Kürzlich las ich in einer Zeitschrift einen Artikel über die Restaurierung der biblischen Motive an den Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle. Vor zwanzig Jahren, als ich Rom besuchte und Michelangelos Meisterwerk sah, war es sogar für mein ungeübtes Auge offensichtlich, dass das Originalgemälde des Künstlers unscharf geworden war. Heute grüßen die bekannten Renaissancemalereien den Besucher mit klaren, brillanten Farben, so wie der Meister sie sich vorgestellt hatte — das Resultat von beträchtlichem liebevollem Aufwand der Restauratoren.
Diejenigen, die ein Kunstwerk restaurieren, erschaffen nichts Neues, sondern sie ermöglichen es uns, wieder das ursprüngliche Kunstwerk zu sehen. Geduldig entfernen sie den angesammelten Schmutz und lösen auch noch Lackschichten ab, die andere aufgetragen haben.
Genauso erschafft geistiges Heilen nichts Neues, sondern es offenbart Gottes „Original”, Seine vollkommenen Geschöpfe, zum Bilde des einen vollkommenen Schöpfers gemacht. Obwohl Unwissenheit und falsche Erziehung die Sicht der Menschen auf wahre Männlichkeit und Weiblichkeit verdunkelt haben mögen, bleibt doch die wirkliche Identität, die wahre Natur eines jeden von uns, vollkommen. Aber im Gegensatz zu einem Gemälde, auf dem sich die zusätzlichen Farbschichten mit dem Original vermischen können, wird Gottes Meisterwerk niemals von der Unvollkommenheit berührt. Die geistige Individualität eines jeden von uns ist immer makellos, ohne Verunreinigung.
Es gibt noch einen anderen entscheidenden Unterschied zwischen geistiger Wiederherstellung und der Restaurierung von Kunstwerken. Die Aktivität der geistigen Wiederherstellung vollzieht sich im individuellen Bewusstsein und befasst sich nicht mit einem materiellen Objekt. Sie schließt mentale und moralische Erneuerung ein und ist die Wirkung von Gottes Offenbarung dessen, was Er geschaffen hat. Die Erneuerung wird sichtbar in geläuterten Motiven, gestärkter Nächstenliebe und christusgleicher Hingabe an höhere Ideale wie auch in der Wiederherstellung des Wohlergehens.
Der Erlöser der Menschheit, Christus Jesus, demonstrierte die wiederherstellende Macht Gottes. Er veranschaulichte die geistigen Tatsachen, die materielle falsche Auffassungen auflösen und die Vollkommenheit des wirklichen Seins enthüllen. Und er bewies sie, indem er den Menschen Sehvermögen, Gehör, Gesundheit und Beweglichkeit wiedergab.
Jesus erbrachte den Beweis, dass Gottes Gegenwart und Macht, der Christus, schon immer bestanden hat, um zu erlösen und wiederherzustellen. Wissenschaft und Gesundheit erklärt: „Christus ist die wahre Idee, die das Gute verkündet, die göttliche Botschaft von Gott an die Menschen, die zum menschlichen Bewusstsein spricht. Der Christus ist unkörperlich, geistig — ja, das göttliche Bild und Gleichnis, das die Illusionen der Sinne vertreibt; er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, die Kranke heilen und Teufel austreiben, Sünde, Krankheit und Tod zerstören.” Mary Baker Eddy, Wissenschaft und Gesundheit, S. 332.
Diese Botschaft von Gott ist heute nicht weniger eindeutig, als sie es vor Jahrhunderten war. Zu denen, die an Krankheit leiden, sagt Christus: „Entdecke deine unverletzliche Gesundheit und dein Wohlergehen als das vollkommene Kind des vollkommenen Gottes und sei gesund!” Zu denen, die in Sünde gefangen sind, kommt der Christus und ermahnt sie: „Seid frei! Gott hat euch nie zu Sklaven des physischen Sinnes gemacht.” Zu jedem, dessen Lebensgefühl durch Schichten eines materiellen Daseinsbegriffs getrübt ist, bringt der Christus Gottes Botschaft der Hoffnung und Erlösung: „Finde Erneuerung, indem du deine geistige Beziehung zu Gott entdeckst, und erlebe all die Größe, die Gott dir als Seinem Meisterwerk verliehen hat!”
Wir beginnen mit dieser Erneuerung, indem wir erkennen, dass Gott uns niemals als Seine makellose Schöpfung aus den Augen verloren hat. Diese göttliche Tatsache löst die Härte des Herzens und die Unreinheit der Gedanken auf.
Für die Restauratoren, die eine große Leinwand zu reinigen haben, kann geduldige Beharrlichkeit wichtig sein. In gleicher Weise müssen wir uns bei der mentalen und moralischen Wiederherstellung in Geduld mit uns selbst und anderen üben.
Eine Heilung, die ich hatte, dient als Veranschaulichung. Ich hatte meine Hand an einem elektrischen Heizgerät verbrannt. Obwohl ich es schaffte, meine Verpflichtungen für diesen Tag zu erfüllen — u. a. auch einen Freund zu begleiten, den ich zu seinem ersten christlich-wissenschaftlichen Vortrag eingeladen hatte —, hatte ich große Schmerzen. Als dieser Freund später sah, welche Schmerzen ich hatte, bemerkte er: „Wenn das, was der Sprecher heute gesagt hat, wirklich wahr ist, sollte dann nicht das Verständnis deiner Beziehung zu Gott deiner Hand nützen?” Durch diesen einsichtigen Kommentar verblüfft, begann ich ernsthaft zu beten, um ein klareres Verständnis davon zu bekommen, was meine Beziehung zu Gott wirklich ist.
Als ich die Bibel und die Schriften von Mary Baker Eddy studierte, erkannte ich bald, dass Weisheit und nicht Achtlosigkeit mein geistiges Erbe als Gottes Schöpfung ist. Mir wurde klar, dass nichts meine Beziehung zu Gott ändern kann und dass mein Status als Sein Kind mich für immer von Leiden befreit. Ich fühlte die geistige Erneuerung, die mit dem Bewusstsein von Gottes Liebe einhergeht, und die Schmerzen verschwanden sofort. Als ich geduldig im Gebet beharrte, wurde mir immer klarer, warum ich Gottes vollkommenes Kind war. Innerhalb weniger Tage war die Hand in ihren normalen Funktionen wiederhergestellt, und neue Haut bildete sich ohne irgendwelche Narben.
Diese Heilung ist für mich ein Beweis des ununterbrochenen, wiederherstellenden Wirkens des Christus. Ich habe immer wieder Freude an dem, was auf der Leinwand des vergeistigten Denkens erscheint — neue Erkenntnisse darüber, was es bedeutet, als Gottes Bild und Gleichnis geschaffen zu sein.
