Tierischer Magnetismus ist ein beim Ergründen und Anwenden der Christlichen Wissenschaft oft gebrauchter Ausdruck. Aber Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, hat ihn nicht erfunden. Er war schon fast hundert Jahre vor ihrer Entdeckung dieser Wissenschaft im Gebrauch. Der tierische Magnetismus war im Jahr 1775 durch Mesmer in Deutschland erstmals zur Beachtung der Welt gebracht worden und wurde später Mesmerismus genannt.
Im Jahr 1784 setzte die französische Regierung jedoch einen Ausschuß ein, dem auch der große Staatsmann und Schriftsteller Benjamin Franklin angehörte. Dieser Ausschuß erstattete, wie Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ erwähnt, folgenden Bericht (S. 100, 101): „In bezug auf das Vorhandensein und die Nützlichkeit des tierischen Magnetismus sind wir einstimmig zu den Schlüssen gekommen, daß es keinen Beweis für das Vorhandensein des tierisch magnetischen Fluidums gibt; daß die gewaltsamen Wirkungen, welche in der öffentlichen Ausübung des Magnetismus beobachtet werden, Manipulationen zuzuschreiben sind, oder der Erregung der Einbildungskraft, sowie den Eindrücken, die auf die Sinne hervorgebracht werden; daß eine Tatsache mehr in der Geschichte der Irrtümer des menschlichen Gemüts zu verzeichnen ist, sowie ein wichtiges Experiment an der Einbildungskraft.“ Es ist bedauerlich, daß die Menschheit 160 Jahre später noch so weitgehend beherrscht wird von dem Glauben an die Macht und Tätigkeit von etwas, worüber berichtet wurde, daß es ein Irrtum des menschlichen Gemüts ist.
Als die Offenbarung der Wissenschaft des Gemüts sich Mrs. Eddy entfaltete, sah sie sich veranlaßt, die Geltendmachungen des tierischen Magnetismus zu untersuchen, und sie erwies der Menschheit durch ihre Enthüllung der genauen Beschaffenheit und Machtlosigkeit dieses menschlichen Irrtums einen unabsehbaren Dienst. Sie schreibt in Wissenschaft und Gesundheit (S. 484): „Der tierische Magnetismus ist die willkürliche oder unwillkürliche Tätigkeit des Irrtums in allen seinen Formen; er ist das menschliche Gegenteil der göttlichen Wissenschaft.“ Und sie erklärt ferner (S. 103): „In der Christlichen Wissenschaft ist der tierische Magnetismus oder der Hypnotismus die spezielle Bezeichnung für den Irrtum oder das sterbliche Gemüt.“
Daß unsere Führerin auf ein rechtes Verständnis des tierischen Magnetismus, seine Machtlosigkeit, seine von Grund aus unwirkliche Art großes Gewicht legte, geht daraus hervor, daß wir im Christlich-Wissenschaftlichen Vierteljahrsheft zweimal im Jahr eine Lektionspredigt haben mit dem Thema: „Die Zauberei des Altertums und der Neuzeit — auch genannt Mesmerismus und Hypnotismus — bloßgestellt“. Wenn die Christlichen Wissenschafter sich in diese Lektionspredigt gründlich vertiefen, lernen sie immer mehr verstehen, daß das gesamte Böse eine Verneinung, kein Ding, kein Ort, keine Person und keine Wesenheit ist, und daß die Reichweite, Gegenwart und Größe der Allmacht Gottes, des Guten, unbegrenzt ist.
Die Christliche Wissenschaft enthüllt, daß es nur ein Gemüt, das unendliche göttliche Gemüt, Gott genannt, gibt. Dieses Gemüt ist die Quelle der einzigen wahren Denktätigkeit, und diese von dem Gemüt, das Gott ist, kommende Tätigkeit kann nur gut sein. Mrs. Eddy hat den Ausdruck „sterbliches Gemüt“ gebraucht, um auf einen unmöglichen Gedankenzustand hinzuweisen, und er ist unmöglich, weil er nicht aus dem einen Gemüt hervorgeht. Die Worte „sterbliches Gemüt“ werden zur Bezeichnung des Ursprungs jener menschlichen Gedankeneigenschaften gebraucht, die sowohl aller gedanklichen als körperlichen menschlichen Disharmonie zugrunde liegen und mit den geistigen, immergegenwärtigen Eigenschaften des Gemüts unvereinbar sind. Der Ausdruck „tierischer Magnetismus“ bezeichnet passend die sogenannte Beschaffenheit und Tätigkeit des nichtigen Bösen.
Wenn wir in ein Konzert gehen, sagen wir nicht, daß wir die Geigen, Kniegeigen, Pauken, Posaunen usw. hören wollen, sondern wir gebrauchen das Sammelwort „Orchester“. Ganz ähnlich wird der Sammelausdruck „tierischer Magnetismus“ gebraucht, um alle besonderen Annahmen des Bösen zu bezeichnen, die im sogenannten sterblichen Gemüt ein sagenhaftes Dasein finden; der Ausdruck bezeichnet das vermeintliche Böse in seinem ganzen Umfang; er bedeutet tatsächlich die Gesamtsumme des Bösen, das sich in Sünde, Krankheit, Tod, Unehrlichkeit, Neid, Tadelsucht, Ungeduld, Aufgeregtheit, Begierde, Eigenliebe, Armut und unzähligen ähnlichen Annahmen, die alle das Gegenteil der unendlichen Güte Gottes sind, auswirkt. Der tierische Magnetismus ist nichts Geheimnisvolles; es besteht darüber kein anderes Geheimnis als das, das sich durch Unkenntnis über den Gegenstand ergibt. Die Unkenntnis, wie etwas wirkt, führt leicht dazu, es geheimnisvoll zu machen; man fürchtet sogar oft etwas, was man nicht kennt und was einem geheimnisvoll ist. Dies erklärt die Furcht, die der Ausdruck „tierischer Magnetismus“ manchmal hervorruft; es erklärt auch, warum ein klareres Verständnis des Ausdrucks im Licht der Lehren der Christlichen Wissenschaft das Geheimnisvolle und die Furcht, und damit deren vermeintliche Wirkungen, beseitigt.
Gott ist die Quelle alles wahren Denkens. Daher drückt der Mensch nur die Gedanken aus, die im göttlichen Gemüt sind. In dem Maße, wie wir dies verstehen, weisen wir ganz von selber die falschen Annahmen zurück, die nur eine Nachahmung wahrer Gedanken sind. Wir müssen uns immer vor der Heimtücke böser Gedanken, die sich oft in der Verkleidung des Guten darbieten, hüten. Im Alten Testament ist der tierische Magnetismus — alles Böse — als „Lucifer, Sohn des Morgens“ (engl. Bibel, Jes. 14, 12) versinnbildlicht, der nach der Schilderung sagte (Vers 14): „Ich will. .. gleich sein dem Allerhöchsten.“ Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, daß das unbedingte Gute der Allerhöchste ist, und daß wir nicht zu sorgfältig darauf achten können, was wir als Regungen des Denkens, selbst wenn sie als gute Absichten zu entstehen scheinen, annehmen.
Zuweilen ist es gut, geduldig zu warten, bis wir ganz sicher wissen, daß unser Denken mit dem göttlichen Prinzip, der Liebe, im Einklang steht. Wenn wir sorgfältig auf die stille sanfte Stimme der göttlichen Weisheit hören, können wir im Reden oder Handeln nicht irregeführt werden. Nach einer Erzählung kam ein junger Mann zu einem Geistlichen, der eine hohe Stellung bekleidete, und behauptete, er habe „Stimmen“ gehört und sei gezwungen, gewisse Schritte zu tun, weil Gott es ihn geheißen habe. Er erhielt zur Antwort: „Junger Mann, seien Sie sehr vorsichtig. Der Teufel kann wunderbar nachahmen!“
Glücklicherweise können wir sicher sein, daß die Beschaffenheit guter Ideen nicht geändert und ihr Wirkungsvermögen nicht abgelenkt werden kann, und daß uns, wenn wir wachsam sind, das, was Gott nicht erschaffen hat, nicht täuschen kann! Jesaja schreibt über die Geltendmachung des tierischen Magnetismus, sich Macht und Befugnis anzumaßen, ferner (Jes. 14, 24): „Was gilt's? es soll gehen, wie ich [Gott] denke, und soll bleiben, wie ich es im Sinn habe.“ Es gibt keine andere höchste Macht. Der Mensch spiegelt alle Ideen des Geistes, des Gemüts, wider. Daher bleibt er stets unzertrennlich von seiner göttlichen Quelle; er hat sein Sein durch göttliche Macht; er drückt seine ewige Harmonie mit göttlichem Gleichmut und durch göttliche Ermächtigung aus, und steht sicher geborgen über jeder Annahme von Elektrizität oder Magnetismus. Der Geist ist die einzige Anziehung und erhält alle seine geistigen Ideen im Geist; es kann also keine entgegengesetzte Anziehung zum Tierischen oder Menschlichen geben. In Wirklichkeit gibt es kein Gegenteil, das anziehen könnte, oder das man zu fürchten brauchte.
Wenn wir unsere Fähigkeit und Macht geltend machen, das zu sein, was wir wirklich sind: die zusammengesetzte Idee des Gemüts, Gottes, hören wir auf, vom tierischen Magnetismus und seinen Lügen beeinflußt zu werden. Das uns dämmernde Licht der Wahrheit vertreibt die unharmonischen Eindrücke des sterblichen Gemüts, und an ihre Stelle tritt die herrliche Harmonie der Seele, treten die Lob- und Danklieder, die unwillkürlich dem durch geistige Heilung und Erneuerung unendlich gesegneten, übervollen Herzen entströmen.
