Ich war siebenundzwanzig und steckte in einer Sackgasse – ich hatte keinen Job, keine nahen Verwandten und kein sichtbares Ziel. Meine Versuche, mir eine Zukunft aufzubauen, waren fehlgeschlagen, und ich konnte keinen besseren Weg erkennen.
Ich war in der Christlichen Wissenschaft aufgewachsen, hatte aber als Teenager das Haus verlassen, um mein Glück zu suchen, ohne Gottes liebende Allgegenwart zu spüren. Mir fehlte jede Neigung zur Geistigkeit, meine Freude war vergänglich und der Kummer groß. So ging es zehn Jahre lang, bis ich ähnlich wie der verlorene Sohn in Jesu Gleichnis fern von zuhause landete (siehe Lukas 15:11–32).
In diesem Zustand stand ich eines Tages vor einem Leseraum der Christlichen Wissenschaft auf dem Sunset Boulevard in Los Angeles und überlegte, ob ich Gott eine weitere Chance geben solle, mir zu helfen. Eine negative innere Stimme flüsterte: „Geh nicht rein. Du kannst Gott nicht verstehen.“ Doch als ich die vertrauten Bücher – die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy – im Schaufenster betrachtete, kam mir ein neuer Gedanke. Selbst wenn ich Gott nicht verstand, verstand Er ja vielleicht mich. Damit schöpfte ich etwas Hoffnung, also holte ich tief Luft und trat ein.
Die Leseraumbibliothekarin war sehr freundlich. Ich fühlte mich nicht verurteilt, sondern geliebt. An jenem Tag las ich mehrere Stunden lang, und danach kehrte ich mehrmals zurück. Eigenwillen und Selbstrechtfertigung ließen nach, als ich zu der Wahrheit von Gottes unerschütterlicher Liebe zu mir erwachte. Wann immer ich einen bestimmten heilenden Gedanken brauchte, brachte das „Tägliche Gebet“ im Kirchenhandbuch von Mary Baker Eddy (S. 41) verlässlich Freude und Zuversicht und löste den Widerstand des sogenannten fleischlichen Gemüts auf.
Mrs. Eddy schreibt schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Die Bereitwilligkeit, wie ein kleines Kind zu werden und das Alte für das Neue aufzugeben, macht das Denken für die vorgeschrittene Idee empfänglich“ (S. 323–324). Ich fing an, dieses außergewöhnliche Buch täglich zusammen mit der Bibel zu studieren. Als ich mehr über Gott als unendliches Gemüt und den Menschen als Seine vollkommene, geistige Idee lernte, fing ich an, alte Überzeugungen von Schuld, Wut, Trennung von Gott und einer tiefen Enttäuschung über mich und andere abzulegen. Beschämung und Selbstverdammung verschwanden nach und nach.
Als Furcht und Misstrauen der Autorität und dem Trost des Christus Platz machten, folgten Heilungen, darunter die augenblickliche Heilung eines schlimm gebrochenen Fingers. Zu den anderen Fortschritten gehörten eine wiederaufgebaute Beziehung und ein neuer Job. Später gelang es mir, eine Karriere einzuschlagen, die mir Jahrzehnte lang erhalten blieb.
Fast fünfzig Jahre sind seit dem Tag im Leseraum vergangen, und ich fühle mich, als würde ich die Wissenschaft des Christus ständig neu entdecken. Gott lenkt und segnet mein Leben heute mehr denn je. Ich habe eine wunderbare, liebevolle Familie und bin Mitglied in einer Zweigkirche Christi, Wissenschaftler, wo ich unter anderem Sonntagsschullehrer, Vorstandsmitglied und Erster Leser war.
Ich bin zunehmend dankbar für die täglichen Opfer meiner Eltern, als ich aufwuchs, und ihre echte Hingabe zur Christliche Wissenschaft.
Wenn ich zurückblicke, kann ich erkennen, dass ich durch geistigen Hunger zum Leseraum geführt wurde. Wie der verlorene Sohn, der der unbefriedigenden Schoten des Materialismus überdrüssig war, sehnte ich mich nach der nährenden Wahrheit über Gott und den Menschen. Und als der geistige Sinn in meinem Denken an die Stelle des persönlichen Sinnes trat, war ich befähigt, mehr vom Christus-Bewusstsein auszudrücken, das das wahre Selbst des Menschen ist.
Der Prophet Habakuk sagt: „Hier stehe ich auf meinem Wachposten, stelle mich auf den Wall und halte Ausschau, um zu sehen, was er mir sagen wird“ (Habakuk 2:1). Wie der Prophet stehe ich gerne auf meinem mentalen Wachposten, um zu hören, was Gott mir sagen wird. Und diese Empfänglichkeit hilft mir, den Widerstand zu überwinden, der sagt: „Geh nicht rein“, wenn ich auf der Schwelle zu neuem Wachstum in der Christlichen Wissenschaft stehe.
Der Apostel Paulus sagt, wir sollen „die Gesinnung des Herrn“ haben. Das bedeutet, das sterbliche, fleischliche Gemüt zugunsten des allgegenwärtigen, allmächtigen und allliebenden göttlichen Gemüts loszulassen. Egal wo wir in unserem menschlichen Erleben zu sein scheinen, wir können immer am Anfang eines geistigen Abenteuers stehen. Wir müssen nur ein empfängliches Herz haben und bereit sein, den Schritt in Richtung Gott zu tun.
Änderungen des Charakters, die durch eine zunehmende Liebe zu Gott und dem Menschen zustande kommen, sind unvermeidlich. Paulus gibt uns im Philipperbrief folgende Garantie: „Ich bin ... guter Zuversicht, dass, der in euch das gute Werk angefangen hat, es auch vollenden wird bis an den Tag Jesu Christi“ (1:6). Wir werden in unserem Verständnis von Gott wachsen und uns so sehen, wie Gott uns sieht.
Peter Tyner
