„Die Liebe“, schreibt Mary Baker Eddy scharfblickend in „Miscellaneous Writings“ (S. 250), „kann nicht etwas bloß Gedachtes, etwas Gutes ohne Tätigkeit und Macht sein“, und sie zeigt dann, wie die Menschen die göttliche Liebe auf viele unauffällige und selbstlose Arten ausdrücken können. Unsere Führerin sah nur zu klar, daß die Menschen geneigt sind, die Liebe und menschlich ausgedrückte Liebe voneinander zu trennen; daß die Menschen wohl gern über die Liebe nachdenken, daß sie aber nicht immer gern Liebe üben. Die Einheit der göttlichen Liebe und ihrer Widerspiegelung, des Menschen, muß jedoch menschlich ausgedrückt werden, wenn sie zweckdienlichen Wert für die Menschheit haben soll. Um dies zu verwirklichen, müssen die Menschen aufhören zu glauben, daß sie menschliche Wesen seien, die Liebe empfangen müssen; sie müssen vielmehr erkennen, daß sie wesenseins sind mit der göttlichen Idee, die geradezu der Ausdruck der Liebe ist. Diese Wesensübereinstimmung können wir nur dadurch erlangen, daß wir, so gut wir es verstehen, die Idee der Liebe sind. Die Liebe und ihre Idee oder Widerspiegelung können nie voneinander getrennt werden. Sie sind ein Sein. Wenn die Liebe keinen Ausdruck hat, ist sie nicht die Liebe, gerade wie die Sonne ohne Sonnenschein nicht die Sonne wäre. Keines hat Wesenheit ohne das andere.
„Gott ist“, wie Johannes in seinen Briefen immer wiederholt, „Liebe“, und die Menschen haben diese Erklärung angenommen, ohne sie sich ganz klar zu machen; sie haben die göttliche Liebe um Hilfe gebeten, als ob die Liebe eine vom Menschen getrennte Macht wäre, die man anflehen muß, damit sie in menschliche Angelegenheiten eingreift, und die, wenn sie dazu bereit ist, dann getrennt vom Menschen in einer unerforschlich wohltuenden Weise wirkt. Diese Vermutung, die die Liebe und den Menschen voneinander trennt und glaubt, daß der Mensch im Wirken der göttlichen Macht keine Rolle zu spielen habe, hat nie zu sicheren Ergebnissen geführt. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß die göttliche Liebe jedes menschliche Bedürfnis wissenschaftlich und sicher genau in dem Verhältnis befriedigt, wie man erkennt, daß man mit der Idee der Liebe wesenseins ist und diese Idee in seinem ganzen Handeln ausdrückt. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß der Mensch, unbedingt gesprochen, jetzt und immerdar der volle und vollkommene Ausdruck der göttlichen Liebe ist; daß man aber vom menschlichen Standpunkt aus lernen muß, die Liebe auszudrücken, und daß jeder in dem Maße, wie er dies tut, von der göttlichen Macht Gebrauch machen kann, um die Menschen zu heilen und ihnen zu helfen. Hier handelt es sich nicht um bloßes Denken, sondern um eine wichtige, unerläßliche Arbeit, der man durch Hingebung und Selbstverleugnung, durch unablässiges Beten und freudiges Anwenden nachkommen muß.
Zuerst müssen wir das Wesen der göttlichen Liebe verstehen, und dieses Verständnis dann in unserem täglichen Leben ausdrücken. Dies ist unsere persönliche Pflicht, und jeder einzelne kann nur in dem Maße, wie er dieser Pflicht nachkommt und die Liebe in seinem eigenen Leben beweist, auf Erden „die Schönheit der Heiligkeit“ (engl. Bibel), Frieden und Glück finden. Die Liebe wirkt nicht unabhängig vom Menschen. Die Liebe wirkt durch den Menschen, sie drückt sich durch den Menschen aus. Das Verständnis der Liebe ist also von geringem Wert, wenn man nicht diesem Verständnis gemäß handelt und lebt; anderseits fehlt unserem menschlichen Dasein die Richtschnur und Lebenskraft, wenn wir das Wesen der Liebe nicht verstehen.
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