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Original im Internet

Gnade ist eine lebendige Kunst

Aus der November 2019-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 5. September 2019 im Internet.


Zehn Jahre lang reiste ich nun schon beruflich. Die Fahrt zum Flughafen war selbstverständlich. Doch ich hätte meine E-Mails besser lesen sollen. Schließlich war ich noch nie mit dieser Fluggesellschaft geflogen und kannte ihre Gepflogenheiten beim Einchecken nicht. Als ich ein Taxi nehmen wollte, aber keins fand, und die entspannte Kultur in dem Land bedeutete, dass ich innerhalb der nächsten halben Stunde keins finden würde, wurde ich nervös. Ich hatte jetzt erst gelesen, wie streng diese Fluggesellschaft beim Einchecken ist, und wusste nicht, wie ich rechtzeitig ankommen sollte. Und am Zielort erwartete mich sofort eine Veranstaltung, die ich zu leiten hatte.

Als ich schließlich am Schalter stand und die Dienstvorgesetzte zum dritten Mal sagen hörte, dass ich nicht mitfliegen durfte, überkam mich Reue. Ich war selbst schuld. Ich hätte besser vorausplanen müssen.

Doch diese Denkweise war nicht hilfreich.

Nun blieb mir nur noch, mich auf mein Gebet zu stützen. Ich hatte mit allen geredet, die Entscheidungsbefugnis hatten, ihnen erklärt, wie wichtig dieser Flug war. Ich hatte mich nach anderen Flügen erkundigt. Doch auf diesem Inselstaat gab es keine anderen. Und nun würde es dauern, bis ich ein neues Flugzeug nehmen konnte.

Ich dachte an den Blinden in der Bibel, der Jesus mitten in einer Menschenmenge zurief, er möge ihn heilen (siehe Markus 10:46–52). „Und Jesus stand still“, sagt die Bibel. Die Christus-Macht, das Bewusstsein von Gottes Allgegenwart, die Jesus uns gezeigt hat, reagiert auf Chaos und Unordnung mit Stille. Wenn wir still sind, können wir diese Macht selbst spüren. Jesus illustrierte die Einheit von Gott und Mensch mit diesen Worten: „Ich kann nichts von mir selber tun. ... Ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen des Vaters, der mich gesandt hat“ (Johannes 5:30).

Diese Einheit von uns und Gott stellt eine Grundlage für Gnade dar. Gnade ist ein göttlicher Einfluss; sie gibt uns Kraft, auch bei Herausforderungen. Dieser göttliche Einfluss ist „im menschlichen Bewusstsein immer gegenwärtig“ (Mary Baker Eddy, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. xi). Gnade ist in unserer wahren Natur als Gottes Widerspiegelung enthalten. Man muss sich ihren Segen nicht verdienen, sie ist eine Gunst. Gnade entsteht aus der ungestörten Fortdauer von Gottes Liebe – selbst wenn wir einen Fehler gemacht haben. Wenn wir Gnade erfahren, erleben wir die Wirkung eines Verständnisses von Gott. Unser Ego und unser eigener Wille machen Platz, damit Gottes Gnade – die Fähigkeit, göttliche Liebe zu fühlen, in uns wirkt.

Gnade weist auf eine göttliche Realität hin: die Tatsache, dass begrenzte, kurzsichtige Sichtweisen von einem Leben in der Materie weichen müssen, weil die göttliche Gegenwart Gottes allen Raum erfüllt. Das erfüllt unsere Erfahrung mit Hoffnung, Güte und Liebe und gestattet uns, Herausforderungen ohne Intensität oder Eigenwillen zu begegnen.

In der heutigen Welt können wir, wenn wir hauptsächlich durch das Ego angetrieben sind, den Eindruck erlangen, dass wir keinen göttlichen Einfluss in unserem Leben brauchen, damit alles glatt gehen kann. Probleme lassen sich manchmal durch einen Anruf lösen, um Informationen zu erhalten, oder durch eine Eingabe in ein Suchfeld, um die Antwort auf etwas Dringendes zu finden.

Doch übersehen wir angesichts so vieler unmittelbar verfügbarer Hilfen die Wirkungen von Gnade im Alltag? Und was ist, wenn wir auf ein Problem stoßen, das nicht sofort gelöst werden kann oder gar unlösbar erscheint? Drängen wir mit blinder Intensität voran oder finden wir etwas, das uns ablenken kann, damit wir nicht weiter daran denken müssen, statt bei der göttlichen Gegenwart Hilfe zu suchen?

Im Hauptwerk über die Christliche Wissenschaft, Mary Baker Eddys Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, lesen wir, dass wir Wachstum in der Gnade am dringendsten brauchen (siehe S. 4). Und es heißt dort: „Gnade und Wahrheit sind mächtiger als alle anderen Mittel und Methoden“ (S. 67). Als alles andere!

An jenem Tag im Flughafen sehnte ich mich danach, diese Gnade zu verstehen. Ich hörte auf zu versuchen, einen Ausweg zu finden, und lief auch nicht vor der Welle der Verzweiflung weg. Vielmehr sehnte ich mich intensiv danach, Gott besser zu verstehen und die göttliche Gegenwart dort bei mir zu spüren.

Ich setzte mich einfach nur still hin und sperrte allen Lärm aus. In der ruhigen Stille des Denkens hörte ich eine klare Bekräftigung: „Der Mensch ist wohlwollend.“ Das weist für mich auf die Wirklichkeit und Individualität der wahren Natur eines jeden von Gott erschaffenen Menschen hin, der nur in Geist existiert. Ich merkte, wie mich Ruhe überkam und mich in Gottes immanente Gegenwart verwurzelte – ohne einen Ausblick auf die Zukunft noch mit Kritik an der Vergangenheit. Ich hörte auf, an irgendetwas als diese eine Wahrheit zu denken.

Als ich ein paar Augenblicke später aufstand, war die Dienstvorgesetzte am Telefon. Man hatte beschlossen, mich mitfliegen zu lassen. Der Flug ging in zwanzig Minuten.

„Wenn ein hungerndes Herz den himmlischen Vater-Mutter-Gott um Brot bittet, wird ihm kein Stein gegeben, sondern mehr Gnade, mehr Gehorsam, mehr Liebe“ (Mary Baker Eddy, Vermischte Schriften 1883–1896, S. 127). Diese Art tiefen Hungers gibt unsere Untrennbarkeit von Gott zu. Sie setzt das persönliche Ego und Eigenwillen außer Kraft und zeigt, dass kein Fehler für die Allmacht der göttlichen Liebe unerreichbar ist.

Wissenschaftlich-christliches Gebet ist keine menschliche Problemlösung in der Hoffnung, dass Gott eine Lösung herbeizaubern wird. Vielmehr geht es darum, sich der göttlichen Wirklichkeit anzupassen, die immer gegenwärtig ist. In dieser Wirklichkeit des Bewusstseins ist es unerheblich, ob wir auf einem Flughafen, in einer Kirche oder auf einem Schiff im Ozean sind – wir können die Einheit mit Gott entdecken, die Jesus uns gezeigt hat, und das Wirken der Gnade erleben.

Voller Gnade zu sein bewirkt Schönheit, Ruhe, Frieden und Gelassenheit in jeder Situation. Das ist ein starker Kontrast zum Eigenwillen des Egos, das unbedingt alles bestimmen oder andere beeinflussen will. Niemand von uns hat einen Mangel an Gnade. Sie ist in unserer wahren Natur als Gottes Widerspiegelung enthalten und ist fühlbar, wenn wir still sind.

Wir können Gottes Gegenwart klar fühlen, wenn unser hungerndes Herz sich nach mehr als nur einer Lösung für ein Problem sehnt. Der Lärm des mentalen Gezeters aus der Eile und den Anforderungen des modernen Lebens kann diese Gegenwart übertönen. Doch die Christus-Macht bringt das Chaos zum Schweigen und stillt das Denken, damit wir die Einheit mit göttlicher Autorität spüren können.

Der göttliche Einfluss der Gnade befähigt das menschliche Bewusstsein, aus einer negativen Sicht des Lebens in die göttliche Wirklichkeit zu gelangen. Der göttliche Wille Gottes ist immer gut und verankert unser Leben in Güte. Dann geht jede schwierige Situation so aus, dass wir durch Gottes vollkommene Gnade gesegnet sind und uns vergeben wird.

Larissa Snorek
Stellvertretende Chefredakteurin

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