In den späten dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts, als gerade eine schwere Wirtschaftskrise die Vereinigten Staaten lähmte, skizzierte William Saroyan in seinem Theaterstück The time of your life (deutscher Titel: Ein Leben lang) einen Weg voller Wärme und Freude. Das Srück war eine poetische Komödie in der Art einer humorvollen Liebesgeschchte und gewann später den Pulitzer-Preis. Das Publikum jener Zeit empfand es als einen Hoffnungsschimmer in der damaligen düsteren Atmosphäre, als ein Licht, das auch auf die kleinsten Augenblicke schien, und jeden davon aus purer Freude am Leben feierte.
Die Stimmung heute ist zwar weniger düster als in den Dreißigern, aber dafür umso aufreibender. Verunsicherung und Ungewissheit stellen sich manchmal schneller ein und schlagen härter zu. Darum ist es umso wichtiger, daran erinnert zu werden, dass das Leben nicht nur aus all den materiellen Reichtümern besteht, die man horten kann, noch aus all der Anerkennung und den persönlichen Leistungen, für die man sich abrackert.
„Lebe dein Leben lang so", schrieb Saroyan im Vorwort zu seinem Stück, „dass es in dieser guten Zeit keinen Schrecken oder Tod gibt, weder für dich noch für irgendein Leben, das das deine berührt. Such überall das Gute, und wenn du es findest, hol es aus seinem Versteck und lass es sich frei und ohne Scham entfalten. Halte Materielles und Fleischliches am wenigsten wert ... Lebe dein Leben lang so, dass du in dieser wunderbaren Zeit dem Leid und den Sorgen der Welt nichts hinzufügst, sondern über ihre unendliche Freude und Rötselhaftigkeit lächelst."
Dichter können manches besser ausdrücken als andere. Das gibt ihnen aber noch nicht die Exklusivrechte des Erlebens. Dann aber muss es einen Weg geben, der uns das Leben in jedem Moment erfüllter leben lässt, zumindest erfüllter, als wir es jetzt tun, und wo wir uns all seiner Schönheit erfreuen können. Es hilft schon mal, das Tempo zu drosseln. Dann rasen wir nicht vorbei an einem Sonnenuntergang — oder an einem Kind —, die beide nur darauf warten, uns zu beschenken. Es hilft auch, von der Autobahn abzufahren und die weniger befahrenen Straßen aufzuspüren. Dann begegnen wir den unerwarteten Freuden.
Es ist aber nicht immer so einfach. Verringere das Tempo, erhöhe die Wertschätzung. Folge den unbekannten Pfaden. Das sind gute Kalendersprüche, taugen sie aber auch, das Leben zu verändern? Das Leben in der heutigen Zeit erlaubt kaum eine Pause, speziell jemandem, der, sagen wir, Alleinerzieher ist oder ein überlasteter Student. Probleme wie Familientragödien, körperliche Schmerzen oder Einsamkeit und Ziellosigkeit mancher alter Leute unterminieren die Lebensfreude. Sie wird begraben, wenn sie auf nichts Sichererem als auf einer Art Stimmungshoch aufgebaut ist.
Wie können wir aber auf Granit bauen? Indem wir unsere Freude am sichersten Punkt festmachen. Die Dichtungen des Psalmisten sprühen nur so von Hinweisen, sich an Gott zu freuen, Entzücken zu empfinden an Gottes Gesetz, freudig Gottes Willen zu tun, und so weiter. Warum? Könnte es sein, dass Gott, der göttliches Leben ist, uns zu solcher Freude einlädt, einfach kraft Seiner Natur? Dieses Leben ist unbehindert, unendlich, unbeschädigt und unbefleckt. Wie könnten wir uns an diesem Leben denn nicht erfreuen? Und Freude, die so fest gegründet ist, vervielfacht sich, wie das Lachen in einem Zimmer voller Grundschüler. Es ergießt sich in Fülle selbst über die kleinen Ereignisse unserer Tage, über alles, was wahren Wert besitzt.
Neben diesen „Erfreut euch des Herrn"-Passagen existiert noch eine andere Art Zitate in der Bibel. Diese Verse sprechen nicht von unserer Freude an Ihm, sondern von Seiner Freude an uns. Und das schließlich bringt uns zur Quelle, zur Basis unseres Lebens und Liebens. Wir können uns bewusst am Leben erfreuen, weil sich das göttliche Leben bewusst an uns erfreut. Leben Augenblick. Gott kennt uns, liebt uns und sorgt für uns. Weil wir so gesehen werden, wie wir wirklich sind — geistig und vollkommen, können wir das Leben so sehen, wie es wirklich ist: geistig und vollkommen. Damit öffnen sich Gedankentore. Wir sehen mehr von dem Wunder und der Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen und jedes einzelnen Augenblicks.
Die Lehren des Psalmisten führen ganz natürlich zu Christi Jesu Beispiel. Er zeigte, was geschieht, wenn man das Gesetz des Lebens liebt und es vollständig lebt. In seinem Wirken offenbarte sich das tiefste Verständnis von der Natur des Lebens. Jesus veranschaulichte ein Leben, erhaben über alle Verzweiflung oder Niederlage und sicherlich erhaben über alle Verzweiflung Routine. Er lehrte: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen." Joh 10:10. Ein Leben grenzenloser Fülle, reich an Qualität, reich an Quantität, reich an Freude und Wonne. Christus Jesus kam, um uns das zu schenken. Und das war es auch, was er an sich selbst erfuhr.
Vielleicht haben Maler und Theologen über die Jahrhunderte hinweg nur recht einseitig einen schmerzensreichen Heiland dargestellt. Konnte es wirklich so eine trübe Aufgabe sein, die Kranken zu heilen, die Menge zu speisen, Stürme zu stillen und die Sünder von ihrer Bürde zu befreien? Würden Sie oder ich dann so traurig aussehen ? Würden wir uns nicht daran freuen, mit einer solchen Beständigkeit zu heilen? Würde das nicht Freude am Leben bedeuten, auf einer höheren und reineren Ebene, als wir das jemals gekannt haben?
Vielleicht könnte man sich den „Mann voller Schmerzen" genauso gut als den „Mann voller Freuden" vorstellen. Wenn es Freude ist, den Willen Gottes zu tun — und das ist es — hatte dann irgendjemand eine freudigere Zeit als der Meister aller Christen? Und sein Beispiel gibt uns, mehr als alles andere, den Granit, die sichere Grundlage, um darauf zu bauen. Mehr und mehr können wir dann sagen, dass nicht ein Tag vergeht, an dem wir uns nicht an irgendetwas Neu-Entdecktem in der Schöpfung Gottes freuen.
Auf dieser geistigen Höhe wird das Leben und unser Bewusstsein davon ein dauerndes Abenteuer. Mary Baker Eddy spricht von „dem göttlichen, kühnen Unternehmen der Liebe", wobei sie Liebe als göttliches Synonym verwendet. Sie schriebt: „Wir leben in einem Zeitalter des göttlichen, kühnen Unternehmens der Liebe, Alles-in-allem zu sein." Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, und Verschiedenes, S. 158.
Dieses „Unternehmen" schließt die Art dichterischer Lobpreisung ein, die so jemand wie William Saroyan oder Walt Whitman gutheißen würde. Aber es ist ein göttliches Unternehmen, ein göttliches Abenteuer. Deshalb schließt es alles Gute in sich ein. Der ganze Spielraum von Gottes wunderbarer Schöpfung ist ein Schauplatz der Entdeckung und Freude. Dieses göttliche Abenteuer führt zu geistigen Höhen, ähnlich denen des Mount Everest, mit unbehinderten Ausblicken und höheren geistigen Perspektiven vom Leben und seinen Freuden. Von diesem Gipfel aus beginnen wir zu verstehen, dass das Leben selbst uns kennt, uns liebt und sich jeden Augenblick an uns erfreut. Freude am Leben und an der ganzen Schöpfung des Lebens ist dann die Folge.
