Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Stille in Europa

Aus der Januar 2000-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Vielleicht haben Sie es auch einmal erlebt: Sie möchten über ein wichtiges Thema nachdenken oder Sie suchen Trost in einem Bibelvers oder Sie wollen eine Entscheidung treffen, die auf Inspiration beruhend neue Möglichkeiten eröffnet. Um Sie herum ist Lärm und Getöse. Schließlich rufen Sie: „RUHE!"

Stille, zumal in Großstädten, scheint heute kaum noch zu existieren. Autos, Musik, Hubschrauber, Marktschreier — all das vermischt sich zu einem oft ohrenbetäubenden Lärm. Und viele Menschen sehnen sich nach Stille. Nach einer Stille, in der sie Gott, Seine Liebe und Allmacht, Seine Gegenwart, deutlich empfinden können.

Als Christus Jesus vor 2000 Jahren durch Palästina zog und die Menschen heilte, suchte er manchmal die Stille — in der Wüste oder auf einem Berg —, um Gottes Wort zu vernehmen. Und trotz allen Lärms in unserer Zeit können auch wir heute Gottes Wort vernehmen. In Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift schreibt Mary Baker Eddy: „Die Wirkungen von Christian Science sind weniger sichtbar als fühlbar. Sie ist, ein stilles, sanftes Sausen' der Wahrheit, das sich kundtut. Entweder wenden wir uns von dieser Verkündigung ab oder wir lauschen auf sie und steigen höher." Wissenschaft und Gesundheit, S. 323. Jeder kann diese Botschaft vernehmen, denn das Bewusstsein von geistiger Stille ist nicht von Dezibeln abhängig. Alle Sorgen fallen lassen und Gott vertrauen — in dieser Stille kommt Ermutigung zu uns. Einen Streit beenden, den Mund halten, wenn menschliche Meinungen sich Gehör verschaffen wollen — in dieser Stille wird Frieden und Heilung erlebbar.

Vor einiger Zeit erlebten Millionen Menschen in Europa, in Paris und München, in Wien und Bukarest, eine Phase der Stille. Und viele gewannen aus diesem Erlebnis eine geistige Perspektive. Sie unterbrachen ihre Arbeit, sie waren sprachlos, sie hatten Tränen in den Augen. Viele beteten. Hier ist eine kurze Beschreibung, wie ich diese Zeit erlebt habe.

Die astronomischen Fakten klingen nüchtern und sind schnell erzählt: In den Mittagsstunden des 11. August 1999 haben diese Menschen eine totale Sonnenfinsternis beobachtet. Die totale Abdeckung der Sonne durch den Mond dauerte etwas über zwei Minuten. Dieses Schauspiel tritt im gleichen Gebiet erst wieder im Jahr 2081 auf.

Der Himmel über der ungarischen Puszta ist blau. Kleine weiße Wölkchen erinnern an Segelboote auf einem See. Der leichte Wind kühlt angenehm, irgendwo bellt ein Hund. In den Gärten stehen Familien, blicken durch Spezialbrillen zur Sonne — Feiertagsstimmung mitten in der Woche. Gegen 11.30 Uhr beginnt sich der Mond vor die Sonne zu schieben. Die Sonne hat eine erste Delle. Der Astronom nennt dies den ersten Kontakt.

Gegen 12.25 Uhr lösen sich die letzten Wölkchen auf. Die Abkühlung vermindert die Thermik. Die Hähne krähen — das war doch sonst nicht in der Mittagszeit? Die Sonne ist zur Sichel geworden. Dann: ich habe die Stille „gehört". Keine Stimmen, kein Vogelzwitschern, kein Rascheln. Windlose Stille. Atemlose Stille. Der Blick wandert zum Horizont: Im Westen tiefes Dunkelblau. Auch gewittriggrau. Im Osten noch hell erleuchtet. Und doch farbintensiver als gewohnt. Nichts ist wie gewohnt. Die Helligkeit ist „anders als gewohnt", die Dunkelheit „anders als gewohnt", das Grün und Braun der Natur „anders als gewohnt".

Um 12.50 Uhr ist der noch sichtbare Teil der Sonne hauchdünn, wie mit einem Messer geritzt, der Himmel im Westen tiefblau, aber nicht nachtschwarz. Erst ein Stern, schließlich mehrere, erscheinen am Himmel. Merkur und Venus sind zu sehen. Vielleicht ist es kühler geworden? Uns ist jedenfalls heiß vor Aufregung und Begeisterung. Das Licht, das jetzt noch durch das Laub auf den Boden gleitet, formt die so genannten Sonnensicheln. Unglaublich, die Sichel der Sonne hundertfach auf den Boden der Wiese projiziert.

Auf dem Boden sehen wir Schleier tanzen, die ein wenig an Lichtspiele auf dem Meeresboden am Strand erinnern, wenn die Sonne das flache Wasser bescheint. Beim Anblick dieser Schleier erwartet man Wind. Doch es ist windstill. Urplötzlich stehen wir im Dunkeln. Der Kernschatten des Mondes hat uns erreicht.

Um 12.56 Uhr tritt die totale Sonnenfinsternis ein. Die schmale Sichel der Sonne zerfällt in einzelne helle Lichtpunkte. Der Himmel ist schwarzblau, das Auge wandert fast magisch angezogen zur verdeckten Sonne. Der Mond wirkt schwärzer als schwarz, die leuchtende Korona ist weiß. Die Zeit verwischt: Sind es zwanzig Sekunden oder zwanzig Minuten, die wir diese Phase bestaunen? Nach etwas mehr als zwei Minuten bricht ein greller Lichtpunkt, ein so genannter Diamant, am rechten Rand des Mondes hervor — in wenigen Augenblicken wird der Horizont gen Westen gelblich, dann kräftig hell und wir bemerken die wärmenden Sonnenstrahlen. Licht und Schattenspiele, tiefes Schwarz und helles Licht haben ein unvergessliches Schauspiel präsentiert. Wir stehen wieder im vollen Licht der Sonne.

Tage zuvor hatte ein Physiker im Fernsehen über diesen ersten Kontakt gesprochen und geschildert, wie in seiner Erfahrung das Physikalische, Astronomisch-Wissenschaftliche in diesem Moment einer andachtsvollen Ergriffenheit weicht. Für mich vermittelte dieser Augenblick etwas von der allmächtigen, zuverlässigen, ewigen Tätigkeit des göttlichen Prinzips.

Die Sonnenfinsternis war nur der äußere Anlass über die tiefere Bedeutung eines Bewusstseins der Stille nachzudenken. Sie war ein Bei spiel, wie sich jeder vom Lärm der Befürchtungen und Sorgen abwenden kann, um Harmonie und Ermutigung zu empfinden. Mary Baker Eddy stellt fest: „Geist, Gott, vernehmen wir, wenn die Sinne schweigen." Ebd., S. 89.

Welch großartige Verheißung! Die Macht des Geistes bringt jede Disharmonie zum Schweigen. Was Christian Science über Gott und Leben offenbart, stärkt unser Verständnis vom wahren Sein, in dem Selbstgerechtigkeit und Stolz, Neid und Rache kein Gehör finden. An der Schwelle zu einem neuen Millennium erleben viele Menschen, dass diese Stille zu ihnen gehören kann und dass sie Gott vernehmen, wenn die Sinne schweigen.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Januar 2000

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.