Eins von Mary Baker Eddys Liedern enthält folgende Zeilen:
Ganz einerlei, welch Los dir sei,
so Liebe lenkt;
ob Sonnenschein, ob Sturm – allein
Gott Frieden schenkt.
(Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 160)
Kann es einen Menschen auf dieser schönen Erde geben, der sich nicht nach mehr Frieden sehnt? Das Versprechen, dass Gott uns in jeder Situation – „ob Sonnenschein, ob Sturm“ – reinen Frieden schenkt, ist wirklich sehr tröstlich. Wenn wir uns dieses Versprechen allerdings näher ansehen, dann erkennen wir, dass es an eine Bedingung geknüpft ist: „So Liebe lenkt.“ Wir müssen uns von Liebe, Gott, dem göttlichen Prinzip von Christi Christentum, lenken lassen, um diesen segnenden Frieden zu erlangen. Mrs. Eddy schreibt: „Das Prinzip der Christlichen Wissenschaft demonstriert Frieden“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, und Verschiedenes, S. 279).
Dieser Regel der Liebe gegenüber gehorsam zu sein, eröffnet uns den Weg dahin, die Unzerstörbarkeit von Frieden bei Sonnenschein und Sturm zu verstehen und zu erleben. Wir alle haben endlose Gelegenheiten, dies zu beweisen. Eine Gelegenheit, die ich einmal hatte und nie vergessen werde, spielte sich vor vielen Jahren ab, als ich mit meinem geliebten Hund Luke spazieren ging. Es war ein strahlender Frühlingstag, und ich dachte auf dem Spaziergang über die Einheit und Allheit Gottes und meine Einheit mit Ihm nach. Ich fühlte nichts als „reinen Frieden“.
Ich war weiter gelaufen als sonst und befand mich nun in einer Sackgasse, die mir völlig neu war. Kaum war ich in die Straße eingebogen, hörte ich, wie jemand mich anschrie, ich solle umkehren, verschwinden und den Hund mitnehmen. Vor dem Hintergrund der Schönheit und Friedlichkeit des Tages, kam die Wut der Frau wie ein Donnerschlag. Ich ging über die Straße, weil ich den Drang hatte, zu beten, bis ich meinen Frieden wiedererlangt hatte.
Mir war die geistige Tatsache, dass dieser Frieden nicht zerstört werden konnte, absolut bewusst. Ich wusste, dass er kein Zustand des menschlichen Gemüts war, sondern eine unpersönliche, immer gegenwärtige Qualität von Seele, Gott, die in der gesamten Schöpfung widergespiegelt wird. Doch diese geistige Tatsache war reine Theorie – nichts als Worte –, solange ich aufgewühlt war und den universalen, untrennbaren Frieden Gottes, der die so irrational wütende Frau und mich umgab, nicht selbst wirklich fühlte.
Ich hatte mich schon längere Zeit damit beschäftigt, Mrs. Eddys grundlegende Erklärung von Christi Jesu makelloser Heilarbeit so gut wie möglich zu verstehen. Sie schreibt im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Erlöser Gottes eigenes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken. Auf diese Weise lehrte Jesus, dass das Reich Gottes intakt und universal ist und dass der Mensch rein und heilig ist“ (S. 476–477).
Durch diese tiefgründige Erklärung von Jesu Heilmethode wird deutlich, dass es bedeutet hätte, mich selbst als sündige, von Liebe und ihrem Ebenbild getrennte Sterbliche und somit als völlig unfähig zu identifizieren, den geistigen, wahren, von Gott erschaffenen Menschen zu erkennen, wenn ich diese Frau als sündige Sterbliche gesehen hätte. Denn den materiellen Sinnen erscheinen nur Materie und sündige Sterbliche als wirklich.
Doch indem ich mich selbst korrekt identifizierte – also „in der Wissenschaft“ als Nachkomme und Ebenbild des Geistes, der göttlichen Liebe –, konnte ich diesen illusorischen Schleier des sterblichen Gemüts, der diese Frau zu umgeben schien, mithilfe des geistigen Sinnes und zu einem gewissen Grad durchbrechen. Genau dort, wo den angeblichen, unwirklichen materiellen Sinnen eine sündige Sterbliche vorgegaukelt wurde, konnte ich mental ihr wahres, geistiges Selbst wahrnehmen, das untrennbar von Liebe war. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort stand, doch irgendwann erlangte ich den inneren Frieden wieder, den ich gefühlt hatte, als ich in die kleine Straße eingebogen war.
Dann hörte ich plötzlich eine freundliche Stimme, die rief: „Oh, was für ein wunderschöner Hund! Darf ich ihn streicheln?“ Es war dieselbe Frau, und es hatte den Anschein, als hätte sie mich jetzt erst bemerkt! Ich ging zurück auf die ursprüngliche Straßenseite, und wir unterhielten uns sehr freundlich, während sie Luke streichelte. Dann erzählte sie mir unerwartet von einigen Problemen, und ich konnte ihr von Gottes großer Liebe und zärtlicher Fürsorge für sie erzählen. Es ergab sich ein sehr schöner Austausch.
Hinterher war ich wie vor dieser Erfahrung bestrebt, die gesamte Schöpfung „in der Wissenschaft“ zu sehen, d. h., die geistige Wirklichkeit wahrzunehmen, die die göttliche Liebe erschafft und aufrechterhält – nicht nur in Situationen, in denen sich nichts Böses, kein Missverständnis und keine Unstimmigkeit zuträgt, sondern immer, wo ich auch war und was ich auch tat. Mir wurde klar, dass Jesus Gottes vollkommene geistige Schöpfung nicht nur dann wahrnahm, wenn eine Heilung vonnöten war. Er lebte bewusst in diesem immerwährenden Bewusstsein der geistigen Wirklichkeit, die völlig getrennt von dem falschen Anspruch des materiellen Lebens ist. Er war sich seiner ungebrochenen Einheit mit seinem Vater, der göttlichen Liebe, absolut bewusst und durchschaute jede Illusion einer materiellen Schöpfung. Sie erschien ihm niemals wirklich. Christus Jesus wurde als unser menschlicher und göttlicher Meister (siehe Mary Baker Eddy, Vermischte Schriften 1883–1896, S. 187) vom Vater zu uns gesandt, damit er uns die vollkommene Koinzidenz des Menschlichen mit dem Göttlichen illustrierte.
Mein Gebet lag nicht nur darin, die Wahrheit meiner eigenen Einheit mit Liebe zu praktizieren und andere nur so zu erkennen, wie Gott dies tut – jeweils als den vollkommenen, christlichen Ausdruck, den Gott uns beständig offenbart –, sondern auch, die materielle Mentalität zurückzuweisen, die nur einen „sündigen, sterblichen Menschen“ sieht. Ich stellte fest, dass das Anerkennen der Gegenwart des einen Gemüts mit sich brachte, dass mein täglicher Umgang mit anderen vertieft werden und den Verlauf und Ton vieler Unterhaltungen und Begegnungen schnell ändern konnte. Bestrebt zu sein, in jeder Situation „in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen“ wahrzunehmen, ebnet uns den Weg zu der Fähigkeit, schwierigere Herausforderungen zu meistern. Vielleicht könnte man sagen, dass Gott uns immer „schult“, den anderen Menschen so zu sehen, wie Er jeden von uns gemacht hat.
Ja, etwa fünf Jahre nach dem Erlebnis mit dieser Frau habe ich entdeckt, dass meine „Schulung“ von großem Nutzen war, denn ich war monatelang mit einem schwierigen Gerichtsfall befasst, bei dem ich verhört und unter Eid befragt wurde.
Doch die Schönheit jeder wahrhaft wissenschaftlichen Regel, so schlicht sie auch sein mag, ist, dass sie wie die Mathematik auf jede Schwierigkeitsstufe anwendbar ist. Wir lesen in der Bibel: „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kolosser 1:27), und genau dieser Christus, der Einfluss der göttlichen Liebe im menschlichen Bewusstsein, befähigte mich, während der gesamten Zeit an dem von Gott erschaffenen Bild und Gleichnis festzuhalten. Das hat mir meinen Frieden bewahrt.
Ich möchte betonen, dass dies nicht „‚Friede! Friede!‘, und es ist doch nicht Friede“ (Jeremia 8:11) und auch kein falscher, bequemer Frieden (siehe Verschiedenes, S. 211) war, der dadurch entsteht, dass man die Sünde ignoriert. Wie in der zuvor beschriebenen Erfahrung beruhte der Frieden in meinem Herzen darauf, dass ich Sünde und den Glauben an einen „sündigen Sterblichen“ von Liebe zerstören ließ. Das Ergebnis war, dass Ungerechtigkeit der Gerechtigkeit Platz machte, angemessene Maßnahmen getroffen wurden und der Fall einen gütlichen Ausgang fand. Es war klar, dass Eigenwille, die verwerfliche Energie des sterblichen Gemüts, die unseren Frieden zerstören will, dem Heiligen Geist, der göttlichen Wissenschaft, der dynamischen Energie und dem Willen der unendlichen Liebe nicht gewachsen war. Wissenschaft und Gesundheit erklärt, dass die Christliche Wissenschaft den menschlichen Willen zum Schweigen bringt (siehe S. 445).
„Frieden lasse ich euch“, sagte unser Meister kurz vor seiner Kreuzigung zu seinen Jüngern; „meinen Frieden gebe ich euch. Ich gebe euch nicht, wie die Welt gibt“ (Johannes 14:27). Der Frieden von Christus Jesus war nicht weltlich; er war nicht von äußeren Umständen abhängig. Die brutale Verfolgung und horrende Undankbarkeit, die er erleben musste, hätten es ihm versagt, Frieden zu erlangen, wenn er geglaubt hätte, dass Frieden von Äußerlichkeiten und dem Augenschein der körperlichen Sinne abhängig ist. Nein, der Frieden, den er uns gelassen hat, war der unberührbare Frieden – das Himmelreich, das bereits in uns ist –, der durch die Demonstration unserer Einheit mit Liebe, unserer Existenz als Kind Gottes, dem Vater aller, durchgesetzt wird.
Die wissenschaftliche Tatsache ist, dass wahrer Friede auf Erden nur im Kontext des einen Gemüts, des einen Vaters der ganzen Schöpfung, verstanden und erreicht wird und niemals im Irrtum eines von Gott getrennten Gemüts, das widersprüchlichen Zielen, Meinungen und potenziellem Despotismus Tür und Tor öffnet. Mary Baker Eddy beschreibt die Koinzidenz des göttlichen Gemüts mit der Menschheit sowie die Vervollkommnungsfähigkeit der Menschen überzeugend: „Wir sollten gründlich verstehen, dass alle Menschen ein Gemüt, einen Gott und Vater, ein Leben, eine Wahrheit und eine Liebe haben. In dem Verhältnis, wie diese Tatsache sichtbar wird, wird die Menschheit vollkommen werden, der Krieg wird aufhören und die wahre Brüderlichkeit des Menschen wird begründet werden“ (ebd., S. 467).
Aus der Sicht des materiellen Sinnes betrachtet, scheint die Welt diesem Ideal derzeit vielfach nicht zu entsprechen. Doch unser Meister zeigte uns die wahre Sichtweise, das geistige Reich, das für den geistigen Sinn, das von Gott verliehene Bewusstsein, sichtbar ist. Er demonstrierte durch seine allumfassende Lehre und seine unvergleichlichen Heilungen die Nichtsheit der Materie und des Bösen und die Allheit Gottes, des Guten.
Trotz der Argumente des Bösen, dass es Hass, Selbstsucht, Begierde, Heuchelei, mentale Manipulation, Unwissenheit, Dummheit, Rache, Böswilligkeit, Neid, Gier, Verderbtheit und Grausamkeit gibt, und trotz des Erscheinungsbilds von Naturkatastrophen, Krankheiten, Terrorismus und Krieg hat Jesu demonstrierte Botschaft des Friedens als unser Ideal wie im Himmel, so auf Erden Bestand – ein Ideal, das jeder Mensch demonstrieren muss. Das ist ein erreichbares Ziel – wenn wir wie Paulus bereit sind, „den alten Menschen“ mit Jesus kreuzigen zu lassen (siehe Römer 6:6), wobei mit dem alten Menschen der Glaube an ein Selbst und eine Identität gemeint ist, das bzw. die von Gott, der einzigen Quelle wahren Friedens, getrennt ist. Die wahre Identität, die wir hier und jetzt haben, kann nur durch Selbstverleugnung ans Tageslicht kommen – durch die Bereitschaft, alles abzulegen, was „den alten Menschen“, einen sogenannten materiellen Menschen, ausmacht. Nichts sonst kann den Schleier der Materie entfernen und die ursprüngliche Einheit mit Liebe offenbaren, die uns befähigt hat, unser vollkommenes Selbst zu demonstrieren.
Aus diesem Grund muss jeder von uns mit Sünde kämpfen – besonders mit dem fundamentalen Irrtum eines materiellen Ursprungs, der durch Jesu jungfräuliche Geburt ausgeräumt wurde. Und wir brauchen die Demut, uns vom Licht der Wahrheit die falschen, materiellen Überzeugungen zeigen zu lassen, die einzig und allein jemals ans Kreuz genagelt wurden.
Wenn die Turbulenzen und das Chaos des sterblichen Gemüts uns überwältigend erscheinen, können wir uns daran erinnern, dass unser geliebter Meister uns nicht nur seinen Frieden – den wahren, göttlichen Frieden – geschenkt hat, der nicht das ist, was die Welt gibt, sondern dass er auf diese Aussage die tröstlichen Worte folgen ließ: „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“ (Johannes 14:27). Denn wie Jesus uns allen gezeigt hat, gehört uns wahrer Friede auf ewig.
Es stimmt wirklich:
Ganz einerlei, welch Los dir sei,
so Liebe lenkt;
ob Sonnenschein, ob Sturm – allein
Gott Frieden schenkt.
