Als Schüler der Christlichen Wissenschaft sind wir zum Verständnis vieler bisher nicht erkannter geistiger Tatsachen erwacht. Gehen wir bei allem unserem Folgern von der Voraussetzung aus, daß Gott, das Gute, das All ist, und daß der Mensch die Offenbarwerdung Gottes ist, und wenden wir dann diese ewigen Tatsachen auf unsere persönlichen Probleme an, so haben wir viel über die Wirklichkeiten des Seins gelernt. Und durch Anwendung dieser Wahrheiten in rechtem Denken wachsen wir im Verständnis.
Wenn wir wirklich glauben, daß Gott gut ist und den Menschen regiert, und daß Gott oder das Gemüt die einzige wirkliche Substanz ist, sind wir nicht ängstlich besorgt wegen des Glaubens, daß die Materie Substanz sei, einschließlich der darauf beruhenden Annahmen Mangel, Begrenzung, Armut, Arbeitslosigkeit, Hunger und Entmutigung.
Zuweilen mögen wir finden, daß wir in aller Aufrichtigkeit immer wieder hersagen, daß es in Gottes Gegenwart keinen Mangel gibt; da aber die menschliche Not dringend scheint, taucht das Wort „Mangel” groß und unheildrohend in unserem Denken auf. Sollte man sich nicht lieber vom ängstlichen Verneinen des Mangels wegwenden und freudig über den Reichtum oder die Fülle Gottes und über des Menschen gegenwärtiges Bekunden dieses Reichtums nachdenken? Dieser Gedanke allein enthält schon so viel Gutes, daß man Stunden leuchtenden Denkens damit ausfüllen kann. Das sichere Wissen des Reichtums Gottes ist an sich schon ein Verneinen des Mangels; denn Reichtum und Mangel wohnen nicht beieinander.
Bei der praktischen Anwendung müssen wir im Betrachten der glänzenden Tatsache der Fülle Gottes von ganzem Herzen frohlocken. Eine solch glorreiche Tatsache muß uns besonders zu einer Zeit, wo die Welt von Furcht, Geschäftsstockung und Mangel überwältigt zu sein scheint, mit großer Freude erfüllen. Froh sein, daß die Wahrheit wahr ist und für alle unsere Bedürfnisse vollständig genügt, ist etwas ganz anderes als die Wahrheit nur theoretisch wissen.
Eine junge Schülerin der Christlichen Wissenschaft, die ganz in der Gewalt einer verheerenden Furcht vor Mangel war, machte kehrt und begann über die Tatsachen der Fülle Gottes und die Verheißungen und Vorschriften betreffend Versorgung, die sich wie goldene Fäden durch die Bibel hindurchziehen, nachzudenken. Sie las Jesu Worte: „Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr’s empfanget, so wird’s euch werden” (engl. Bibel). Wie plötzlicher Sonnenschein nach dem Regen kam ihr die Erkenntnis, daß es nicht hieß: „glaubet, daß ihr’s empfangen werdet”, sondern „daß ihr’s empfanget”, mit andern Worten, ihr Bedürfnis bestand nicht mehr. Denn was wir empfangen, haben wir; wir erwarten es nicht, vielmehr danken wir freudig dem Geber für die Gabe. Das tat die Schülerin. Ihr Denken war so von Freude und Zuversicht und Dankbarkeit erfüllt, daß sie aufstand, den Hut aufsetzte und sich auf den Weg nach der Bank machte, um eine fällige Einzahlung zu machen, ohne zu fragen, wo sie das Geld hernehmen würde. Tatsächlich fühlte sie sich unterwegs glücklich, daß sie schon hatte, was sie brauchte — was in der Tat der Fall war; denn in Wirklichkeit hatte ihr nur ein gewisserer Sinn von Gottes Fülle gefehlt. Dieser umfassendere Sinn von der geistigen Idee der Allgenugsamkeit Gottes hier und jetzt gab ihr ihre Versorgung für jenen Tag. Denn „Gott gibt dir”, wie Mrs. Eddy uns klar sagt (Miscellaneous Writings, S. 307), „Seine geistigen Ideen, und diese geben dir dann, was du täglich brauchst”. Ist es zu verwundern, daß Versorgung offenbar wurde? Unterwegs händigte ihr der Briefträger einen Brief mit einer Zahlungsanweisung für einen Dienst aus, den sie früher aus Gefälligkeit und ohne einen Gedanken an Vergütung erwiesen hatte, und dies genügte reichlich für ihre Bedürfnisse.
Viel Schönes ist in diesem Beweis zu sehen. Erstens hatte die Schülerin jemand unentgeltlich einen Dienst erwiesen. Liebevoll und selbstlos hatte sie ihre Fähigkeiten dargeboten, wo sie gebraucht wurden. Habt ihr, die ihr Mangel zu leiden glaubt, gegeben und immerfort gegeben? Habt ihr nur um der Freude des Dienens willen und nur aus Dankbarkeit für die Gelegenheit zu dienen Dienste erwiesen? Wenn nicht, so fanget jetzt an, freigebig vom Besten in euch zu geben, und wenn es auch nur die Fähigkeit ist, einen bescheidenen Dienst zu erweisen.
Zweitens gab die Schülerin ihr Grübeln über Furcht und Mangel ganz auf und suchte nur die geistige Idee zu erlangen, die sie so unverkennbar brauchte: eine größere Vergegenwärtigung der Fülle Gottes. Sie blickte nicht einmal mehr auf ihren materiellen Sinn von Mangel zurück; denn dies hätte wie bei Lots Weib ihr Denken unfehlbar versteinert. Drittens war sie voller Freude über das, was sie in so großem Maße empfangen hatte. Viertens glaubte sie, daß die Wahrheit wirklich wahr ist und handelte der Tatsache entsprechend. Natürlich wäre dieser letzte Schritt töricht gewesen, wenn sie nicht vorher die anderen Schritte gemacht hätte. Denn man kann nicht mit leeren Händen davon stürzen, um eine Rechnung zu bezahlen, wenn man nicht zuerst im Denken einen bestimmten Beweis der Tatsachen wahrer Substanz erbracht hat. Nachdem die nötigen Schritte zur Erlangung der geistigen Idee Fülle unternommen waren, war der Höhepunkt des Beweises unvermeidlich. Er kam, wie Mrs. Eddy sagt, „dann” in der Reihenfolge des Wirkens Gottes.
Liebevoll dienen, erkennen, daß unsere Bedürfnisse durch größere Gotteserkenntnis und größeres Gottvertrauen befriedigt werden, dankbar sein, Gottes Führung furchtlos folgen — sind das nicht herrliche Schritte zu einem beständigeren Beweis des Immanuel oder „Gott mit uns”?
Dienen, nicht bedient werden,
Segnet unsere Hoffnungen.
Durch Arbeiten, nicht durch Trachten nach Behaglichkeit,
Finden wir Ruhe.
