In der Grundschule wurde zur Weihnachtszeit ein Spiel aufgeführt. Seifenflocken tanzten im Rampenlicht und waren dem Schnee täuschend ähnlich, wenn nicht für die Zuschauer, so doch für die Schauspieler.
Ich war damals elf Jahre alt, und wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß dieses Spiel — ein Dauerbrenner seines Genres — rührselig sei. Ich ging völlig darin auf, mehr Zeilen auswendig zu lernen, als ich je für möglich gehalten hätte. Auch meinte ich, ich müsse wenigstens in etwa dem Jungen in dem Stück ähneln, ehe ich dieser Rolle gerecht werden könne.
Ich kann mich nicht mehr an die Einzelheiten des Spiels erinnern, aber es ging darin um einen armen Jungen, der seine letzte Münze auf den Altar legte, worauf die Glocken der Kathedrale an dem Heiligabend nach Jahren des Schweigens zum ersten Mal wieder läuteten. So versuchte ich also gut zu sein. Nicht etwa, daß ich besonders ungezogen gewesen wäre, aber ich versuchte jetzt, mir aus freien Stücken und aus eigenem Antrieb beständig des Guten bewußt zu sein, und das war doch für mich eine recht neue Erfahrung. Deswegen ist mir jenes Weihnachtsfest unvergeßlich geblieben.
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