Viele Gelehrte betrachten Augustinus als den dritteinflussreichsten Kirchenlehrer in der Geschichte des Christentums. Sie behaupten, er habe die christlichen Lehren so maßgeblich geprägt, dass er dabei nur von Jesus und Paulus übertroffen wurde. Seine Schriften beeinflussten Klerus und Laien über mehr als tausend Jahre lang vom frühen Mittelalter bis zur protestantischen Reformation. Teile seiner Lehren haben heute noch in vielen christlichen Religionsgemeinschaften Geltung.
Das Leben des Augustinus war so komplex und mannigfaltig wie seine Theologie. Er wurde 342 n. Chr. in Nordafrika geboren und bekehrte sich erst zum Christentum, als er Anfang dreißig war. Seine Jugend war charakterisiert durch Promiskuität und Ausschweifung, was seine Ansichten über die Erbsünde beeinflusste. Er nahm auch die Prädestinationslehre an, der zufolge eine kleine kirchliche Elite über eine korrupte und degenerierte, zu ewiger Verdammnis bestimmte Gesellschaft herrschen würde. Er schrieb, die göttliche Liebe und Gnade sei nur wenigen Erwählten zugänglich.
Aber an vielen Stellen seiner umfangreichen Schriften offenbarte Augustinus ein hohes Maß an Glauben und geistigem Verständnis. Nachdem er der Kirche beigetreten war, stieg er bis zur Position des Bischofs von Hippo Regius auf. Und gegen Ende seines Lebens, nachdem er in Italien und Nordafrika viele Heilungen miterlebt hatte, änderten sich seine Auffassungen über Gott und den Menschen beträchtlich.
In seinem größten Werk, De civitate Dei, in dem er die christliche Kirche gegen heidnische Angriffe verteidigte, warb er um mehr Anerkennung der heilenden Macht Gottes. Am Schluss dieser klassischen Schrift tritt er entschieden für das christliche Heilen als einen wesentlichen Teil der Lehren und des Wirkens Christi Jesu ein. Ein renommierter Historiker stellte fest, dass „Augustinus Wunder als nötig erachtete, um der Kirche Autorität zu verleihen, die Wahrheit zu bestätigen und die Häretiker zu verwirren” E.G. Weltin, Athens and Jerusalem: An Interpretative Essay on Christianity and Classical Culture [Athen und Jerusalem: eine interpretierende Abhandlung über das Christentum und die klassische Kultur] (Atlanta. Ga.: Scholars Press, 1987), S. 111..
Eine der großen Herausforderungen, mit denen sich Augustinus im vierten und fünften Jahrhundert konfrontiert sah, war die Frage, wie man die Zweifel und den Unglauben einer wachsenden Zahl von Skeptikern gegenüber dem geistigen Heilen überwinden konnte. Er äußerte sich mit großer Offenheit und Überzeugung zu diesem Thema. Wie viele Schreiber in der frühen christlichen Kirche bezeichnete er die Heilungen oft als „Wunder”. Er schrieb: „Es wird manchmal vorgebracht, dass die Wunder, von denen die Christen behaupten, sie hätten sich ereignet, nicht länger geschehen. Eine Antwort könnte sein, dass sie nicht länger wie einstmals benötigt werden, um einer ungläubigen Welt zum Glauben zu verhelfen ... Wie dem auch sei, der eigenwillige Skeptizismus unserer Freunde ist nicht gerechtfertigt. Es ist einfach nicht zu bestreiten, dass sich tatsächlich zahllose Wunder ereignet haben, die das eine erhabene und errettende Wunder der Himmelfahrt Christi bestätigen ... Die Bücher, die von diesen Wundern berichten, sind absolut vertrauenswürdig und, was noch wichtiger ist, sie halten nicht nur die Bezeugungen der Wunder fest, sondern das eigentliche Ziel unseres Glaubens, das die Wunder bestätigen sollen.”De civitate Dei [Vom Gottesstaat], Buch XXII, Kap. 8, Abs. 1, 2.
Auf den abschließenden Seiten seines Hauptwerkes berichtet Augustinus im Einzelnen von Heilungen, die er in Nordafrika erlebt hat. Diese Schilderungen enthalten einige der bewegendsten und mitfühlendsten Beschreibungen über die Zerstörung von Krankheit, die je ein Autor im Mittelalter verfasst hat.
Eines der detailliertesten Zeugnisse ist die Erfahrung eines mittleren Verwaltungsangestellten, Innozenz mit Namen, der in der Stadt Karthago lebte. Dieser Mann hatte sich einer schwierigen Operation unterzogen, die ihn nicht zu heilen vermochte. Er hatte starke Schmerzen und die Ärzte teilten ihm mit, dass noch eine Operation nötig sei, um das physische Problem zu beseitigen.
Voller Angst willigte Innozenz schließlich in eine weitere Operation ein, aber erst nachdem er von einem weltberühmten Spezialisten aus der fernen Stadt Alexandria untersucht worden war. Dieser war nach Karthago gereist und hatte die Ansicht der dortigen Ärzte bestätigt, dass die Operation nötig sei.
Am Tag vor der Operation versuchten viele Freunde und Geistliche Innozenz zu trösten, und sie kamen überein für seine Genesung zu beten. Zudem beschlossen sie, während der Operation bei ihm zu bleiben. Augustinus gehörte zu dieser Gruppe, die versuchte dem sorgenerfüllten Freund Mut zu machen. Über die Ereignisse des folgenden Morgens berichtet er:
„Der schreckliche Tag hatte kaum zu dämmern begonnen, als alle diese Männer Gottes sich an der Tür einfanden, um ihr Versprechen zu halten. Die Ärzte traten ein und die nötigen Vorbereitungen begannen sogleich. Beim Aufleuchten jedes einzelnen metallenen Instruments rangen wir nach Luft und hielten den Atem an. Als der Körper des Patienten für den Eingriff des Operations-arztes in die richtige Lage gebracht wurde, standen die engsten Freunde von Innozenz an seiner Seite und flüsterten ihm tröstende Worte zu, um seinen ermatteten Geist zu ermuntern.
Der Verband wurde abgenommen. Die Stelle wurde freigelegt. Der Arzt nahm sie in Augenschein ... Er schöpfte jedes Mittel medizinischer Untersuchung aus. Aber es war nichts zu finden außer vollkommen gesundem Gewebe!
Stellen Sie sich den Ausbruch von Freude und den Strom dankbarer Tränen vor, das Lob und den Dank, den alle Anwesenden an den Gott der Gnade und der Macht richteten! Es war eine unbeschreibliche Szene. Ich kann sie einzig der Vorstellungskraft meiner Leser überlassen.” Ebd., Abs. 5–13.
Augustinus berichtet in seinem berühmten Werk von anderen beeindruckenden Heilungen. Eine gesellschaftlich hochgestellte Frau aus Karthago wurde durch Gebet und ihren frommen Glauben an Gott von Brustkrebs geheilt. Da ein ortsansässiger Arzt ihren Heilungsbericht ins Lächerliche zog, forderte Augustinus sie auf, ihren Freunden diese Heilung detailliert zu schildern. Er schrieb später, dass sie „mit höchstem Erstaunen zuhörten und nach Beendigung Gott lobpriesen” Ebd., Abs. 16..
Mehr als jeder andere Sprecher seiner Zeit forderte er, dass die Taten geistigen Heilens sorgfältig registriert und unter der Bevölkerung allgemein bekannt gemacht werden.
Ein Mann aus einer nahe gelegenen Stadt wurde von Lähmung und einem Bruch geheilt. Ein Jugendlicher auf dem Lande wurde von einer Dämonenattacke und einer schweren Augenverletzung befreit. Ebd., Abs. 18, 21, 22. In einer anderen Stadt heilte ein Bischof, der an einer Prozession teilnahm, eine Frau von Erblindung. Ebd., Abs. 25. Viele andere Heilungen von schweren Krankheiten bei Kindern und älteren Menschen werden beschrieben.
Am Ende seines Werkes De civitate Dei schrieb Augustinus ausführlich darüber, wie notwendig es ist, dass die christliche Kirche ihren beachtlichen Schatz an geistigen Heilungen bewahrt und publik macht. Mehr als jeder andere Sprecher seiner Zeit forderte er, dass die Taten geistigen Heilens sorgfältig registriert und unter der Bevölkerung allgemein bekannt gemacht werden. Denn, so behauptete er, dieser wachsende Schatz an bemerkenswerten Heilungen, erzählt und wieder erzählt, würde immer mehr Leute zur Kirche ziehen. Es würde die Heiltätigkeit stärken als ein zentrales Element des Christentums, wie es von Jesus und den Aposteln gelehrt wurde.
Augustinus erkärte, warum das Aufzeichnen und Aufbewahren der Heilungsberichte in seiner eigenen Stadt Hippo Regius und in den nahe gelegenen Städten für die Kirche so wichtig war: „Tatsache ist, dass ich dieses Berichten und Bezeugen in die Wege geleitet habe, sobald ich erkannte, wie viele Wunder sich in unseren Tagen ereignen, die denen der alten Zeit sehr ähnlich sind, und auch, wie falsch es wäre, diese Zeugnisse der göttlichen Kraft aus dem Gedächtnis unserer Leute verschwinden zu lassen. Es ist erst zwei Jahre her, seit wir die Aufzeichnungen hier in Hippo Regius begonnen haben, und zum Zeitpunkt dieser Niederschrift haben wir nun schon fast 70 Wunder bezeugt. Ich weiß mit absoluter Sicherheit von vielen anderen, die bisher noch nicht erfasst worden sind. Und natürlich ist die Zahl der bezeugten Fälle in Calama, wo man viel früher niederzuschreiben begann und wo die Wunder viel häufiger vorkommen, unvergleichlich größer.” Ebd., Abs. 35.
Augustinus forderte die Kirchen auf, in ihren Gottesdiensten einzelne Heilungsberichte verlesen zu lassen, damit dieser wichtige Aspekt des Christentums unter den Anhängern gut bekannt werde. Er forderte seine Glaubensgenossen auf, dieses wichtige Werk, das die Lehren der Bibel erfüllt, nicht zu vergessen. Er stellte fest: „Es ist also einfach Tatsache, dass es sogar in unseren Tagen keinen Mangel an Wundern gibt. Und Gott, der die Wunder, von denen wir in den Schriften lesen, vollbringt, bestimmt auch, wie sie geschehen. Leider sind diese modernen Wunder nicht so gut bekannt wie die früheren, noch werden sie durch dauerndes Vorlesen genügend ins Gedächtnis der Leute eingeprägt, damit sie sozusagen wie Steine im Zement stecken.” Ebd., Abs. 39.
Der Beitrag des Augustinus zum geistigen Heilen ist in vieler Hinsicht dem anderer großer Führer der Bibel und der christlichen Kirche vergleichbar. Wie Mose, Elia, Elisa, Jesus und Paulus ist er für große Fortschritte in der biblischen Theologie und der Morallehre bekannt. Ihre Förderung des geistigen Heilens ist oft ignoriert und vergessen worden.
Eine Wiederbelebung des Wissens über die Errungenschaften dieser geistigen Führer würde das christliche Heilen in unserer Zeit voranbringen. Ihr Verständnis und die göttlichen Fähigkeiten, die sie bewiesen, können uns als Beispiel dienen und uns selber beim Heilen der Kranken helfen.
