Heute kam mein Artikel zurück. Die Schriftleiter der christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften meinten in ihrem Begleitschreiben, der Artikel sei vielversprechend, aber könnte ich nicht den Hauptgedanken auf Seite drei etwas eingehender erklären und die Einleitung kürzen?
Das mache ich gern. Denn es ist doch zu erwarten, daß eine Überarbeitung gewünscht wird. Ja, meine Manuskriptordner der letzten fünfundzwanzig Jahre enthalten weit mehr Überarbeitungen als Originale.
Ehrlich gesagt, es war nicht immer leicht, die Bitten der Schriftleiter zu verstehen. Doch in jedem Fall sah ich später, daß die veröffentlichte Überarbeitung besser war als mein Original — sie war interessanter für den Leser, der Hauptgedanke war schärfer entwikkelt, oder die Metaphysik war klarer. Rückblickend ist dieser letzte Punkt am wichtigsten.
Der Grund hierfür könnte sein, daß mit jeder Überarbeitung aufs neue der Versuch einhergeht zu erkennen, was Kommunikation wirklich bedeutet, und die Erkenntnisse der Schriftleiter mit einzuarbeiten. Ja, und selbst die Hoffnung auf Veröffentlichung mußte der höheren Hoffnung weichen, die Ausübung der Christlichen Wissenschaft besser zu verstehen.
Es ist nicht ungewöhnlich, daß man über die Metaphysik schreiben und dem Leser sagen möchte, welche geistigen Wahrheiten uns führen sollten, und man dann eine Begebenheit einbezieht, die zeigt, wie die Christliche Wissenschaft heilt. Doch wenn ich mich allein an dieses Schema hielt, waren die Resultate nicht immer befriedigend. (Ein Schriftleiter bemerkte z. B., daß die Botschaften mehr dem Intellekt entsprangen, anstatt aus dem Herzen zu kommen, und daß sie daher nicht das Herz des Lesers erreichten.)
Nach einiger Zeit — und nach weiteren geduldigen Briefen der Schriftleiter — kam mir der Gedanke, daß etwas ganz anderes geschehen müsse, wenn man für die christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften schreibt. Mein Material veranschaulichte nur zu oft die Ermahnung des Paulus: „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüßte alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so daß ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.“ 1. Kor 13:1, 2. Den Artikeln fehlte viel, denn sie bezeugten wenig geistige Liebe.
Meine anfänglichen Versuche glichen sehr denen jener Romanschriftstellerin, die in einem Artikel im New York Times Magazine zitiert wurde: „Ich meine, ... zu schreiben trägt wirklich dazu bei, sich selbst zu heilen. Ich meine, wenn man lange genug schreibt, wird man ein gesunder Mensch. Das heißt, wenn man schreibt, was man schreiben muß ... “ David Bradley, „Novelist Alice Walker: Telling the Black Woman’s Story“, The New York Times Magazine, 8. Januar 1984, S. 36. Natürlich bezog sie sich damit nicht auf das Schreiben von Artikeln für eine Zeitschrift, die sich dem christlichen Heilen widmet — doch wie aufschlußreich war es, meine Anstrengungen im Lichte dieser Erkenntnis zu betrachten.
Die Artikel, die mich in den christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften ansprachen, so erkannte ich, waren gewissermaßen ein Fenster auf das Leben des Verfassers. Sie schienen ein Beweis für das Heilen zu sein — sie waren zart, ehrlich und erklärten die Wahrheiten auf schlichte Weise. Ihre Sprache war nicht steif, und sie schlugen Brükken, so daß der Leser das Göttliche mit dem Menschlichen in Beziehung setzen konnte. Sie enthielten keine paraphrasierende Metaphysik, keine Wahrheitserklärungen, die aus grammatikalischem Granit gemeißelt waren. Sie sagten dem Leser nicht, was er sein oder tun sollte, sondern teilten lediglich einige wenige Ideen mit ihm, die dem Verfasser wichtig waren.
Und als ich nun schrieb und betete und schrieb, nahm eine ganz andere Frage Gestalt an: Wie könnten meine Artikel nicht nur den barmherzigen Samariter erreichen, den Christus Jesus in seinem Gleichnis beschreibt, sondern auch den, der unter die Räuber fiel, den Leviten, den Priester, den Wirt — jeden, der unsere Zeitschriften liest? Es schien mir, daß fachliches Wissen, ja selbst das Schreiben aus guter Absicht, gar nicht so entscheidend war. Wenn die Botschaft immer noch Zuneigung und geistiger Inspiration entbehrte, wäre sie weiterhin wie ein tönendes Erz, von dem Paulus in seinem Vergleich spricht. Meine Auffassung von gesundem Schreiben orientierte sich immer häufiger an Mrs. Eddys Worten: „Geist, Gott, sammelt ungeformte Gedanken in ihre geeigneten Kanäle und entfaltet diese Gedanken, so wie Er die Blütenblätter eines heiligen Vorsatzes öffnet, damit der Vorsatz erscheine.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 506.
So wandelte sich nach und nach mein Standpunkt: Schöpferische Kraft entspringt nicht einem getrennten kleinen Gemüt, das versucht, große, zusammenhängende Dinge über den Menschen und Gott zu sagen. Das wahre Bewußtsein eines jeden Menschen, auch meines, ist das göttliche Gemüt, ist Leben, das sich selbst zum Ausdruck bringt. Die Integrität, Energie, Spontaneität, Intelligenz aller richtigen Tätigkeit — sei es Schreiben oder Tanzen oder die Leitung eines Unternehmens — liegt im Geist, nicht in einer menschlichen Fähigkeit oder Absicht.
Die neue Perspektive erscheint mir jetzt so natürlich, daß ich mich frage: „Warum hat es so lange gedauert?“ Doch wenigstens ist mir schließlich klar geworden, daß von niemandem verlangt wird, so zu schreiben, als wüßte er alles und als müsse er an den bescheidenen Leser literarische oder metaphysische Perlen verteilen. Dem Schreiber von Artikeln mag es zur Gewohnheit werden, auf seine Art demütig zu beten und darauf zu vertrauen, daß Gemüt ihm zeigen wird, wie er dieses Gebet und den Beweis in Worte fassen kann.
Was mich betrifft, so erhellt Mrs. Eddys Gedanke über „ein ehrliches Herz“ den Wunsch, für unsere Zeitschriften zu schreiben. Sie sagt: „Ein wortreiches Gebet mag ein beruhigendes Gefühl der Selbstrechtfertigung verleihen, obwohl es den Sünder zum Heuchler macht. An einem ehrlichen Herzen brauchen wir niemals zu verzweifeln; doch wenig Hoffnung ist für diejenigen vorhanden, die ihrer Schlechtigkeit nur dann und wann ins Angesicht sehen und sie dann zu verbergen suchen. Ihre Gebete sind Angaben, die mit ihrem Charakter nicht übereinstimmen.“ Ebd., S. 8.
Wie wunderbar war es, als ich den Ehrgeiz aufgab, ein vollkommener Autor oder menschlich vollkommen zu sein, und an meinem ehrlichen Herzen nicht verzweifeln mußte! Daraus zog ich auch den Schluß, daß das Schreiben tatsächlich ein Gradmesser für das aufrichtige Suchen nach der Wahrheit sein kann. Die Anzeichen für die Fürsorge der göttlichen Liebe und das Wissen darum würden sogar die Abschnitte berühren, die geschrieben werden, um Dank zu sagen.
Nachdem Jahre und Überarbeitungen — buchstäblich — dahingegangen sind und sich das Gewicht vom Schreiben auf das Beten verlagert hat, betrachte ich nun jedes Manuskript für die christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften — das Journal, den Sentinel, den Herold — als eine Art Gebet. Ein Wunsch kann dadurch klarer Gestalt annehmen, und Liebe kann zum Ausdruck kommen; das Vertrauen auf Gott wird bestätigt. Schreiben erfolgt als Reaktion auf Gottes Fürsorge, und wenn es ehrlich ist, schließt es Elemente des Glaubens, des geistigen Verständnisses, der selbstlosen Liebe ein. Aus diesem Grund studiere ich oft den ersten Satz im ersten Kapitel von Wissenschaft und Gesundheit, um ganz sicherzugehen, daß genügend stilles Gebet meine Arbeit an einem Artikel begleitet. Denn darauf kommt es an. Mrs. Eddy sagt: „Das Gebet, das die Sünder umwandelt und die Kranken heilt, ist ein absoluter Glaube, daß bei Gott alle Dinge möglich sind — ein geistiges Verständnis von Ihm, eine selbstlose Liebe.“ Ebd., S. 1.
Disziplin und Entdeckungen sind stets mit dem Überarbeiten und Schreiben verbunden. Es ist wichtig, grundlegende Schreibtechniken zu beachten; und es kann Freude bereiten, zu lernen, wie man kurze Sätze bildet, Adjektive vermeidet, wenn dies möglich ist, aussagekräftige Verben benutzt, eine einzige Botschaft zum Thema wählt und sich dann ganz auf sie konzentriert.
Doch Gebet führt uns zu frischen Entwürfen, neuen Perspektiven. Das ist der stille Beweis, daß Gemüt von sich selbst Zeugnis gibt und immer gegenwärtig ist. Dann fällt alles — Verarbeitung, Methode und Inspiration — unter die gleiche geistige Zuständigkeit wie das christliche Heilen. Das ehrliche Herz setzt sich durch.
Ich sprach mit einer Bekannten über das Schreiben von Artikeln für die christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften. „Du nimmst dir so viel Zeit, gibst dir so viel Mühe, wenn du etwas schreibst“, bemerkte ich. „Nun“ erwiderte sie, „das liegt wohl daran, daß das, was Gott in meinem Leben tut, zu gut ist, als daß es zurückgehalten werden könnte. Das Schreiben zwingt mich, etwas genau zu verstehen — zu erkennen, wie das universelle Gesetz wirkt, so daß ich es mit anderen teilen kann und es ihnen etwas bedeutet.“
Das ist Gebet — und Nächstenliebe.