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Vergebung.

Aus der November 1909-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Christian Science Monitor


Um zu verstehen, was Vergebung bedeutet, muß man zuerst verstehen, was ein Vergehen ist, und um zu verstehen, was ein Vergehen ist, muß man wenigstens etwas vom Prinzip verstehen. Das Prinzip ist in der Christian Science gleichbedeutend mit Gott, dem göttlichen Geist. Deshalb sagt Mrs. Eddy: „Das Prinzip ist absolut. Es läßt keinen Irrtum zu, sondern beruht auf Verständnis” („Science and Health,“ S. 283). Die Gesetze Gottes sind also die unverletzbaren Vorschriften des göttlichen Geistes, bei dem — nach den Worten des Apostels Jakobus —„keine Veränderung noch Wechsel des Lichts und der Finsternis” ist. Selbst vom Standpunkte der Naturwissenschaft aus betrachtet ist das Gesetz unumstößlich. Wenn ein Gesetz je eine Veränderung erlitten hat, so ist das ein Beweis, daß es, genau genommen, kein Gesetz war. Die Erklärung, daß zwei mal zwei fünf ist, wird niemals das Gesetz aufheben, daß zwei mal zwei vier ist. Das Prinzip des Einmaleins kann dadurch nicht beeinträchtigt werden, und die einzigen, die darunter leiden, sind der Schüler der Mathematik, der diesen Fehler macht, und diejenigen, welche durch seine Unwissenheit getäuscht worden sind.

Würde der Lehrer sagen, er wolle das Vergehen verzeihen, so wäre das eine vollkommen falsche Auffassung dieses Vergehens. Es war ein Vergehen gegen das Prinzip und nicht gegen den Lehrer. Die Verzeihung des Lehrers könnte in keiner Weise auf die Folgen der Unwissenheit des Schülers in dieser Sache eine Wirkung haben. Nur wenn die Unwissenheit berichtigt worden wäre, würden die Folgen des Fehlers aufgehört haben sich bemerkbar zu machen. Nur dann könnte man sagen, das Prinzip des Einmaleins habe den Fehler vergeben. Ein Vergehen gegen die absoluten Tatsachen der göttlichen Metaphysik ist nicht weniger schwerwiegend als ein Vergehen gegen die Gesetze der Mathematik. Daraus folgt also, daß der einzige Weg, auf dem ein Mensch den Folgen des Ungehorsams gegen das Gesetz des göttlichen Prinzips entrinnen kann, der ist, danach zu streben, sein Leben mit diesem Gesetz in Einklang zu bringen.

Es ist notwendig, sich dies klar zu vergegenwärtigen, weil die Leute gewöhnlich denken, die Vergebung sei vollkommen und es sei kein Wort weiter darüber zu verlieren, wenn ein Mensch, der glaubt ein Unrecht erlitten zu haben, sein persönliches Gefühl des Ärgers oder Verletztseins genügend überwunden hat, um sagen zu können: Ich vergebe. Sie scheinen nicht einzusehen, daß selbst menschliches Vergeben etwas mehr bedeutet, und daß wenn ein Mensch nicht das Gefühl des Verletztseins oder des Grolls über vermeintliche Beleidigungen überwindet, er das Gewand der Vergebung noch nicht berührt hat. Und weit mehr: ehe von einem Menschen gesagt werden kann, er habe gelernt zu vergeben, muß er in seinem Herzen etwas von der tiefen Empfindung des Mitleids mit dem Beleidiger haben, der, als er ihn verletzte, dem Gesetz des göttlichen Prinzips ungehorsam war. Dann erst kann er, wenn auch nur annähernd, die Worte der Vergebung, die am Kreuze von den Lippen Christi Jesu fielen, nachsprechen: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun.”

Gerade darum, weil Christus Jesus sich so voll und ganz bewußt war, was der Ungehorsam gegen das göttliche Prinzip mit sich bringt, sah er auch, wie sehr diejenigen der Vergebung bedurften, die sich von der Annahme, daß das Böse Macht besitze, hatten hinreißen lassen ihn zu kreuzigen. Selbst dann sagte er nicht, daß er ihnen ihre Sünde gegen die Wahrheit vergäbe. Er wußte, daß sie nicht ihn haßten, sondern die Wahrheit, die er zum Ausdruck gebracht hatte. Er sah dies ebenso klar voraus, wie die Verfasser der Messias-Prophezeiungen die Aufnahme vorhergesehen hatten, die das Böse für denjenigen bereit hielt, der es zuerst wagen würde, der Welt die unverfälschte Wahrheit zu verkünden. Daher war er sich klar bewußt, daß ihnen dieses Vergehen nur in dem Verhältnis vergeben werden konnte, wie sie den Frevel ihres Abweichens von dem Gesetz der göttlichen Liebe verstehen lernten; denn, wie Mrs. Eddy auf Seite 22 unsres Lehrbuchs „Science and Health“ schreibt: „Gerechtigkeit fordert Besserung vom Sünder. Gnade erläßt die Schuld nur dann, wenn Gerechtigkeit dies billigt.” Sein Gebet, daß ihnen die Folgen ihres Abweichens vom göttlichen Prinzip — Folgen, von denen sie nichts ahnten — vergeben werden möchten, schloß darum notwendigerweise seine Vergebung für jedes Unrecht ein, das sie ihm in ihrer Verblendung angetan hatten, denn seine Gebete waren „tiefe und gewissenhafte Behauptungen der Wahrheit, der Ähnlichkeit des Menschen mit Gott und der Einheit des Menschen mit Wahrheit und Liebe” („Science and Health,“ S. 12).

Ein jeder, der gern verstehen möchte, was Vergebung bedeutet, kann nichts Besseres tun als damit beginnen, sich das große Beispiel der Vergebung, das Jesus am Kreuze gab, ins Gedächtnis zu rufen. Als die Gefahr für ihn am größten war, unter den scheinbar überwältigenden Kundgebungen des Hohnes und der Undankbarkeit der Welt zu unterliegen; angesichts des Verlassenseins von denen, die er geheilt und gelehrt hatte, und im Augenblick seines höchsten Bemühens, das absolute Nichts der Lüge des Fleisches und der Macht des Übels zu beweisen, vermochte er noch an die zu denken, deren Bestreben gewesen war, seine Heilsbotschaft an die Welt zunichte zu machen und der Menschheit die unschätzbare Erkenntnis zu rauben, die er ihr geben wollte. Er wußte, daß sie aus diesem Grunde tausendmal mehr der Vergebung bedurften als der unwissende Volkshaufe, der ihm auf dem Ölberg ein Hosianna zurief und ihn dann auf Golgatha verließ.

Christus Jesus vollendete sein Lebenswerk in dieser Welt mit Erfolg, da er die Allheit Gottes verstand und infolgedessen das Nichts des Übels demonstrieren konnte. In dem einzigen mündlichen Gebet, welches er die Jünger lehrte, gebrauchte er die Worte: „Und vergib uns unsere Schulden, wie wir unsern Schuldigern vergeben.” Da nun dem Menschen seine Schulden nur in dem Verhältnis vergeben werden können, wie er keine mehr begeht und durch Besserung die schon begangenen abträgt, d. h. wenn die Sünde aufhört für ihn wirklich zu sein, so ist es klar, daß er seinen Schuldigern nur in dieser Weise vergeben kann, wenn ihre Vergehen für ihn unwirklich werden. Solange eine Beleidigung im Bewußtsein des Beleidigten eine Wirklichkeit bleibt, kann sie nicht vollständig vergessen und somit nicht wissenschaftlich, d.h. absolut vergeben werden. Wir können nicht ganz in das Himmelreich eingehen, wenn wir nicht gelernt haben in dieser Weise zu vergeben.

„O Jesus, welche Lehre gleicht der deinen:
‚Vergib, so wie du willst, daß dir vergeben werde‘.
Wie göttlich ist die Macht, die uns zum Himmel
Die Erde wandelt, wenn dies Wort beachtet wird.”

„Das Reich Gottes ist inwendig in euch,” sagte Jesus. Vergebung ist deshalb jene Verwirklichung der Allheit Gottes, des Guten, die dir zeigt, daß die, welche sich gegen dich vergehen, die Opfer der Täuschung sind, daß das Böse wirklich sei und Macht habe. Dies ist das Verstehen der Unendlichkeit der göttlichen Liebe, das Mrs. Eddy veranlaßt hat, die Stelle in dem Gebet des Herrn: „Vergib uns unsere Schulden, wie wir unsern Schuldigern vergeben” mit den Worten zu erklären: „Liebe wird in Liebe reflektiert.”

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