Als sich eine Bekannte von mir für die Christliche Wissenschaft zu interessieren begann, machten ihr einige Dinge schwer zu schaffen, die sie in einem Buch gelesen hatte, das ein verzerrtes Bild von Mary Baker Eddy, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, zeichnete. Sie hatte aber auch Mrs. Eddys Buch Wissenschaft und Gesundheit zu lesen begonnen; und je mehr sie darin las, um so fester wurde sie davon überzeugt, daß jene gehässige Schilderung einfach nicht stimmte. Später bewies das Studium dokumentierter Biographien, daß meine Bekannte recht gehabt hatte.
Wissenschaft und Gesundheit führte meiner Bekannten etwas von jener Liebe und Aufrichtigkeit vor Augen, die für die Verfasserin kennzeichnend sind. Diese Eigenschaften leuchten aus allen Schriften Mrs. Eddys. Aber sie stellen mehr dar als nur die persönliche Integrität und Güte einer bestimmten Frau. Sie spiegeln den Christus wider, den Geist der Liebe und Wahrheit, der Mrs. Eddy inspirierte und sie zu ihrer Entdeckung führte.
Der Geist der Liebe
In einem Interview, das 1908 in der Zeitung New York American erschien, sagte Clara Barton über Mrs. Eddy: „Liebe durchdringt alle Lehren dieser großen Frau — so groß, glaube ich, daß wir von unserer Perspektive aus schwerlich wahrnehmen können, wie groß.“ Zitiert in Irving C. Tomlinson, Zwölf Jahre mit Mary Baker Eddy (Boston: The Christian Science Publishing Society, 1972), S. 96. Mrs. Eddys Schriften zeigen eine zartfühlende Haltung gegenüber dem Leser — ja gegenüber der ganzen Menschheit. Manchmal ist dieses Zartgefühl offensichtlich. So schreibt z. B. Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit, nachdem sie die tröstenden Auswirkungen eines bestimmten Bibelabschnittes dargelegt hat: „Denke daran, lieber Leser, denn es wird dir die Binde von den Augen nehmen, und du wirst die sanftbeschwingte Taube auf dich herniederschweben sehen. Gerade den Umstand, den dein leidender Sinn für schreckens-voll und quälend erachtet, kann Liebe zu einem Engel machen, den du ohne dein Wissen beherbergst.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 574. Viel öfter jedoch ist diese Liebe an den sorgfältigen Erklärungen, Anleitungen oder notwendigen Zurechtweisungen zu erkennen, die den Leser dazu führen, Gott und die Beziehung des Menschen zu Ihm geistig zu verstehen.
Diese Botschaft der geistigen Wirklichkeit empfing sie nicht so ohne weiteres. Sie kam durch Inspiration und göttliche Offenbarung, aber auch durch harte Erfahrung. Mrs. Eddy pflegte die ihr anvertraute Botschaft trotz des heftigen Widerstandes des fleischlichen Gemüts gegen das Aufdämmern der Wahrheit und zeichnete sie auf, damit sie die Menschheit erreiche und segne.
Paulus beschreibt diese Art der fürsorgenden mütterlichen Liebe so treffend. Zunächst führt er aus, wie er gelitten hatte und „geschmäht“ worden war, und sagt dann: „... als Menschen, die Gott wert geachtet hat, sie mit dem Evangelium zu betrauen, so reden wir ... Aber wir sind bei euch linde gewesen, gleichwie eine Mutter ihre Kinder pflegt. So hatten wir Herzenslust an euch und waren willig, euch mitzuteilen nicht allein das Evangelium Gottes, sondern auch unser Leben, darum daß wir euch lieb gewonnen hatten.“ 1. Thess. 2:4, 7, 8.
Wie zur Bestätigung schreibt Mrs. Eddy: „Ich sah vor mir die Kranken, die sich in Jahren der Knechtschaft unter einem unwirklichen Herrn verzehrten, in der Annahme, daß der Körper sie regiere anstelle des Gemüts.“ Und sie fährt fort: „Die Lahmen, die Tauben, die Stummen, die Blinden, die Kranken, die Sinnlichen und die Sünder, sie alle wollte ich aus der Sklaverei ihrer eigenen Annahmen und aus den Erziehungssystemen der Pharaonen erretten, die heute wie vor alters die Kinder Israel im Frondienst halten.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 226.
Die Liebe, die in ihren Schriften zu erkennen ist, stellt etwas unendlich viel Größeres dar als menschliches Zartgefühl. Mrs. Eddy war durch die christusgleiche Zuneigung inspiriert, in der sich die göttliche Liebe selbst zeigt, die Liebe, die die ganze Menschheit mit ihrer allmächtigen erlösenden Kraft umfängt. Aus diesem Grund heilen Mrs. Eddys Schriften den Leser und erleuchten ihm den Pfad der Erlösung und Freiheit. Durch die göttliche Wissenschaft offenbart sich die göttliche Liebe der Menschheit. Diese Wissenschaft stellt das Erscheinen des Trösters dar. „Also hat Gott die Welt geliebt“, sagte Christus Jesus, „daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Joh. 3:16. Es war und ist die Aufgabe des Sohnes, den Vater zu verkörpern, der Welt Sein Wesen zu zeigen und dadurch die Menschheit von Sünde, Krankheit und Tod zu erretten. Dieser Sohn — der ewige Christus oder die ewige Wahrheit — ist durch die göttliche Wissenschaft wiedergekommen, weil „Gott die Welt geliebt“ hat. Und der Christus ist es — der Geist der Liebe, der eigene Ausdruck der Liebe —, der sich in Mrs. Eddys Schriften spiegelt, die Bibel erleuchtet und die Kranken und Sünder heilt.
Hier sehen wir Mrs. Eddy im klarsten Licht: nicht so sehr die Verfasserin als Person, sondern als selbstlose Botin, die Christi Botschaft der Erlösung bringt und damit die Prophezeiung erfüllt. Ja, sie übermittelt die Botschaft mit großer Liebe. Und durch diese reine Liebe, die aus ihren Schriften strahlt, scheint Gottes eigene Liebe ungehindert hindurch, eine Liebe, die sie selbst heilte, inspirierte und die auch heute das empfängliche Herz heilt.
Der Geist der Wahrheit
Trotz des großen Zartgefühls lassen Mrs. Eddys Lehren in bezug auf ihre Lauterkeit keine Kompromisse zu. Sie sind erfüllt vom Licht der Wirklichkeit und folgen aufrichtig der Wahrheit.
Dem menschlichen Gemüt erscheint die Wahrheit zunächst nicht immer logisch — oder wünschenswert. Johannes berichtet, wie Jesus einmal einigen, die ihm nachfolgten, noch etwas klarer die Wahrheit sagte, als er es zuvor getan hatte. Sie hatten gerade miterlebt, wie er fünftausend Menschen mit nur einigen Broten und Fischen gespeist hatte. Ihr materieller Sinn konnte die geistige Wahrheit jedoch nicht erfassen, die dem sogenannten Wunder zugrunde lag, und sie schreckten vor dem zurück, was er ihnen sagte: „Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören?“ klagten sie. „Von da an wandten seiner Jünger viele sich ab und wandelten hinfort nicht mehr mit ihm.“ Joh. 6:60, 66.
Es gab aber auch solche, die die Wahrheit verstanden. Als Jesus die Zwölf fragte, ob auch sie ihn verlassen wollten, antwortete Petrus: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ Joh. 6:68. Petrus’ geistiger Sinn war so weit entwickelt, daß er erfaßte, was der rein menschliche Intellekt nicht wahrnehmen kann — nämlich die Logik, Folgerichtigkeit und Wahrhaftigkeit dessen, was der Meister lehrte.
Wer Mrs. Eddys Schriften liest, entdeckt ebenfalls, daß ihre Lehren zum geistigen Sinn sprechen, und zwar mit einer Logik, die folgerichtig ist, und mit einer Lauterkeit, die echt ist. Ihre Lehren offenbaren die Wirklichkeit der Wahrheit. Deshalb ist nicht allein die Botschaft vollkommen geistig und unantastbar, sondern auch Mrs. Eddys Darlegung der Wahrheit ist völlig ehrlich. Der Beweis ist an den Früchten zu sehen — an den Heilungen, an der moralischen Erneuerung und der geistigen Erleuchtung, die ihre Lehren immer wieder hervorgebracht haben, seit vor über hundert Jahren Wissenschaft und Gesundheit zum ersten Mal veröffentlicht wurde. „Denn es ist kein guter Baum, der faule Frucht trage, und kein fauler Baum, der gute Frucht trage“ Luk. 6:43., sagte Jesus.
Das fleischliche Gemüt mißversteht aus alter Gewohnheit die geistige Idee und widersetzt sich ihr oder dem Christus, der in Mrs. Eddys Schriften dargelegt wird. Die Sünde lehnt sich gegen die Forderungen nach Reinheit auf; Selbstzufriedenheit ärgert sich über das gute Zureden des Christus, und Intellektualismus spottet über das, was nur die verstehen können, die reines Herzens sind. Viele Menschen können, ehrlichen Herzens nicht mit der Wahrheit übereinstimmen, weil sie die Substanz und Wirklichkeit des Geistes nicht erfassen. Deshalb gibt es so viele falsche Vorstellungen von der Christlichen Wissenschaft und ihrer Entdeckerin. Paulus sagt: „Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich verstanden sein.“ 1. Kor. 2:14.
Christus Jesus sagte, daß die Sanftmütigen und die, die reines Herzens sind, selig seien. Und das trifft auf jeden zu, der Mrs. Eddy und ihre Schriften verstehen möchte. Wenn man die in ihnen enthaltene Wahrheit erkennt, wird man geheilt und erhoben. Auf diese Weise beginnt man, selbst zu entdecken, welchen Platz Mrs. Eddy wirklich einnahm, nämlich daß sie der Menschheit die Wissenschaft des Christus gebracht hat.
Die Schriften dieser christlichen Frau sprechen den geistig Gesinnten an. Sie vermitteln den heilenden Geist der Wahrheit, den zartfühlenden Geist der Liebe. Dieser Geist war es, der Mrs. Eddy inspirierte und ihr den Antrieb gab — und der, wie sie hoffte, auch ihre Leser inspirieren würde. Wir können dann wohl auf keine bessere Weise unsere Wertschätzung für sie zeigen, als daß wir ihrer eigenen Bitte nachkommen: „... in Hoffnung und Glauben, wo Herzen einander begegnen und sich gegenseitig segnen, trinkt mit mir die lebendigen Wasser des Geistes meines Lebenszweckes: — der Menschheit die echte Erkenntnis der praktisch anwendbaren, wirksamen Christlichen Wissenschaft einzuprägen.“ Vermischte Schriften, S. 207.
