedarf unserer Aufmerksamkeit weit mehr als der Wahn, daß er krank sein kann, und es mag wohl manchmal nötig sein, die Folgen des ersteren zu beseitigen, ehe völlige Unabhängigkeit von dem letzteren erreicht werden kann.

Wer sich selbst erkennen will muß durch die Kruste seiner Selbstgefälligkeit graben und mit der Fackel der Wahrheit in der Hand die geheimsten Winkel seiner Gedanken durchforschen. Keine gute Hausfrau duldet Schmutz und Unordnung; hingegen, ist es nicht Tatsache, daß wir in geistiger Hinsicht das Vorhandensein vieler unreiner und sündhafter Dinge gestatten? Mangel an Selbsterkenntnis ist unsere einzige Entschuldigung, wenn wir uns als Werkzeug der Sünde hergeben; das Gesetz der Gerechtigkeit wird uns jedoch die darauffolgende Strafe nicht ersparen. Wir fragen oft in großer Ungeduld, warum wir nicht schneller aus unseren unharmonischen Verhältnissen erlöst werden. Sollten wir nicht lieber die Frage an uns richten: Warum bin ich so saumselig in der Erfüllung meiner Pflicht, meinen Nächsten zu lieben wie mich selbst? Warum bin ich nicht schneller bereit, den Groll abzulegen und das mir erwiesene Unrecht zu verzeihen? Warum entsage ich so ungern der Eifersucht, dem Stolz und dem Eigenwillen? In dem Gleichnis vom verlorenen Sohne lief der Vater seinem Sohne erst dann entgegen, als dieser seine Sünden eingesehen und bereut hatte, und als er in Demut und Selbsterniedrigung zu seinem Vater eilte.

Die Behauptung, daß Gott gut ist, daß er Alles ist, daß es außer ihm keinen anderen gibt, ist ganz richtig, denn es sind dies biblische Wahrheiten; wir dürfen uns jedoch solcher Behauptungen nicht bedienen um heimliche Irrtümer, welche sich unverneint in unserem Geisteszustand verborgen halten, zu bemänteln. Als logische Folge der Behandlung in der Christian Science werden unser Denken und unsere Erfahrung mit unserer Behauptung der Wahrheit in Übereinstimmung gebracht. Wenn sich in unserem geistigen Haushalt ein Gast befindet, der kein hochzeitlich Kleid an hat, der nicht das Kleid der Wahrheit trägt, so müssen wir denselben hinausweisen. Oder wenn allem Anschein nach ein Feind in unserem Reich sein Lager aufgeschlagen hat, so erfordert unsere Sicherheit, daß wir ihn sofort vertreiben.

Unsere Arbeit muß spezifisch sein. Ein Radfahrer, dessen Gummireif ein Loch bekommen hat, wird bei der Reparatur weder die ganze Oberfläche mit Flecken bedecken, noch wird er aufs Geratewohl da und dort einen Flecken hinkleben. Nein, er wird sich bemühen, die genaue Lage der schadhaften Stelle zu entdecken, worauf die Arbeit in kurzer Zeit vollendet ist. Die Wahrnehmung körperlicher Disharmonie kommt oft als ein Warnungssignal, welches uns darauf aufmerksam macht, daß im Inneren etwas nicht in Ordnung ist. In solchen Fällen tun wir wohl daran, das Licht aufzudrehen und den Friedensstörer in unseren Gedanken zu suchen anstatt in der Materie. Wir sind tatsächlich alle zu sehr im Unklaren über unseren vorherrschenden Geisteszustand. Wir haben alle zu viel Nachsicht und Mitleid mit uns selbst, beurteilen unser eigenes Ich zu oberflächlich, und erwarten dann seitens der Wahrheit dasselbe Verfahren; erwarten, daß uns die Wahrheit von unseren Mühseligkeiten befreien werde, ob wir nun viel oder wenig gebetet, ob wir unsere Aufgabe gut oder schlecht gelöst haben. Die Wahrheit reinigt nicht bloß die Außenseite. „Was zum Munde ausgehet, das verunreiniget den Menschen”; deshalb muß das Werk der Reinigung im Inneren beginnen und sich auf die Außenseite erstrecken. Nur dann hat es bleibenden Wert.

Das Reinigen unserer Gedankenwohnung ist doch gewiß von größerer Wichtigkeit — selbst vom gesundheitlichen Standpunkte aus betrachtet — als das regelmäßige scheuern und putzen unserer Häuser. Mögen wir nun Heiler in der Christian Science oder Patienten sein — die geheimen Winkel der Gedanken müssen erhellt werden, und wir müssen die Irrtümer, welche sich da versteckt haben, herausfordern und zerstören, wenn wir in unserer Arbeit freimütig und erfolgreich sein wollen. Diejenigen, welche wegen ihres langsamen Fortschrittes zuweilen ungeduldig werden, sind oft sehr geduldig, ja sogar sehr nachsichtig mit ihrer Mangelhaftigkeit und ihren Versäumnissen. Wir begehen den Fehler, daß wir unseren Fortschritt nach physischen, anstatt nach moralischen und geistigen Zuständen bemessen. So machen wir uns z. B. wegen eines scheinbar sehr peinlichen Hühnerauges weit mehr Sorgen als wegen unserer Nachsicht mit unserem Eigenwillen, unserer Eifersucht und unserem Stolz. Oder wir hegen gegen unseren Mitmenschen ein Gefühl des Hasses, und sind darüber nicht halb so besorgt als über eine wunde Stelle im Fleische.

Wäre es nicht klüger die Sache umzudrehen, so daß uns das störende Vorhandensein der Selbstsucht, der Lieblosigkeit, des Grolles und der Gereiztheit mehr beunruhigt als das scheinbare Vorhandensein eines körperlichen Schmerzes? Würde uns Gott unsere Bedürfnisse nicht eher zukommen lassen, wenn wir mehr über unseren Mangel an Christus-Ähnlichkeit und Reinheit besorgt wären als darüber, daß ein körperliches Organ seine Funktionen nicht verrichtet? Solange unser Streben mehr auf das Überwinden körperlicher Disharmonie gerichtet ist als auf das Überwinden des Irrtums, welcher uns unserer Gottesähnlichkeit beraubt, so lange werden wir uns nicht zum wahren Verständnis unserer Bedürfnisse emporschwingen können. Aus diesem Grunde werden unsere Gebete nicht immer gleich erhört.

Man darf die Wichtigkeit und die Pflicht der Heilung nicht unterschätzen, denn die Christian Science bezeichnet die Krankheit als einen Irrtum und heilt sie vermittelst der Wahrheit. Hingegen muß man nicht vergessen, daß die Christian Science weit mehr bedeutet als einen ärztlichen Beruf, in dem nur körperliche Besserung in Betracht kommt. Obgleich die Heilung der Kranken und die Linderung menschlicher Leiden an und für sich ein erhabenes und von der christlichen Tätigkeit untrennbares Werk bilden, so finden doch die Christian Scientisten ihren höchsten Ruhm und ihre höchste Belohnung in der geistigen Erneuerung — die Folge ihrer Demonstration der Christian Science.


Das ist nicht des deutschen Größe,
Obzusiegen mit dem Schwert;
In das Geisterreich zu dringen,
Männlich mit dem Wahn zu ringen,
Das ist seines Eifers wert.

Im inneren Heiligtum des Menschen lassen sich die Ideale der Freiheit und Schönheit verwirklichen. —

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