„Eine versöhnliche Antwort stillt den Zorn,“ sagt die Bibel (Sprüche 15:1). Mit anderen Worten ist Sanftmütigkeit sinnvoller, als sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen, die allein durch Willenskraft entschieden wird. Und das Handbuch der Mutterkirche von Mary Baker Eddy fördert diese Einstellung. In Artikel VIII Abschnitt 1, der „Regel für Motive und Handlungen“, heißt es unter anderem: „In der Wissenschaft regiert allein die göttliche Liebe den Menschen; und ein Christlicher Wissenschaftler spiegelt das gütige Wesen der Liebe wider, in der Zurechtweisung der Sünde, in wahrer Brüderlichkeit, Wohltätigkeit und Versöhnlichkeit“ (S. 40).
Eine „versöhnliche Antwort“ bezieht sich genauso auf das, was wir denken, wie auf das, was wir aussprechen. Können wir zum Beispiel ohne einen Hauch von Feindseligkeit Entscheidungen der Mitglieder unserer Zweigkirche akzeptieren, auch wenn diese von unseren Vorstellungen abweichen? Um wahrhaftig zu sein, darf die Reinheit unserer Gedanken, die hinter einer versöhnlichen Antwort stehen, nicht mit einer Abneigung verknüpft werden. Missmut und Kränkung im Denken sind nicht zulässig.
Als vor einigen Jahren das neue Gebäude für unsere Zweigkirche gebaut werden sollte, war ich mit dem vorgeschlagenen Entwurf nicht ganz einverstanden und dachte, dass gemäß der Satzung unserer Zweigkirche nicht genügend Mitglieder dem Entwurf zugestimmt hatten. Der Vorstand unserer Kirche war der Meinung, dass das Vorgehen mit unserer Satzung in Übereinstimmung stand, bat jedoch einen Rechtsanwalt um seine Einschätzung. Der Rechtsanwalt kam zu demselben Schluss wie ich, was dazu führte, dass der Vorstand nochmals die Zustimmung der Mitgliedschaft einfordern musste. Die Mitgliedschaft stimmte dem Entwurf zu. Der Vorstand hatte das zum Ausdruck gebracht, was Mary Baker Eddy, die Gründerin der Christlichen Wissenschaft, als „den Adel menschlicher Demut“ benennt (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 141).
Ich meinerseits akzeptierte die Entscheidung der Mitgliedschaft und unterstützte das Bauprojekt aktiv. Später verfasste ich im Namen der Mitglieder eine Dankesbotschaft an das Baukomitee und überbrachte sie. In den vielen Jahren, die seitdem vergangen sind, hat das Kirchengebäude unseren Ausdruck von Kirche unterstützt.
Sanftmütigkeit bedeutet nicht, sich der Meinung anderer, sondern vielmehr Gott zu ergeben. Es bedeutet, tief in sich selbst zu wissen, dass Seine all-liebende, allmächtige Güte jede Situation reguliert und harmonisiert. Es bedeutet, Gott zu vertrauen. Es ist selbstlose Liebe, die für das Heilen grundlegend ist.
Das Kirchenhandbuch ist mehr als ein Regelwerk, es ist ein Buch der Sanftmütigkeit. Es bringt Eigenwillen zum Schweigen, indem es die Mitglieder dazu bringt, sich auf Gott zu stützen. Es fördert geistiges Wachstum.
Eine besondere Regel des Kirchenhandbuchs, die zu einer sanftmütigen Einstellung ermutigt, bezieht sich auf die Größe der Kirchengemeinde. Sich um die Anzahl der Mitglieder zu sorgen, kann ein Gefühl von persönlicher Verantwortung herbeiführen sowie auf Willen beruhende Bemühungen, die Anzahl zu erhöhen, und Meinungsverschiedenheiten über die Kirchenaktivitäten nach sich ziehen, die mehr Menschen anziehen könnten. Aber in der Satzungsbestimmung „Die Personen zählen“ schreibt Mary Baker Eddy: „Gemäß der Heiligen Schrift müssen sie sich von der Persönlichkeit und dem Zählen von Personen abwenden“ (S. 48). Das bestätigt, dass das Heil der Menschheit nicht von der Anzahl der Mitglieder der Mutterkirche oder der Zweigkirchen abhängig ist. Sanftmütig jedes Bedenken über die Anzahl beiseitezulegen, beflügelt die Mitglieder dazu, danach zu „streben, das Wohl der ganzen Menschheit zu fördern, indem sie die Regeln der göttlichen Liebe demonstrieren“ (ebd. S. 45).
Diese Satzungsbestimmungen segnen nicht nur die Kirchenaktivitäten, sondern auch unser Leben im Allgemeinen. Im heutigen rauen politischen Klima in vielen Teilen der Welt jagen sich Vorwürfe und Gegenvorwürfe in den Schlagzeilen zu den unterschiedlichsten Themen. Wie verteidigen wir uns selber vor selbstgerechter Empörung und Wut, wenn unsere hehren Meinungen infrage gestellt oder ins Lächerliche gezogen werden? Ein Hinweis stammt aus der Satzungsbestimmung mit dem Titel „Lieblose Veröffentlichungen“. Es heißt dort: „Kein Mitglied dieser Kirche darf einen Artikel, der lieblos oder ungehörig gegenüber Religion, Medizin, den Gerichten oder den Gesetzen unseres Landes ist, veröffentlichen oder veranlassen, dass ein solcher veröffentlicht wird“ (ebd. S. 48).
Das Veröffentlichen reicht von sozialen Netzwerken über gedruckte Publikationen bis hin zum Fernsehen. Aber könnte es sich auch auf unser Denken und Reden beziehen? Wachsamkeit gegenüber dieser Satzungsbestimmung mäßigt sowohl das Denken als auch das Reden und fördert den Gebrauch sanftmütiger Worte anstelle von Vergeltung und unfreundlichen Gedanken.
Geistiger Fortschritt wird denen versprochen, die „sich allmählich und behutsam zu dem vollkommenen göttlichen Gedanken emporarbeiten“. Mrs. Eddy fährt an der Stelle fort: „Durch diese Demut werden sie einen höheren Begriff von Gott erlangen, weil ihre inneren Kämpfe und der Stolz ihrer eigenen Meinung entsprechend abnehmen“ (Die Einheit des Guten, S. 5). In der Gegenwart der Sanftmütigkeit, die vom Kirchenhandbuch gefordert wird, verdorrt Stolz.
Zur Sanftmütigkeit gehört das Besänftigen der Gedanken. Satzungsbestimmungen wie die, die von Mitgliedern fordert, ihren Platz in der Kirche einem Neuling anzubieten; in der Kirche für die Kirchengemeinde, statt für sich selbst zu beten; einem Patienten zu verzeihen, statt ihn wegen ausstehender Zahlungen zu verklagen; und die Goldene Regel zu befolgen, verlangen, dass wir unsere Selbstsucht und Hartherzigkeit aufgeben.
Unser uns innewohnendes Verlangen nach dem Frieden beruhigter Gedanken und demütigen Gehorsams wird in einem Kirchenlied folgendermaßen ausgedrückt:
Stille Herr, des Herzens Sturm,
mach mich milde, frei von Sünd’,
ungekünstelt, schlicht und rein,
mach mich wie ein kleines Kind,
frei vom Argwohn dieser Welt,
froh in dem, was Dir gefällt.
(John Newton, Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 291, Adapt. und Übers. © CSBD)
Sanftmütigkeit ist das Anerkennen von Gottes Allheit und Güte und das gedankliche Ablehnen alles dessen, was diese ewige Tatsache bestreitet. Sanftmütigkeit enthüllt das Kirchenhandbuch als eine praktische Landkarte, die uns zeigt, wie wir erkennen und beweisen können, dass Gott Alles ist.
