Die Heilung des Syrers Naaman durch den hebräischen Propheten Elisa gehört wohl zu den dramatischsten Szenen im Alten Testament (siehe 2. Könige 5:1–19). Naaman war „ein trefflicher Mann“, dessen militärische Brillanz dem syrischen König wichtige Siege beschert hatte. Nachdem der König erfahren hatte, dass Naaman durch Elisa von seinem Leiden geheilt werden konnte, stellte er einen großen Schatz als Bezahlung für die erwartete Heilung in Israel bereit.
Naaman ging erst zum König von Israel, und der wies ihm den Weg zu Elisa. Doch dann wurden Naamans Erwartungen enttäuscht. Hier war er nun, ein angesehener und mächtiger ausländischer Würdenträger, bereit, eine große Summe für die Heilung zu bezahlen, und der angebliche Heiler kam nicht mal aus dem Haus, um Naaman persönlich zu begrüßen. Man kann sich vorstellen, was der Syrer gedacht haben muss: Weiß dieser Mann nicht, wie wichtig ich bin und wie groß mein Problem ist? Doch Elisa ließ Naaman nur ausrichten, er solle sich siebenmal im Jordan waschen. Wutentbrannt stürmte der stolze Kommandant davon.
Wer die Geschichte kennt, weiß, dass die Sache für Naaman gut ausging. Seine Diener beschwichtigten ihn und argumentierten: „Wenn dich der Prophet etwas Großes geheißen hätte, würdest du es nicht tun? Wie viel mehr, wenn er zu dir sagt: ‚Wasche dich, dann wirst du rein!‘“ Also befolgte der mächtige Mann Elisas schlichte Anweisungen, tauchte siebenmal im Jordan unter und war augenblicklich und vollständig von seinem Leiden geheilt.
Nun zeigte sich, dass Naaman ein Mann der Integrität war. Er ging sofort zurück zu Elisa, erkannte die Heilung an und gab Ehre, wo Ehre gebührte. Er sagte: „Sieh, ich weiß, dass es auf der ganzen Erde keinen Gott gibt außer in Israel.“ Außerdem versprach Naaman, er wolle „nicht mehr andern Göttern opfern und Brandopfer bringen, sondern nur dem Herrn“.
Wenn unsere Gebete nicht erhört zu werden scheinen, könnte es hilfreich sein, Naamans Erfahrung zu betrachten und zu überlegen, wieso er Elisas Anweisungen zunächst zurückwies, als er ihn um Heilung bat. Ja, großer persönlicher und nationaler Stolz waren eindeutige Faktoren, als Naaman sich wütend abkehrte und schimpfte, dass die Flüsse in seinem Land besser seien als alle Flüsse in Israel. Und er war eindeutig beleidigt, als Elisas Herangehensweise an die Heilung seinen eigenen Vorstellungen so gar nicht entsprach. Der große Krieger drückte es so aus: „Ich meinte, er sollte zu mir herauskommen und hintreten und den Namen des Herrn, seines Gottes, anrufen und mit seiner Hand über die Stelle fahren und den Aussätzigen befreien“ – also eine beeindruckende Reaktion auf ein beeindruckendes Problem zeigen.
Haben wir wie Naaman genaue Vorstellungen, wie unsere Heilung aussehen soll? Wenn ja, wird Gott dieses Hindernis aus dem Weg räumen und uns zeigen, dass das eine intelligente göttliche Gemüt und die unendliche Liebe besser weiß als wir, was wir brauchen und wie wir es erhalten.
Eine weitere Tendenz, die eine Heilung verzögert, ist, von dem augenscheinlichen Ernst der Situation beeindruckt zu sein. Das war zweifellos bei Naaman der Fall. Selbstverständlich wollte er von dem gefürchteten Ausschlag frei sein. Die entstellenden Symptome und der Glaube an Unheilbarkeit belasteten sein Denken sehr. Als Elisa nicht einmal aus dem Haus kam, um direkt mit ihm zu sprechen, muss Naaman den Eindruck erlangt haben, dass Elisa die Sache nicht ernst genug nahm.
Könnte das jemals passieren, wenn wir eine Praktikerin oder einen Praktiker der Christlichen Wissenschaft um Hilfe bitten? Könnten wir geneigt sein zu denken, dass sie oder er das Problem nicht so ernst nimmt, wie es unserer Meinung nach erforderlich ist? Wenn wir dieser Suggestion nachgeben, übersehen wir einen wichtigen Punkt in der Praxis der Christlichen Wissenschaft. Mary Baker Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Krankheit sollte dem Heiler nicht wirklich erscheinen, denn es ist beweisbar, dass das Verfahren, den Patienten zu heilen, darin besteht, ihm die Krankheit unwirklich zu machen. Um das zu tun, muss der Heiler die Unwirklichkeit von Krankheit in der Wissenschaft verstehen“ (S. 417).
Wissenschaftlich ausgedrückt, sollten wir von nichts beeindruckt sein, das grundsätzlich unwirklich ist. Wollen wir wirklich, dass die Praktikerin oder der Praktiker so von dem Problem überzeugt ist, wie wir dies in dem Moment sind? Oder soll diese Person nicht eine geistige Gelassenheit und einen machtvollen Glauben mit einem klaren Verständnis der geistigen Unwirklichkeit des scheinbaren Zustands haben und unbeeindruckt von den aggressiven Behauptungen des Bösen sein? Wir sind der Person dadurch nicht gleichgültig oder unwichtig. Im Gegenteil, eine Praktikerin bzw. ein Praktiker schaut auf unseren wahren Zustand, unsere geistige Natur – vollständig, gesund und von Gott geliebt.
Als ich vor mehreren Jahrzehnten einer Heilung bedurfte, musste ich das selbst lernen. Ich war bei einem Freund in einem anderen Bundesstaat zu Besuch und wurde krank. Ich weiß nicht, wie man das Problem bezeichnen würde, aber es ging mir schrecklich. Ich schaute im Verzeichnis professioneller Dienstleistungen der Christlichen Wissenschaft nach einem Praktiker der Christlichen Wissenschaft vor Ort, den ich um die Hilfe bitten konnte, die Praktikerinnen und Praktiker in Form von metaphysischer Behandlung bereitstellen. Ich fand drei Namen und fühlte mich bewogen, einen bestimmten Praktiker anzurufen. Er nahm den Hörer ab, und sobald ich anfing, ihm meine Krankheit zu beschreiben, lenkte er das Gespräch in eine andere Richtung. Er sprach darüber, dass wir in der Struktur der göttlichen Wahrheit und Liebe ruhen (das sind beides Synonyme für Gott), und zitierte einen Teil der Definition von Kirche im Glossar von Wissenschaft und Gesundheit: „Die Struktur der Wahrheit und der Liebe; alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht“ (S. 583).
Wie Naaman war ich unzufrieden mit dem, was ich da hörte. Hier war ich nun, fühlte mich krank und suchte nach metaphysischen Konzepten, die mir helfen konnten, und er hatte nichts Besseres im Sinn, als mir von Kirche und ruhen und beruhen zu erzählen. Meine Empörung war der von Naaman nicht unähnlich. Ich kam zu dem voreiligen Schluss, dass dieser Mann mein Problem und dessen Ernst nicht wirklich erfasste. Eine aggressive innere Stimme schrie geradezu: „Beende das Gespräch! Der Typ hat keine Ahnung!“ Dieser Augenblick innerer Rebellion war der Wendepunkt.
Als Christlicher Wissenschaftler hatte ich gelernt, dass einer der offenkundigen Tricks des Bösen darin besteht, sich als unser eigenes Denken auszugeben, beispielsweise so: „Ich will diesem Mann nicht länger zuhören.“ Doch in diesem Fall hatte es der Irrtum übertrieben. Ich durchschaute den Eindringling, der sich als „ich“ ausgab. Das wahre Ich wollte Hilfe vom Tröster, der Christlichen Wissenschaft. Das wahre Ich war dazu geführt worden, diesen konkreten Praktiker anzurufen.
Plötzlich wurde mir klar, dass die aufdringliche innere Stimme, die forderte, das Gespräch zu beenden und die Botschaft des Praktikers abzulehnen, eine aggressive mentale Suggestion war, eine Hinterhältigkeit, die mich von den so dringend benötigten heilenden Wahrheitsgedanken abhalten wollte. Nun bezog ich Stellung: Es war nicht leicht, doch ich bemühte mich mit aller Kraft, jedes Wort aufzunehmen, das der Praktiker zu mir sagte. Ich vertraute darauf, dass dies die Botschaft war, die die göttliche Liebe ihm entfaltet hatte, und dass ich gut daran täte, sie zu befolgen. Innerhalb weniger Minuten beendeten wir freundlich das Gespräch mit der Versicherung des Praktikers, dass er beten werde.
Als ich Stunden später schlafen ging, fühlte ich mich nicht besser. Doch am nächsten Morgen war ich tief beeindruckt. Ich war nicht nur vollständig gesund, sondern fühlte mich großartig. Ja, das Wort großartig trifft es nicht einmal. Ich hatte noch nie so erholsam geschlafen und fühlte mich so umfassend wohl, wie ich es mir nur hätte vorstellen können. Kurz gesagt: Ich fühlte mich selig. Auch heute noch, Jahrzehnte später, bin ich zutiefst dankbar für diese heilige Lektion über die Segnungen, die ein Vertrauen auf die christliche Inspiration mit sich bringt.
So wie Naaman geheilt wurde, als er Elisas Botschaft akzeptierte, so war ich geheilt, als ich die Wahrheitsgedanken des Praktikers der Christlichen Wissenschaft vorbehaltlos aufnahm. Beide Heilungen erforderten Demut – die Demut, eigene Vorstellungen über den Inhalt einer Behandlung aufzugeben; die Demut, nicht böse zu sein, dass der Heiler unbeeindruckt von dem Problem zu sein schien, und die Demut, die göttliche heilende Botschaft schlicht und einfach anzunehmen und darauf zu vertrauen. Diese Demut heilte Naaman und mich sowie zahllose andere und kann für Sie dasselbe bewirken.
