Einige Freundinnen und ich beschlossen, einmal im Monat zusammenzukommen, um die Apostelgeschichte im Neuen Testament zu studieren. Wir erforschten zehn Jahre lang gemeinsam verschiedene Bücher der Bibel, weil es so hilfreich war, unser Verständnis und unsere Liebe der Bibel zu vertiefen.
Ich werde nie vergessen, wie eine sonst eher desinteressierte Freundin eines Nachmittags sagte: „Ich habe schon weiter vor gelesen!“ Damit bewies sie ihr neues Interesse an der Kirche und dem frühen Christentum. Wir alle lernten, dass das Thema nicht nur fesselnd, sondern aktuell ist.
Während dieser intensiven Beschäftigung fiel mir mehrmals der Begriff Freimütigkeit auf, mit dem das Verhalten der Jünger unter dem kritischen Auge des jüdischen Hohen Rats und der Römischen Obrigkeit beschrieben wurde. Petrus und Johannes, zwei der Jünger, beteten: „‚Herr, sieh ihr Drohen an und gib deinen Knechten, mit aller Freimütigkeit dein Wort zu reden. ...‘ Und als sie gebetet hatten, bewegte sich der Ort, wo sie versammelt waren; und sie wurden alle mit dem Heiligen Geist erfüllt und redeten das Wort Gottes mit Freimütigkeit“ (Apostelgeschichte 4:29, 31).
Diese frühen Nachfolger Christi Jesu predigten und heilten öffentlich, zum Beispiel auf dem Markt und am Tempel. Woher nahmen sie den Mut dazu? Der Pfingsttag, als der Heilige Geist zur Erde kam – die Begebenheit, die am Anfang der Apostelgeschichte steht –, muss ein Schlüsselereignis gewesen sein. Die Jünger lernten durch diesen heiligen Tag, dass die Macht Gottes sie nicht mit ihrem geliebten Meister verlassen hatte, sondern immer zur Hand war. Und damit fanden sie den Mut, die Wahrheit an allen Orten und mit Macht zu sprechen.
Als ich Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift las, kamen mir weitere Erkenntnisse, welch ein Vorbild Jesus für uns als Christen heutzutage ist: „Jesus handelte unerschrocken, dem anerkannten Augenschein der Sinne entgegen, den Glaubenssätzen und Gebräuchen der Pharisäer zuwider, und er widerlegte alle Gegner durch seine heilende Kraft“ (Mary Baker Eddy, S. 18).
Christliche Freimütigkeit und Unerschrockenheit haben nichts mit Extrovertiertheit zu tun, noch schwingen sie große Reden. Sie sind ein Ausdruck der mentalen und geistigen Disziplin, über die häufig aggressiven Beweise der materiellen Sinne hinaus zu blicken und sich auf die Seite der geistigen Tatsachen zu stellen. Wir praktizieren gottgegebene Unerschrockenheit, wenn wir folgende geistige Wahrheit erkennen und festhalten: „Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Manifestation, denn Gott ist Alles-in-allem“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468).
Als Unternehmensberaterin wurde ich häufig gebeten, Sitzungen von Teams aggressiv auftretender Führungskräfte globaler Unternehmen zu moderieren. Wann immer die Egos im Zimmer miteinander und zunächst auch mit mir um ihre gewohnte Dominanz buhlten, war geistige Unerschrockenheit die angemessene Haltung, damit die Sitzung nicht aus dem Ruder lief, und ich erwarb mir Respekt damit.
Wenn der Austausch unter den anderen zunehmend lebhaft und laut wurde, betete ich, indem ich in Gedanken darauf bestand, dass hier nur ein Gemüt, Gott, erhaben war und dass sich der heiligen Gegenwart und Macht dieses Gemüts alle beugen. Wie auch immer das sterbliche Bild der Uneinigkeit, Arroganz oder Respektlosigkeit erscheinen mag, Gottes Mensch ist das Ebenbild der Liebe und spiegelt Liebenswürdigkeit und Weisheit wider. Und ich wusste, dass alle Beteiligten von Natur aus Respekt und Zuvorkommenheit zum Ausdruck brachten.
Ich erinnere mich noch gut an eine besonders brisante Sitzung, als ich – aus Notwendigkeit! – aktiv betete und plötzlich bemerkte, dass es sehr still geworden war und eine Person sich sogar meldete, anstatt dass alle durcheinanderredeten. Das mag angesichts des normalen höflichen Umgangstons trivial erscheinen, aber es war der Wendepunkt in der Fähigkeit dieses globalen Teams, zusammenzuarbeiten. Die Führungskräfte arbeiteten viele Jahre lang gut zusammen und erzielten Jahr für Jahr ausgezeichnete Branchenergebnisse. Ein Dankesbrief vom Präsidenten des Unternehmens für diese alles verändernde Sitzung war eine freundliche Anerkennung dafür, dass geistige Freimütigkeit praktische Auswirkungen hat.
Wir praktizieren gottgegebene Unerschrockenheit, wenn wir die geistige Wahrheit erkennen und an ihr festhalten.
Dieselbe Qualität des geistigen Mutes und der Furchtlosigkeit ist vonnöten, wenn wir mit den aggressiven Anzeichen einer Krankheit konfrontiert sind. Diese erfordern die christliche Zurückweisung irriger Behauptungen mit heilender Autorität. Wenn wir den Irrtum auf christlich-wissenschaftliche Weise abweisen und die Allmacht der Wahrheit, Gottes, verstehen und bekräftigen, werden wir klarer erkennen, dass materielle Anzeichen irrig und illusorisch sind, während geistige Beweise von Gesundheit die Wirklichkeit und stets präsent sind. Wahrheit vertreibt die Furcht, und dann erfolgt Heilung.
Wissenschaft und Gesundheit beschreibt Teile der mentalen Arbeit, die dazu erforderlich ist, und weist uns an: „Decke die Ansprüche des Bösen und der Krankheit in allen ihren Formen auf und verurteile sie, vergegenwärtige dir jedoch, dass keine Wirklichkeit in ihnen ist“ (S. 447).
Eine Bedeutung von verurteilen ist: „etwas sehr kritisch beurteilen, vollständig ablehnen“ (Duden). Genau das taten Petrus, Johannes und die anderen Apostel an diesen öffentlichen Plätzen des ersten Jahrhunderts. Und in gewisser Weise tut genau das auch das Heilen durch die Christliche Wissenschaft jedes Mal, wenn das Denken der göttlichen Wahrheit Raum gibt, die die Behauptungen der Krankheit zerstört und Gesundheit wiederherstellt.
Wir sprechen solche Wahrheitsgedanken vielleicht nicht immer laut aus, doch sie werden häufig allgemein sichtbar, wenn der Zustand geheilt wird. Ich habe das mehrmals erlebt, als andere merkten, dass christlich-wissenschaftliches Gebet Grippesymptome, Migräne, Blutvergiftung, Hautausschlag und andere materielle Symptome geheilt hatte.
Eines meiner Lieblingslieder im Liederbuch der Christlichen Wissenschaft (Anonym, Nr. 18, Übersetzung © CSBD) spricht von der freimütigen Einstellung, besonders wenn die Lage alarmierend erscheint:
Sei treu und sei standhaft, das Recht’ nicht veracht!
Der Tapfre wird kühner, je dunkler die Nacht.
Die Pflicht ruft nicht solche, die feige gesinnt.
Auf, auf denn und handle; wer wagt, der gewinnt.
In der Konkordanz zum Liederbuch der Christlichen Wissenschaft und in den Anmerkungen zum Liederbuch erfahren wir, dass Mary Baker Eddy die Botschaft dieses Liedes sehr schätzte. Sie schrieb in ihr persönliches Liederbuch: „‚Singt Lied Nr. 173 häufig in der Mutterkirche‘ (heute Lied Nr. 18).“ Die Erklärung fährt fort: „Sie gab diesen Wunsch nie offiziell bekannt, doch ihre Meinung über diese Worte ist für alle wichtig, die das Liederbuch verwenden“ (S. 184).
Mrs. Eddy muss sich oft gefühlt haben, als sei sie mitten in einer Schlacht, als sie ihre Entdeckung der göttlichen Gesetze von Leben, Wahrheit und Liebe, die sie Christliche Wissenschaft nannte, an die Öffentlichkeit brachte. Und als sie über den vermeintlichen Kampf zwischen Wahrheit und Irrtum schrieb (siehe Wissenschaft und Gesundheit, S. 288), war ihren Lesern der Bürgerkrieg noch frisch in Erinnerung. In einem breiter gefassten Kontext schrieb sie von dem „Dampf der Schlacht“, der sich legen muss, bevor man das Gute erkennen kann, das man vollbracht hat (Wissenschaft und Gesundheit, S. 22).
Wir mögen uns nicht auf einem buchstäblichen Schlachtfeld befinden, doch die soldatische Eigenschaft der geistigen Unerschrockenheit wird immer dann zum Ausdruck gebracht, wenn wir uns – in Gedanken oder anderswo – für die heilende und reformierende Macht Gottes einsetzen. Der Augenschein der materiellen Sinne wird als die Lüge erkannt, die er ist, mit seiner völligen Unfähigkeit, Gottes herrliche Schöpfung, den Menschen, zu unterminieren oder zu entthronen.