Christus Jesus erklärte: „Niemand kann zween Herren dienen,” und in unserem Lehrbuch „Science and Health“ heißt es: „Wir können nicht zu gleicher Zeit der Physiologie und dem Geiste gehorchen” (Seite 182). Der Kampf in der menschlichen Gedankentätigkeit zwischen den entgegengesetzten Begriffen des Guten und des Bösen, zwischen dem geistigen und dem materiellen Bewußtsein, deutet darauf hin, daß sich ein jeder Mensch entscheiden sollte, welches Bewußtsein er als wahr aner ennen und welchem er sich hingeben will. Die entscheidende Frage muß sein: Welches Bewußtsein repräsentiert die Wirklichkeit und welches bietet die beste Belohnung für den ihm geschenkten Glauben? In welchem findet die Menschheit den meisten Vorteil und eine dauernde Befriedigung? Welches ermuntert sie zu guten Werken, zu innerer Reinheit, zur Nächstenliebe und Wohltätigkeit, und welches bringt sie am nächsten zu Gott? Welches verkörpert am besten die Idee der Unsterblichkeit, d. h. die Idee, daß der Mensch Gottes Ebenbild ist? Es ist klar, daß wir nur einen Begriff als unser Ideal festhalten können, denn Paulus sagt: „Das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch. Dieselbigen sind wider einander.”
Die Sterblichen schwanken in der Regel zwischen diesen beiden Gegensätzen, bis die selbstauferlegte Strafe — die Folge ihrer Irrtümer — sie endlich dazu treibt, in der Wahrheit, im Geistigen, Frieden und Schutz zu suchen. Warum sollten sie aber warten, bis das Leiden sie zur richtigen Entscheidung nötigt? Schon ihr Selbsterhaltungstrieb, ganz abgesehen von ihrer religiösen Erziehung, sollte sie dazu bewegen, sich dahin zu wenden, wo sie den reicheren Segen zu erwarten haben, wo ihnen die sicherere Hoffnung auf Freiheit und Glückseligkeit angeboten wird. In Anbetracht der menschlichen Zustände und der Leiden, welchen die Erdbewohner unterworfen sind, ist es nicht ein Wunder, daß die Menschen fortfahren dem zu huldigen, welches sie von jeher mit Verderben oder Elend belohnt hat?
Jesus erklärte, es sei unmöglich, zu gleicher Zeit mehr als einem Herrn zu dienen oder mehr als einen Glauben zu haben. Es wäre uns von großem Vorteil, wenn wir uns betreffs dieser wichtigen Sache prüfen würden, um zu erfahren, ob unser Gehorsam gegen Gott als den, der Alles in allem ist, den göttlichen Anforderungen entspricht. Setzen wir unser höchstes Vertrauen auf den Geist, oder glauben wir an das Übel und dienen demselben? Der Glaube an das Übel bedeutet dasselbe Maß des Mißtrauens gegen Gott, wie auch ein Gewicht nicht zugleich in beiden Wageschalen liegen kann. Jesus lehrte seine Anhänger, sie sollten Gott allein die Dinge geben, welche Ihm gehören; statt dessen ist sich aber fast die ganze Christenheit darüber einig, diese Dinge dem Kaiser zu geben. Man hat die menschlichen Ansichten und Meinungen über den Menschen, d. h. die auf menschlichen Beobachtungen beruhenden Folgerungen, sowie die Mittel und Wege der materiellen Sinne dem Erlösungsplan, wie ihn Jesus demonstrierte und in seinen Lehren verkörperte, vorgezogen. Ohne die Absicht zu haben, tadelsüchtig und widerspruchsvoll zu sein, wollen wir uns frei und offen fragen, was unser Glaubensbekenntnis von uns verlangt, und ob unser Dienst Gott oder dem Mammon geweiht ist.
Das Lehrbuch der Christian Science, „Science and Health,“ von Mrs. Eddy, erklärt: „Die Oberherrschaft des Geistes bildet die Grundlage, auf welcher Jesus baute” (Seite 138). Kein denkender Mensch kann diese Behauptung verneinen. Da wir nun derselben beistimmen müssen, so gibt es keinen Punkt in unserem christlichen Bekenntnis, wo wir die angebliche Oberherrschaft der Materie als Gesetz, Substanz, Intelligenz oder Kraft folgerichtig zugeben können. Die Wahl eines Herrn ist hier durch eine genaue Grenzlinie bezeichnet; eine Grenzlinie, die keine menschliche Meinung auslöschen und mit welcher keine menschliche Meinung ein Übereinkommen treffen kann. Das Materielle hat weder göttlichen Ursprung noch göttliche Natur, und steht mit dem christlichen Glaubensbekenntnis in keiner Gemeinschaft; anderenfalls hätte uns Paulus nicht ermahnt, daß wir uns von der materiellen Welt absondern sollen. Wenn mit dem Geistigen auch das Materielle von Gott kommt, haben die Sterblichen kein Seelenheil zu bewirken, keine Selbstverleugnung zu üben, kein Kreuz zu tragen. Eine solche Annahme vernichtet sich selbst, in der Theorie wie in der Praxis, und zwingt uns zu entscheiden, ob der Geist oder die Materie, das Gute oder das Böse, Gott oder der Mammon unser Gott, unser Schöpfer, Gesetzgeber und Erlöser sein soll.
Jesus erklärte, daß wir nur dann seine Jünger sein können; wenn wir alles verlassen und Christo nachfolgen. Ohne Zweifel nahm er hier Bezug auf die vergängliche Annahme, daß das Leben, der Geist und die Wirklichkeit im Fleische wohnen und daß sie von Gott getrennt seien. Diese Annahme muß man aufgeben um den idealen Christus zu erkennen. Sind wir bereit, diese Regel als die Norm unseres persönlichen Christentums zu wählen? Erkennen wir Jesum Christum in allen Verhältnissen als den Wegweiser an, dessen Lehre und Beispiel wir einzig und allein mit Sicherheit folgen können? Glauben wir, daß seine Erkenntnis Gottes, des göttlichen Prinzips; daß sein Verständnis der Gesetze des Lebens und der Gesundheit, der Wahrheit in Bezug auf die Vaterschaft Gottes und die Sohnschaft des Menschen, sowie alles dessen, was auf die Erlösung Bezug hat: glauben wir daß alles das von höherer Bedeutung war als die Wissenschaft unserer Weltweisen — unserer Physiker, Bakteriologen, Ärzte und Theologen, deren Aussagen und Folgerungen nicht mit den Lehren Jesu Christi übereinstimmen? Glauben wir, daß seine Erkenntnis Gottes und der göttlichen Gesetze des Daseins, welche ihn aufwärts führte bis zur höchsten Demonstration des ewigen Lebens: daß diese Erkenntnis glaubwürdiger und zuverlässiger ist als die Folgerungen derjenigen, welche den Ursprung des Lebens in der Materie suchen, und welche mit all ihrem Wissen Jesu Beispiel nicht nachahmen, seinen Erfolg in der Krankenheilung nicht erreichen können, die aber nichtsdestoweniger sich unterwinden zu beurteilen, ob ein Mensch krank oder gesund sein wird, ob er am Leben bleiben kann, oder ob er sterben muß?
Der große Lehrmeister erklärte ferner: „Sehet, ich habe euch Macht gegeben ... über alle Gewalt des Feindes [der Materie, des Übels]; und nichts wird euch beschädigen.” Glauben wir das? Erkennen wir diese Worte an als Erklärung einer Wahrheit, welche zwecks der Linderung und der Vorbeugung menschlicher Leiden anwendbar ist? Da wir uns entscheiden müssen, einerseits für die Krankheitskeime und Bazillen und deren angebliche Fähigkeit, des Menschen Gesundheit zu zerstören, oder andererseits für die Kraft Christi, welche Heilung und Schutz bietet: wie sollen wir als Christen wählen? In welcher Weise handeln die Nachfolger unseres Herrn mehr im Einklang mit seinen Lehren: wenn sie die ärztlichen Aussagen über die Gewalt der Krankheit ohne irgend welchen Zweifel und Protest annehmen, oder wenn sie sich der Täuschung wiedersetzen, daß es außer Gott eine Macht gebe, und wenn sie Christum als den einzigen Arzt anerkennen?
Ist es nicht sonderbar, daß fast gar kein Zweifel herrscht über die scheinbare Kraft des Klimas, des Wassers, der Nahrungsmittel und anderer Dinge, durch deren Wirkung der Mensch angeblich krank und leidend wird, während Gottes Macht und Bereitwilligkeit, den Menschen gesund zu machen und gesund zu erhalten so allgemein in Frage gestellt wird? Und ist es nicht seltsam, daß wir, die wohl auch dieses Vergehens schuldig sind, uns der Täuschung hingeben können, daß wir Gott dienen, wenn wir doch tatsächlich einem anderen Herrn untertan sind? Haben wir einen richtigen Begriff von der Allmacht Gottes, von seiner Liebe und Fürsorge, wenn wir dem Übel solche Macht zuschreiben; wenn wir uns Gesetzen unterwerfen, die nicht Gottes Gesetze sind, die den Menschen nicht besser machen, sondern die Furcht, Sünde, Krankheit und Tod verursachen? Von einem Atheisten kann man erwarten, daß er das Dasein und die Eigenschaften Gottes bezweifelt und verneint, aber nicht von denjenigen, welche behaupten, Ihm zu dienen. Wir mögen wohl die ungläubigen Äußerungen eines Skeptikers bedauern; sie sind jedoch sehr geringfügig im Vergleich mit der Handlungsweise vieler Leute, die sich für streng religiös ausgeben. Ein theoretischer Gläubiger ist nicht besser als ein theoretischer Ungläubiger, es sei denn daß sein Lebenswandel den Vorzug seines Glaubens beweist. Es ist gewiß weit bedauernswerter, wenn wir unseren Glauben an Gott bekennen und zugleich die Klugheit und Ratsamkeit eines völligen Vertrauens auf Ihn verneinen, als wenn wir allen Glauben an Ihn verleugnen. Machen wir uns nicht einer solchen Inkonsequenz schuldig, wenn wir die Allmacht Gottes, die Allmacht des Guten, anerkennen und dann zu gleicher Zeit die einzige logische Folgerung, daß es keine andere Macht geben kann, als unwahr erklären?
Nur einem Herrn zu dienen bedeutet, daß wir keinen anderen Dienst haben. Die Menschen sollten sich den göttlichen Anforderungen nicht entziehen, wenn anders sie das Gute, welches ihnen als Belohnung für die Befolgung dieser Anforderungen in Aussicht gestellt wird, empfangen wollen. Das göttliche Prinzip läßt sich nicht geringschätzig behandeln. Selbst der sterbliche und wandelbare Mensch nimmt es übel, wenn ihm seine Freunde kein Vertrauen, oder nur ein halbes Vertrauen schenken. Wie können wir da erwarten, daß dem lieben Gott derartiges angenehm sei? Der heiligen Schrift gemäß verlangt er unser völliges Vertrauen, unsere ganze Liebe und unseren unbedingten Gehorsam. Selbstredend kann man das Übel — ob groß oder klein — nur auf Unkosten des Guten anerkennen. Je mehr wir andere Mächte außer der Macht Gottes als zur Wirklichkeit gehörend betrachten, desto mehr verlieren wir unseren Glauben an die göttliche Unendlichkeit. Unsere religiösen Ansichten mögen zwar sehr auseinander gehen; eine fundamentale Tatsache müssen wir jedoch alle zugeben, nämlich, daß der Geist und das Fleisch einander in unversöhnlicher Feindschaft gegenüberstehen; daß nicht beide mit Erfolg unser Vertrauen haben und unsere Gebieter sein können.
Wir wollen etwas eingehender über diese bedeutungsvolle Sache miteinander reden. Da es nur eine Oberherrschaft gibt, sollten wir uns klar bewußt werden, wo dieselbe zu finden ist. Indem wir nur eine vorherrschende Liebe, nur einen hauptsächlichsten Glauben haben können, wollen wir sicher sein, daß Gott deren Empfänger ist. Unsere Entscheidung bestimmt unseren Standpunkt und unsere Handlungsweise; sie bemißt unsere zukünftigen Lebenserfahrungen. Die Frage ist nicht, für welchen Glauben, sondern für welchen Dienst wir uns entscheiden wollen. Nicht unser Glaubensbekenntnis, sondern die Früchte unseres täglichen Lebens, unsere Dienstleistungen beweisen die Wahrheit oder den Irrtum unseres Standpunktes.
Jesus kam, um uns von dem Bewußtsein des Übels, der Sünde und der Sinnlichkeit zu befreien; ja, von der falschen Meinung, daß es noch etwas gebe außer Gott, in welchem „wir leben; weben und sind,” und welchen wir angeblich als Herrn anerkennen. Welche Stellung gebührt dem Christen diesem scheinbaren Etwas gegenüber, welchem Dasein und Macht zugeschrieben wird, und welches doch nicht Gott ist? Sollen wir es annehmen oder verwerfen? Die Tatsache, daß die Sterblichen einen Erretter von dieser Annahme und ihren Folgen nötig haben, bezeichnet sie als ein Übel; als etwas, das unseres Vertrauens und unseres Gehorsams nicht wert ist. Wie können wir mit gutem Gewissen behaupten in den Fußstapfen Jesu zu wandeln, da wir uns doch in die Zustände, deren Zerstörung er sich zur Aufgabe machte, so willig fügen? In welcher Weise ist er unser Erlöser, wenn wir das für wahr halten, was er verneinte und was wir früher oder später überwinden müssen um Christo gleich zu werden?
Die Dienstbarkeit unter der Herrschaft des Glaubens an das Materielle hat den Sterblichen noch nie Segen, sondern immer nur Fluch gebracht. Dieser Glaube neigt ganz und gar zur Sinnlichkeit und Sünde und zu den mitfolgenden Leiden. Das Endergebnis des Glaubens an materielle Gesetze ist Tod und Verwesung, ohne Ausnahme und ohne Gnade. Dieser Glaube macht keinen Unterschied zwischen dem Christen und dem Atheisten, zwischen dem Sünder und dem Frommen, sondern er sagt zu einem jeden: „Der Mensch ist mein rechtmäßiges Opfer. Unter meiner Herrschaft muß er die Leiden des Fleisches erdulden; er muß auf einem qualvollen Krankenbett liegen, muß verstümmelt, verwachsen, blind und arm sein, muß unaussprechliches Elend erdulden, bis Altersschwäche und Tod zuletzt ein Ende mit ihm machen. Einen Ausweg gibt es nicht.” Sollen wir dem beistimmen oder sollen wir es verneinen? Wenn die Sterblichen glauben, es gebe eine solche Macht, was können sie dann von dieser Seite anders erwarten als den Verlust alles dessen, was ihnen am Leben, wie sie sich dasselbe denken, teuer ist? Was gibt es da weiter zu tun als den letzten Heller, den der Glaube an materielle Gesetze verlangt, zu bezahlen?
Gott straft niemand, der ihm dient, noch belohnt er Treue und Gehorsam mit Krankheit und Tod. Es ist eine Sünde, die göttliche Liebe für all das Elend, in welchem sich die Menschheit befindet, verantwortlich zu machen. Der schwere Tribut, den die Sterblichen in der Form von Leiden und Trübsal zahlen, ist nicht von Gott auferlegt. Die Menschen haben sich von Gott abgewandt, um anderen Göttern zu dienen, und ihre Leiden sind der Lohn solcher Dienstbarkeit. Wir haben nur dann einen allerhöchsten Gott und einen Meister, Christum, wenn wir Gott und Seine geistige Idee oder Schöpfung als Alles in allem anerkennen. Dadurch, daß wir dem Übel Macht zuschreiben, an das Materielle glauben und den Lüsten des Fleisches dienen; mißachten wir das erste Gebot und dienen anderen Göttern. Ein solcher Dienst wurde stets mit Kummer und Tod belohnt. Der Glaube an das Übel, d. h. der Glaube, daß das Gute nicht unendlich ist, kann doch nur böse Folgen haben. Die menschliche Philosophie legte von jeher mehr Gewicht auf das vermeintliche Dasein der Materie, und schrieb ihr endlich alle Kraft zu, während das Vertrauen auf Gott, den einen Geist, in demselben Verhältnis abnahm und zuletzt fast ganz verschwand. Wie kann das gute Folgen haben? Ist wohl ein traurigeres Schicksal denkbar als das, welches sich die Menschen durch ihren Glauben an das Übel auferlegen?
Können Glaubensbekenntnisse Glaubenslehren und Gebet das menschliche Elend lindern, solange die Sterblichen behaupten, dasselbe sei eine göttliche Zulassung und man könne demselben daher nicht entrinnen? Wie kann irgend jemand, der sich Gott als die ewige Liebe denkt, erklären, daß die materiellen Gesetze Gottes Gesetze seien, da sie doch die Menschheit in solch grausamer Gefangenschaft halten? Gottes Gesetze repräsentieren die Kundgebungen des göttlichen Willens, in welchem der Mensch und das Weltall als Seine vollkommene Schöpfung auf ewig bestehen. Ehren wir Gott oder verunehren wir Ihn, wenn wir uns willig einem vermeintlichen Gesetz unterwerfen, welches Sünde, Schmerz und Unglück bewirkt? Ist der Geist der Erlöser der Menschheit und des Christen rechtmäßiger Herr, oder ist es die Materie? Welcher von diesen beiden Herren hat ein Recht auf unseren Glauben und unser Vertrauen? Welcher besitzt die größere Fähigkeit, dem Menschen Ruhe, Kraft und Erlösung zu bringen? Jesus erklärte: „Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht”; hingegen ist das Joch der materiellen Anschauung drückend und grausam, und es zerstört des Menschen Glück und Gesundheit. Wenn wir an das unbedingte Vertrauen denken, welches die Christen im Allgemeinen auf die sogenannte materielle Wissenschaft setzen, drängt sich uns die Frage auf: Sind dies die Zeichen der Wiederkunft Christi?
Wenn es wahr wäre, daß die treuliche Befolgung der christlichen Lehren keinen Schutz gewähren gegen den Dämon eines übertretenen materiellen Gesetzes, dann könnte Gott unmöglich der Herrscher des Weltalls sein, und der Materialismus wäre an Christi Statt unser Meister. Das ist aber nicht der Fall. Das Leben Jesu ist ein stehender Verweis für eine solche Annahme. Die materiellen Gesetze, welche die Sterblichen fürchten und welchen sie gehorchen, wurden durch Jesu Verständnis der Wahrheit sowie durch den kindlichen Glauben seiner ersten Nachfolger unwirksam gemacht, obgleich diese Gesetze damals nicht weniger positiv und wesentlich waren als sie es jetzt sind. Warum bezweifeln wir dann, daß wir Christo in unserer Zeit ebenso treulich und erfolgreich nachfolgen können wie die Christen im ersten Jahrhundert?
Selbst der Ungläubige erklärt, man könne erwarten, daß sich das Christentum heutzutage als ebenso tatkräftig beweise, wie zur Zeit, da es der Menschheit zuerst geoffenbart wurde. In Übereinstimmung mit dem Fortschritt der Menschheit sollte es heutigestages leichter sein, die Kranken zu heilen und die Übel auszutreiben als vor neunzehnhundert Jahren, und es wäre leichter wenn sich die Welt im Allgemeinen nicht von den Methoden und Vorschriften Jesu abgewandt hätte. Wir wollen hoffen — und es deuten alle Anzeichen darauf hin —, daß die Erscheinung der Christian Science den Wendepunkt bildet in der Richtung einer der Wahrheit näher kommenden und einer eingehenderen Erklärung der Lehren Jesu; in der Richtung eines mehr praktischen Verständnisses der Bedeutung und des Zwecks seines Heilungswerkes.
Wir dürfen in dem menschlichen Drama nicht als müßige Zuschauer dastehen. Ein jeder hat seine Rolle zu spielen; ein jeder hat das Problem seiner menschlichen Bestimmung auszuarbeiten. Das Gute und das Böse, das Materielle und das Geistige, kämpfen um die Oberherrschaft in unserem Bewußtsein und in unseren Handlungen. Wir müssen entweder für die eine, oder die andere Seite Stellung nehmen. Die Wahl ist unvermeidlich. Es entsteht daher die wichtige und dringende Frage: für welche Seite ist es ratsam sich zu entscheiden. Das Übel, an welches die Sterblichen geglaubt und welchem sie gehorcht haben, hat auf seiner Bahn durch die Jahrhunderte nichts als Verbrechen und Leiden hinterlassen. Sein Einfluß in unserem Bewußtsein und in unseren Lebenserfahrungen zeigt klar und deutlich, daß man ihm nicht glauben und es nicht anerkennen darf. Das Wohl der Menschheit und der Weltfriede verlangen eine solche Zurückweisung. Es ist eine Torheit wenn wir denken, das Übel habe aus dem Grunde Macht, weil unser Gehorsam gegen dasselbe uns zu bösen Taten führt, die wir doch wissen sollten, daß es keine Gewalt über uns hat, so lange wir uns fest an die Tatsache des Guten und dessen Allmacht halten. Niemand, der nicht den Versuchungen des Übels folgen und dessen Diener werden will, sollte die Macht und die Wirklichkeit desselben zugeben. Wenn wir „dem Herrn dienen” wollen, wie Josua den Israeliten gebot, so erfordert unsere Treue gegen Gott, daß wir keine anderen Götter, Geister, Mächte noch Gesetze anerkennen. Handeln jedoch die Sterblichen nicht tagtäglich mehr oder weniger gegen diese Anforderung?
Wenn wir an einen Gott glauben, warum weihen wir nicht Ihm allein unseren Dienst? Wir müssen seine Allmacht hier und jetzt, in allen Verhältnissen anerkennen und nicht denken, daß er erst dann allmächtig sein wird, wenn unser vergänglicher Begriff des Himmels und der Erde verschwunden ist. Nur unser Unglaube und unsere Furcht können uns von einer solchen Anerkennung abhalten. Was verhinderte die Israeliten, dem Herrn zu dienen, wie Moses und Josua es wünschten? War es nicht ihre falsche Meinung, daß das Übel dem Menschen Befriedigung und Genuß bereiten könne? Sobald sie sich vom Übel abwandten und den Geboten Gottes gehorchten, kehrten Friede und Wohlergehen zu ihnen zurück. Man ersieht hieraus, daß nur ihre verkehrten Ansichten sie zur Sünde verleiteten. Durch die Christian Science ist der heutigen Menschheit ein helles geistiges Licht aufgegangen, unter dessen Strahlen das Gute und das Böse, das Geistige und das Materielle in ihrer wahren Natur erscheinen, nämlich als die Wirklichkeit und die Unwirklichkeit des menschlichen Daseins. In unserem Lehrbuche, „Science and Health,“ lesen wir: „Wenn die Menschen verständen, daß ihre wahre geistige Quelle nur eine Quelle der Glückseligkeit ist, würden sie zum Geistigen ihre Zuflucht nehmen und Frieden haben.”
In dem Maße ihres Verständnisses demonstrieren die Christian Scientisten heutzutage, was Jesus zu Anfang des christlichen Zeitalters demonstrierte, nämlich, daß die göttliche Wahrheit der Erlöser ist von allem Übel; daß sie der Arzt ist, welcher alle Schmerzen und Krankheiten heilt; der Befreier von aller Sünde, Betrübnis und Ungerechtigkeit. Ein jeder von uns sollte sich fragen: Bin ich bereit, allen anderen Dienst aufzugeben, das Materielle weniger und das Geistige mehr zu lieben, damit die erlösende Kraft der Christus-Wahrheit bei mir in höherem Grade zum Ausdruck kommen möge? Mit welchem Maße die Sterblichen messen, wird ihnen wieder gemessen werden. Nur durch unsere persönliche Treue gegen Gott können wir den ersehnten Frieden und die ersehnte Glückseligkeit erlangen. Indem wir wissen, daß unser Gehorsam gegen irgend eine vermeintliche Macht außerhalb der Macht Gottes nur in selbstauferlegter Strafe enden kann, sollte uns da nicht der gesunde Menschenverstand von solchem Gehorsam abhalten? Der Steuermann eines Schiffes vermeidet sorgfältig die gefährlichen Küsten und Kanäle, wo Felsenriffe drohen. Sollten die Sterblichen nicht mit derselben Vorsicht den Kurs vermeiden, wo ihnen moralischer und physischer Schiffbruch droht?
Da doch der Mensch so gerne bereit ist, in geschäftlichen Angelegenheiten aus Erfahrungen Nutzen zu ziehen, so könnte man gewiß erwarten, daß ihn seine traurigen Erlebnisse und die seiner Sünde folgende Strafe dazu bewegen würden, seinen Dienst von dem Übel auf das Gute zu übertragen. Es wäre doch vernünftig, wenn er dies wenigstens versuchsweise tun würde, um zu erfahren, was Gott dem bereitet, der Ihm denselben Glauben und denselben Gehorsam schenkt, welche bisher dem Übel gehörten. Ein Kaufmann wird nicht lange mit einer Firma in Verbindung stehen, die ihn regelmäßig betrogen hat und deren Produkte immer schlecht waren. Wenn ihm eine andere Firma bekannt ist, deren Handlungsweise sich stets als ehrenhaft erwiesen hat, deren Ruf tadellos ist und deren Waren immer gut waren, würde er nicht dieser Firma seine Kundschaft zuwenden? Gibt es einen Menschen aus tausend, der sich in materieller Hinsicht fortwährend täuschen und betrügen läßt, wenn er die Gelegenheit hat einer solchen Behandlung zu entgehen?
Die Anwendung ist klar. Durch all die Jahrhunderte haben die Sterblichen dem Wahne gefrönt, daß es außer Gott noch eine Macht gebe, möge nun dieselbe als Materie, Fleisch, Irrtum oder Übel bekannt sein. Und was waren die Folgen? Der Mensch wurde um Glück, Frieden, Unschuld, Gesundheit und Rechtschaffenheit betrogen; nichts als Übel war seine Belohnung. Dieser falschen Macht gegenüber steht die Wahrheit der Unendlichkeit Gottes, der alleinigen Macht, des alleinigen Geistes; die Wahrheit, welche Jesus als über alles Übel erhaben demonstrierte; die Wahrheit, welche alle Dinge zurückerstattet, um welche der Irrtum die Menschheit betrogen hat.
Welcher Diener würde im Dienste eines Herrn bleiben, der ihn schmäht und mißhandelt, während ihm bei einem anderen Herrn, welcher ihn mit Wohlwollen und Liebe behandeln würde, eine Stelle offen steht? Welchen Segen hat das Vertrauen auf die Materie dem Menschen je gebracht, daß er so bereit sein sollte, deren Diener zu sein, ihre Bedingungen zu erfüllen und allein von ihr Erlösung von Schmerz und Unglück zu erwarten? Warum sollten wir materielle Gesetze ohne Protest anerkennen? Haben sie uns jemals etwas Gutes gebracht? Haben sie jemals den Sterblichen vom Tode, aus der Sklaverei der Furcht oder aus der Hölle des Wüstlings errettet? Selbst wenn wir das Beste in Betracht ziehen, was uns materielle Kenntnis eingetragen hat, müssen wir fragen: Was hat diese Kenntnis ausgerichtet, daß wir sie der Kenntnis Gottes und seines geistigen Gesetzes vorziehen sollten; des Gesetzes, vermöge dessen Jesus jedes physische Gesetz der Krankheit und des Todes als machtlos erwies und so den Weg eröffnete, auf welchem die Sterblichen das Reich Gottes auf Erden erreichen können? Sind wir von der göttlichen Liebe, Güte und Barmherzigkeit jemals, wenn wir sie auf die Probe gestellt haben, im Stiche gelassen worden, daß wir jetzt anderen Göttern dienen und uns an eine vermeintlich neben Gott bestehende Macht wenden sollten? Hat uns ein solches Vertrauen jemals Schutz gegen die Stürme des Übels gebracht? Hat es uns jemals von einem einzigen Schmerz und Kummer befreit und zu einer einzigen himmlischen Hoffnung oder Bestrebung angetrieben?
Ist es nicht an der Zeit, daß der Bann des religiösen Aberglaubens gelöst werde; der Bann, welcher die Menschen so lange von der Ausübung ihrer von Gott verliehenen Macht über die falschen Anmaßungen des Übels und der Materie abgehalten hat? Ist nicht die Zeit gekommen, da die Menschheit anfangen sollte demjenigen, welches ihnen nur Übel, Leiden und Tod gebracht hat, immer weniger Gewalt und Wirklichkeit zuzuschreiben? Ist es neunzehn Jahrhunderte nach dem Erscheinen der Christus-Idee nicht hohe Zeit, daß alle diejenigen, welche diese Wahrheit annehmen, sich der Macht entsagen, welche Christus als falsch und ohnmächtig bewiesen hat, und welche die Quelle alles menschlichen Elends ist? Sollten wir nicht anfangen einzusehen wie töricht es ist, wenn man versucht, zwei Herren zu dienen: der Materie und dem Geist, Christo und der sinnlichen Welt? War es nicht an der Zeit, daß die Christian Science kam, um das Christentum von der Gewalt des Materialismus, des Formenwesens und der Weltklugheit zu erretten und der Menschheit zu zeigen, daß es ihnen möglich ist, und daß ihre Pflicht es erfordert, Christo nicht nur in der Lehre, sondern auch in der Tat nachzufolgen?
Wenn wir nur einen unendlichen Gott haben, so bedeutet das, daß wir außer ihm keine Macht oder Wirklichkeit anerkennen. Nur einen Herrn und Meister, Christum zu haben heißt, daß wir nur auf dem Wege wandeln, auf welchem er wandelte, und welchen er seinen Jüngern zeigte. Wenn das unser Bestreben ist, dann sind wir in der Tat Christian Scientisten. Dann werden wir die Aufrichtigkeit unseres Glaubens dadurch beweisen, daß wir die Kranken heilen und das Evangelium von Gottes unendlicher Vollkommenheit predigen.
Der wahre, lebendige Glaube ist voll Kraft und Liebe, voll Gerechtigkeit und Gottseligkeit, voll Demut und Geduld, und treibt alles von sich, was diesem entgegen ist, schafft, wirkt alles, was dazu förderlich ist.
Laßt uns fröhlich sä’n,
Im Nebel auch;
Die Ernte kommt gewiß.
Der gelassene Wille trauet Gott und hoffet alles Gute von Ihm; aber der eigne Wille regiert sich selber; dann hat er von Gott abgebrochen.
Copyright, 1908, by Mary Baker G. Eddy.
Verlagsrecht 1908, von Mary Baker G. Eddy.
