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AUS INTERVIEWS

Gespräche über das Heilen

Erster Teil

Aus der September 1989-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Tageszeitungen, Sonderprogramme im Fernsehen, Hinweisschilder vor Kirchen. Sehr viel weiter braucht man gar nicht zu schauen, um zu erkennen, daß es unter den Christen eine wachsende Bereitschaft gibt, sich um Heilung an Gott zu wenden — nicht nur um Heilung von emotionellen Problemen und seelischem Schmerz, sondern auch von körperlicher Krankheit.

Zahlreiche Gebetskreise, die sich dem Heilen widmen, treffen sich privat. Kirchen unterschiedlichster Konfessionen haben Heilungsriten in ihre Sonntagsgottesdienste aufgenommen, während andere regelmäßig an einem Wochentag Heilungsgottesdienste abhalten. Die Erkenntnis wächst, daß Gebet und die Beziehung des einzelnen zu Gott bei der Suche nach Heilung nicht vernachlässigt werden sollten.

Im Laufe des letzten Jahres hat unsere Kirche mit einer Reihe von anderen Christen gesprochen, die der Meinung sind, daß Gebet eine wichtige Rolle beim Heilen spielt. Die Befragten kamen aus vielen Bereichen des religiösen Lebens. Die Reihe erstreckte sich von Charismatikern zu Krankenhausgeistlichen, von einer freischaffenden Schriftstellerin, die keiner bestimmten Konfession angehört, bis zu einem Theologieprofessor. Es wird Sie sicherlich interessieren, einige ihrer Kommentare zu hören.

Wir haben Auszüge ausgewählt, die uns aufschlußreich erscheinen und auf wichtigen Fortschritt hindeuten. Sie mögen mit den darin geäußerten Meinungen nicht völlig übereinstimmen. Aber Sie werden sie bestimmt anregend und beachtenswert finden.

Normalerweise veröffentlichen wir keine ausführlichen Stellungnahmen von Leuten, die keine Christlichen Wissenschafter sind und andere theologische Überzeugungen haben. Damit diese Auszüge nicht falsch gedeutet werden, ist es wichtig, mehrere Punkte zu verstehen.

Die einzelnen Interviewpartner stimmen nicht völlig miteinander überein in ihren Ansätzen beim Heilen und selbst nicht darin, was Heilen bedeutet und was es alles einschließt. In einer Reihe von entscheidenden Punkten weichen ihre Meinungen von der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr'istjən s'aiəns) ab. Die meisten erkennen in gewisser Weise die Rolle der Christilichen Wissenschaft an. Zugleich aber nehmen sie alle Positionen ein, und oft sehr bedeutende, die sich gründlich von der Einstellung zum Heilen in der Christlichen Wissenschaft unterscheiden. Zum Beispiel:

• Nur zwei der Befragten glaubten, man müsse sich beim Heilen durch Gebet wenigstens bis zu einem gewissen Grade von der herkömmlichen Ansicht trennen, daß die Wirklichkeit ganz allgemein in der Materie verwurzelt sei und durch sie definiert werde.

• Keiner der Befragten glaubte, wie es die Christliche Wissenschaft lehrt, daß es unbedingt notwendig sei, die herkömmlichen Ansichten über die Wirklichkeit aufzugeben und daß geistiges Heilen und materielle Medizin nicht erfolgreich miteinander verquickt werden könnten — daß man im Interesse des Patienten zwischen diesen beiden wählen müsse.

Wie üblich erläutern die anderen Aufsätze, die Schriftleiterartikel und die Zeugnisse in dieser Zeitschrift die Anschauungen der Christlichen Wissenschaft. Eine Darlegung der christlich-wissenschaftlichen Heilmethode kann der Suchende in diesen Artikeln finden sowie im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, die die Christliche Wissenschaft entdeckte und gründete.

Man sollte sich darüber im klaren sein, daß die folgenden Auszüge keineswegs ein vollständiges Bild geben von der Auffassung der einzelnen oder ihrem Vorgehen beim Heilen. Die Auszüge sind stundenlangen Aussprachen mit den einzelnen entnommen worden. Die eigentliche Bedeutung ihrer Worte kann unterschiedlich sein, je nach der Tradition im Heilen, durch die sie zu ihrer Schlußfolgerung kommen.

Um also den falschen Eindruck zu vermeiden, es gebe in der Hinwendung zum Heilen große Übereinstimmung zwischen den Christlichen Wissenschaftern und anderen, sollten wir einige entscheidende Unterschiede herausstellen. Die meisten der Befragten sagten stets, daß Gott Krankheit und Leiden nicht verursache, aber daß Er sie zulasse, damit der Mensch aus freiem Willen handeln könne. Die Christliche Wissenschaft nimmt eine völlig andere Haltung ein. Sie erklärt, daß Gott — als alliebender und allmächtiger Vater — nicht nur Krankheit und Leiden nicht verursacht, sondern daß Er sie auch nicht zuläßt, ebensowenig wie gute menschliche Eltern das täten. Wenn wir einen Schimmer dieser Tatsache erhaschen, die, zugegeben, den Wahrnehmungen der physischen Sinne genau entgegenläuft, und darauf aufbauen und ihrer geistigen Bedeutung entsprechend leben, werden wir umgewandelt, und die Umstände, die so schmerzlich und bedrohlich sind, ändern sich. Kurz, diese neue geistige Sicht bringt Heilung.

Das unterschiedliche Verständnis von Gott führt zu weiteren Unterschieden zwischen Christlichen Wissenschaftern und anderen Christen, die sich dem Heilen widmen — zu unterschiedlichen Auffassungen über Medizin und Psychologie, das Verhältnis von Körper und Seele, das Dasein usw. Diese Unterschiede müssen erkannt und respektiert werden, ebenso wie die übereinstimmenden Erkenntnisse und Ansichten geschätzt werden.

Wir hoffen, daß diese Bemerkungen — wie auch die Kurzbiographien am Schluß — dazu beitragen, die Zuverlässigkeit der Stellungnahmen zu bewahren und sie aus einer Sicht darzustellen, die sich beim Lesen der Worte im größeren Zusammenhang er vollständigen Gespräche böte.

Die Fragen und Antworten sind in drei Teile untergliedert: „Das Wesentliche beim Heilen", „Welche Stellung nimmt das Heilen heute in den christlichen Kirchen ein?" und „Wohin führt der Weg?" Die ersten zwei Teile erscheinen in dieser Ausgabe, der letzte Teil wird im nächsten Monat veröffentlicht.

Das Wesentliche beim Heilen

Frage: Was ist Ihrer Meinung nach eine Voraussetzung für das Heilen durch Gebet?

Antwort: Menschen, die sich dem Heilen widmen, müssen verstehen, daß sie nicht dazu da sind, sich selbst zu dienen, sondern den anderen. Wir beschreiben es als einen Dienst des Füßewaschens. Es bedeutet, sich mit einem Tuch zu umgürten, sich auf die Knie niederzulassen und dem anderen die Füße zu waschen.

— Rev. Dr. David Yohn, Kaplan und außerordentlicher Professor am Theologischen Seminar Andover-Newton

Frage: Was ist das Wesen des Heilens?

Antwort: In „Every Whit Whole" habe ich geschrieben, daß geistiges Heilen nicht einfach eine Alternative zur Heilung physischer Leiden bietet. Es ist eine völlig andere Auffassung von dem, was vor sich geht, was ein Mensch ist, was das Leben bedeutet, weshalb wir hier sind ... Haben Sie einmal beobachtet, wie ein Kind lesen lernt? Manchmal stolpert es eine ganze Zeitlang so dahin, und dann geht ihm plötzlich ein Licht auf. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Heilen. Die Horizonte erweitern sich.

— Michael Drury, Autorin von Every Whit Whole: the adventure of spiritual healing (Auch das Kleinste ist vollständig: Das Abenteuer des geistigen Heilens)

Frage: Wie erklären Sie sich Jesu Heilungen?

Antwort: Jesus öffnete sich dem Strom der Gnade völlig und uneingeschränkt. Wahrscheinlich ist er der einzige Mensch auf Erden, der solche völlige Transparenz besessen hat. Und deshalb glaube ich, konnte er auch so etwas wirklich Befremdendes, Anmaßendes sagen wie: „Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir." Man kreuzigt Menschen für solche Worte, nicht wahr? Wenn man zu Gott als der Quelle des Lebens schaut, und dies ist meine Definition von Gott, dann sagt Jesus: „Ich bin in der Quelle des Lebens, und die Quelle des Lebens ist in mir. Und ich kann sie weitergeben, ich kann sie ausströmen lassen." Und das, scheint mir, tat er. Was im Neuen Testament geschah, sehe ich nicht als Wunder an. Ich halte das, von dem im Neuen Testament berichtet wird, für normal. Was Jesus überall auf seinem Weg vollbrachte, könnte selbstverständlich jeder tun, wenn er solche Transparenz besäße. Ein Grund, warum wir diese Dinge als Wunder ansehen, ist der, daß es uns der Verantwortung enthebt, sie selbst zu vollbringen.

Frage: Was befähigte Ihrer Meinung nach Jesus, so erfolgreich zu heilen?

Antwort: Da gab es wohl mehreres. Eine Kraft der Liebe, die unendlich viel stärker ist, als Sie und ich es uns vorstellen können ... Liest man die Berichte über Jesu Heilungen, so trifft man auf eine erstaunliche Tatsache: Er wußte, was im Herzen eines anderen vor sich ging, selbst von jemandem, der weit weg war. Ich glaube, das war das Entscheidende, was ihn befähigte, so erfolgreich zu heilen.

— Rev. Arthur W. Greeley, Redakteur von Sharing, herausgegeben vom St. Lukas-Orden

Frage: Wie können wir als einzelne mehr Geistigkeit erlangen und im Heilen erfolgreicher sein?

Antwort: Gebet. Gebet. Das ist alles, was ich immer wieder dazu sagen kann. Wir Amerikaner lieben den Lärm. Wir können es nicht ertragen, still zu sitzen und ruhig zu sein. Manchmal sind wir so sehr damit beschäftigt, „Gottes Werk zu tun“, daß wir uns nicht die Zeit nehmen, uns hinzusetzen, allein mit Ihm. Auf Gott zu warten braucht Zeit. Es erfordert Disziplin. Und ich glaube, das ist der Schlüssel zu allem — dieses Warten auf Gott und willig sein, die Zeit daranzuwenden. Ich kann nicht darüber entscheiden, was jemand anders mit seiner Zeit anfängt. Aber ich weiß, was ich tun muß, und ich weiß, daß ich nicht genügend Zeit darauf verwende, es zu tun. Wenn ich meinen Morgen nicht mit einer Stunde im Gebet beginne, dann kann ich ebensogut den Rest des Tages vergessen. Und das bedeutet nicht, etwas auswendig vor sich herzusagen oder dazusitzen und zu lesen. Manchmal habe ich das Gefühl, daß es eine Stunde ist, in der ich mich nur auf Gott einstimme. Aber es ist notwendig. Es ist einfach unerläßlich, um den Rest des Tages zu meistern. So ist denn Gebet und das Entwickeln der Fähigkeit zu beten etwas Grundlegendes.

— Margaret Poloma, Autorin von The Charismatic Movement: Is There a New Pentecost? (Die charismatische Bewegung: Gibt es ein neues Pfingsten?)

Frage: Wie steht's mit Gebet?

Antwort: Am frühen Morgen, wenn ich gerade aufwache, da scheint Er [Gott] zu mir zu sprechen. Und ich kann verstehen, warum Jesus so früh am Morgen aufstand, um mehr von dieser Zeit für die Zwiesprache mit Gott, und nur mit Ihm, zur Verfügung zu haben. Und das ist natürlich wichtig für das Heilen ...

— Rev. Arthur W. Greeley

Frage: Was öffnet uns denn den Weg zum Heilen?

Antwort: Die Willigkeit, unsere Beziehung zu Gott zu vertiefen. Wenn Sie jemand ein- oder zweimal in der Woche grüßen, werden Sie ihn nicht sehr gut kennenlernen. Und ebenso werden Sie Gott nicht besonders gut kennenlernen, wenn Sie ein- oder zweimal in der Woche ein Gebet sprechen. Wir müssen Gott als lebendige Wirklichkeit erleben. Wenn die Menschen seelisch, physisch oder geistig in äußerster Not sind, dann wird oftmals Gott für sie wirklich, weil alles andere nicht mehr da ist oder nicht mehr hilft... Plötzlich müssen sie zu einer höheren Macht aufblicken, einer höheren Natur außerhalb ihrer selbst, weil alles, was ihrer Welt entstammt, alles, was im Bereich des Greifbaren ist, nicht geholfen hat und ihnen keinen Halt mehr gibt. Daher müssen sie sich etwas erschließen, was außerhalb ihrer selbst liegt. Dies kann auch in Augenblicken großer Freude geschehen. Es braucht nicht nur durch Krisen bedingt zu sein, aber leider kommt es im allgemeinen eher während einer Notsituation.

— Rev. Linnea Prefontaine, Hilfsgeistliche der Bethany Congregational Church, United Church of Christ, Foxboro, Massachusetts, USA, und protestantischer Kaplan im Kirchenrat von Attleboro und Umgebung für das Sturdy Memorial Hospital, Attleboro, Massachusetts

Frage: Was würden Sie jemandem sagen, der mit dem Heilen durch Gebet beginnen möchte?

Antwort: Entscheidend ist, was mich betrifft, daß man an den Punkt kommt, wo man glaubt, daß Gott heilen und die Menschen segnen will. Man fängt an, danach zu handeln, und es geschieht.

— Rev. Donald Bartow, Pastor der Westminster Presbyterian Church, Canton, Ohio

Frage: Was verstehen Sie unter Geistigkeit, und welche Rolle spielt sie im Heilungsprozeß?

Antwort: Ich würde Geistigkeit als eine Gnadengabe bezeichnen. Sie ist der Glaube, der auf die Gnade zurückgeht. Aber nicht nur das, er wendet sich darüber hinaus den anderen zu. So überschüttet uns denn das Göttliche beständig mit Gnade, und wir müssen uns entscheiden, ob wir uns die Gnade zu eigen machen wollen. Heilung und Geistigkeit sind bedeutungsgleich. Der Geistiggesinnte wird ein Heiler sein, und deshalb waren die großen Heiligen der Kirche Menschen, die — manchmal zu ihrem größten Erstaunen und manchmal zu ihrem äußersten Schrecken — auch Heilungen bewirkten. Man kann nicht geistig gesinnt sein und dabei kein Heiler sein. Es wäre ein Widerspruch in sich.

— Rev. Dr. David Yohn

Welche Stellung nimmt das Heilen heute in den christlichen Kirchen ein?

[Die nachstehenden Ausführungen sind bezeichnend für die großen Unterschiede unter den Christen, die sich dem Heilen widmen. Von den Befragten betrachteten die Charismatiker das zunehmende Interesse am Heilen mit größerem Optimismus als die Vertreter der großen traditionellen Kirchen. Aber praktisch alle Befragten stimmten darin überein, daß das Heilen heute in den Kirchen in höherem Ansehen steht als noch vor zehn Jahren.]

Frage: Wie würden Sie das Anwachsen der Heilungsbewegung in den christlichen Kirchen während der letzten Jahre beschreiben?

Antwort: Als erste Anwandlungen und Anfänge. Ich glaube, man neigt dazu, das Heilen als eine weitere Aufgabe der Kirche anzusehen und nicht als wesentlichen Teil ihrer selbst oder als wesentlichen Teil eines lebendigen Gebets. Man hat es bisher nur als eine weitere Missionstätigkeit betrachtet, als Anlaß zu einer weiteren Komiteegründung sozusagen. An den Rändern bröckelt es zwar ab, aber das Innere der herkömmlichen Theologie wird davon noch nicht berührt.

Frage: Aber glauben Sie, daß es Fortschritte gegeben hat?

Antwort: Ja, ich glaube, daß das Heilen sich in einer besseren Lage befindet als noch vor zehn Jahren. Als Beweis möchte ich die Tatsache anführen, daß ich jetzt jemanden zu einem Gespräch finden kann, der mich nicht wie ein Kalb mit zwei Köpfen anstarrt. Hier und da gibt es vereinzelt Leute, die einen nicht scheel ansehen. Das ist eine ganz generelle, subjektive Beobachtung. Ein objektiver Beweis mag die Tatsache sein, daß Gebetsbücher herauskommen und neu gedrucktes Material unterschiedlichster Herkunft mit Hinweisen auf liturgische Riten oder Ausdrucksmittel, die mit dem Heilen zu tun haben. Ob das nun in der bewußten Erwartung geschieht, daß sie auch benutzt werden oder nicht, sie werden doch wenigstens von kirchlichen Verlagshäusern gedruckt, was ihnen einige Glaubwürdigkeit verleiht. Es bedeutet, daß jemand in einer Machtposition dem Heilen Beachtung geschenkt hat. Auch kann man jetzt freier darüber sprechen. ... Ich glaube, das Heilen hat inzwischen mehr an Boden gewonnen als an Boden verloren. Wohin sein Weg weiterführt, weiß ich nicht.

— Rev. Linnea Prefontaine

Frage: Welche Anzeichen gibt es dafür, daß sich die Menschen zunehmend an Gott um Heilung wenden?

Antwort: Die Aufnahme der Heilungsbotschaft ist bisher einzigartig gewesen. Als ich 1959 damit begann, öffentlich Heilungsgottesdienste abzuhalten, konnte man sonst keine presbyterianische, methodistische oder andere Kirche finden, die das tat. Jedenfalls wüßte ich nicht davon. Heute aber tun es Hunderte. Und viele, die keine öffentlichen Gottesdienste abhalten, sympathisieren sehr mit der Botschaft, daß das Heilen eine echte Möglichkeit in unserer Zeit darstellt. Es wird großer Wert auf die Gaben des Geistes gelegt, zu denen heute auch das Heilen gehört. Es tritt stärker in den Vordergrund, und ich bin überzeugt, es wird sich weiter ausbreiten.

— Rev. Donald Bartow

Frage: Glauben Sie, daß das Heilen in den Kirchen weiter zunehmen wird?

Antwort: Ich glaube, es wird sich langsam weiter ausbreiten. Langsam, so hoffe ich. Es wäre nämlich ein Unglück, wenn es in den Kirchen wie ein Buschfeuer um sich griffe.

Frage: Weil es bei solcher Schnelligkeit keine Substanz hätte?

Antwort: Ja. Es hat auch jetzt wenig Substanz. Darum verblaßt es auch in gewisser Weise und verliert sich in Selbstbezogenheit .... Zweierlei geht hier also vor sich: Da ist der normale Widerstand in den Kirchen, aber da sind auch die kleinen Veränderungen, die sich einschleichen und den Widerstand brechen, wie zum Beispiel die Tatsache, daß diese Gottesdienste in den Kirchenbekanntmachungen veröffentlicht werden.

— Rev. Dr. David Yohn

Frage: Was lehren uns Ihres Erachtens die Heilungen in der frühchristlichen Kirche und die Tatsache, daß das Heilen langsam aufhörte?

Antwort: Mir scheint, daß die Umwandlung der frühchristlichen Kirche in die Staatsreligion ein Grund dafür war, daß nicht nur das Heilen, sondern auch die Lebenskraft und der zündende Funke zum großen Teil erloschen. Ganze Menschenmassen aus dem Norden Europas wurden mit einer Handbewegung zum Christentum gezwungen: „Du bist jetzt Christ, weil der Kaiser es so befiehlt.“ Und natürlich gab es kein wahres Christentum dort, außer daß einige, die sich politisch am geschicktesten verhielten, sich den Anstrich gaben, die Worte hersagten und der Form genügten. Danach folgten auch andere in ihrem Gefolge diesem Beispiel, gaben sich den Anstrich und wahrten die Form.

— Rev. Arthur W. Greeley

Frage: Warum hat es, besonders in den letzten dreißig Jahren, ein wachsendes Interesse am Heilen gegeben?

Antwort: Ich glaube, daß es einige soziologische und theologische Faktoren gibt, die in unserm Zeitalter dazu führen, daß wir Heilung erleben werden ... Einer der wichtigsten Faktoren ist das Bedrohliche unserer Zeit. Wir sind die einzige Generation, die je am Rande einer völligen Katastrophe gelebt hat. Dschingis-Khan fegte über Europa hinweg und verwüstete es. Die Pest raffte ungezählte Menschen dahin. Aber weder das eine noch das andere glich dem Untergang der gesamten Menschheit. Der Mensch hat jetzt die Möglichkeit in Händen, die Zivilisation durch bakteriologische und nukleare Kriegsführung uneingeschränkt, endgültig und vollständig auszulöschen ... Dies wird noch verschlimmert durch den Materialismus und Säkularismus, die stärker an die Oberfläche getreten sind, ebenso wie der Humanismus — die Vorstellung, der Mensch erfülle einen Zweck in sich selbst und könne buchstäblich alle seine Probleme selbst lösen. Aber es sieht nicht so aus, daß der Mensch alle seine Probleme löst! Um mit diesen Dingen fertig zu werden, brauchen wir mehr als selbstgefällige, friedliche Anbetung im Gottesdienst während einer Stunde am Sonntagmorgen. Die Menschen brauchen unbedingt ein echtes Erlebnis mit einem wirklichen Gott.

— Rev. Donald Bartow

Frage: Glauben Sie, daß die Ereignisse in jüngster Zeit den Weg für ein Interesse am Heilen geebnet haben?

Antwort: Rückblickend fällt mir ein Erlebnis aus den späten sechziger Jahren ein, das mein Interesse an Geistigkeit und Heilen weckte. Ich war damals im ersten Studienjahr. Zusammen mit einem Freund ging ich zum Harvard Square. Anscheinend hatte die Polizei wegen der Unruhen, die ausgebrochen waren, gerade die U-BahnStation abgeriegelt, und die Leute drinnen saßen fest. Als wir um die Ecke bogen, war da eine Kette von Polizisten des Sonderkommandos. Mir blieb das Herz stehen, weil sie aussahen, als wären sie aus einer anderen Welt. Wegen ihrer Visiere konnte man ihre Gesichter nicht sehen. Handschuhe verdeckten ihre Hände. Nichts Menschliches war an ihnen zu entdecken. Sie hatten Vorrichtungen, um Kanister mit Tränengas abzufeuern, und sie standen schußbereit da. In jenem Augenblick fühlte ich, wie alle Wahrheit über mich kam. In jenem Augenblick begriff ich vollständig die Schwäche des menschlichen Lebens und die Bedeutsamkeit der Gebetsversammlungen, die damals stattfanden, den Geist der Gemeinsamkeit und wie notwendig es ist, daß die verschiedensten Menschen miteinander zusammenkommen. Dieses Erlebnis forderte wirklich meine Geistigkeit heraus und mein Interesse am Heilen.

— Rev. M. Jeanne Sproat, Domkaplan, St.-Pauls-Kathedrale, Boston, Massachusetts, USA

Biographische Angaben über die Interviewpartner (in chronologischer Reihenfolge)

Reverend Dr. David Yohn: Kaplan und außerordentlicher Profesor am Theologischen Seminar Andover-Newton, Massachusetts. Zusammen mit seiner Frau, Rev. Dr. Craig Millett, unterrichtet er einen Kursus mit dem Titel: „Zur Geschichte, Theologie und Praxis des Heilens in der Kirche". Besonders interessiert ist er daran, Menschen, die an einer lebensbedrohenden Krankheit leiden oder sie überwunden haben, zu helfen, für andere mit derselben Krankheit zu sorgen. Er ist unter anderem auch davon überzeugt, daß man „Energie“ beim Heilen übertragen kann; er sprach über Gebet, das die Medizin und die medizinische Behandlung unterstützt, und über den Wert „neuer physikalischer Erkenntnisse“ und der „neuen Medizin“.

: Autorin einer Anzahl von Büchern und Zeitschriftenartikeln. Sie schrieb ein Buch über das Heilen mit dem Titel: Every Whit Whole: the adventure of spiritual healing. In dem Buch greift sie weit auf eigene Erfahrungen und Beobachtungen zurück. Im Gegensatz zu vielen anderen, die sich mit dem Heilen befassen, behauptet sie, es gebe einen grundlegenden Unterschied zwischen medizinischer Behandlung und Heilung durch Gebet. Beide führten unausweichlich in unterschiedliche Richtungen. Sie ist eine überzeugte Christin, obwohl sie zur Zeit formal keiner Kirche angehört.

:Redakteur der Zeitschrift Sharing, die vom St.-Lukas-Orden herausgegeben wird, einer ökumenischen Organisation, die sich dem Heilen widmet. Bevor er methodistischer Geistlicher wurde, verbrachte er viele Jahre in der US-Forstverwaltung. Wie viele Christen, die sich mit dem Heilen befassen, glaubt er, daß Jesus heute persönlich am Heilprozeß beteiligt sei.

: Autorin von The Charismatic Movement: Is There a New Pentecost? und Professorin für Soziologie an der Universität Akron, Ohio, USA. Sie ist charismatische Katholikin. Obwohl das Heilen nicht ihr vorrangiges Ziel ist, betrachtet sie es doch als eine der Gaben, die in der charismatischen Anbetung im Mittelpunkt stehen.

: Hilfsgeistliche an der Bethany Congregational Chruch, United Church of Christ, Foxboro, Massachusetts, USA, und protestantischer Kaplan des Kirchenrates in Attleboro und Umgebung für das Sturdy Memorial Hospital Attleboro, Massachusetts. Als Krankenhauskaplan kombiniert sie Gebet mit medizinischen und psychologischen Vorstellungen. Wie viele andere glaubt sie, daß irdische und körperliche Elemente Teil der göttlichen Realität seien. Selbst der Tod, so behauptet sie, könne als „Teil der gottverliehenen Ordnung" gesehen werden.

: Pfarrer an der Westminster Presbyterian Chruch, Canton, Ohio, USA. Er hat Bücher über das Heilen geschrieben und bekleidet seit 1959 ein geistliches Amt in der Heilungsbewegung. Seine Heilungsgottesdienste sind in ihrer Art charismatisch: Die Menschen kommen nach vorn, damit ihnen Hände aufgelegt werden, oft werden sie „vom Geist geschlagen“ und reden oder singen in Zungen. Er ist in einigen evangelikalen Fernsehsendungen aufgetreten.

: Erste ordinierte Frau der Episkopaldiözese von Massachusetts. Sie ist Domkaplan an der St.-Pauls-Kathedrale, Boston, Massachusetts, USA, und hält wöchentlich Heilungsgottesdienste ab. Ihr Interesse am Heilen wurde zum Teil durch die Arbeit von Dr. Granger Westberg angeregt, der mithalf, Krankenstationen innerhalb der Kirchen einzurichten.

[Diese Gesprächsrunde wird in der nächsten Ausgabe des Herolds, Oktober 1989, fortgesetzt.]

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