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Erbarmen.

Aus der Januar 1907-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Mitleid wird gesucht, oft aber auch übel genommen. Diejenigen, die unglücklich sind, bemühen sich Mitgefühl für ihren Kummer in den Herzen der Menschen zu für ihren Kummer in den Herzen der Menschen zu erwecken, dadurch daß sie ihnen von ihren Kümmernissen erzählen, wenn sie dann aber Mitleid erweckt haben, finden sie sich dadurch herabgesetzt, daß diejenigen, die sie bemitleiden, ihre Schwäche und ihr Unglück kennen und das erregt bei ihnen Unwillen. Das wirkliche Verlangen derer, die Mitleid suchen, ist, besondere und unverdiente Freundlichkeit zu finden, und darin werden sie oft enttäuscht, da sie anstatt dessen nur Bedauern finden. „Wie bin ich unglücklich!” ist die Klage; und wenn die Antwort des Fernstehenden ist: „Freilich, Sie sind sehr unglücklich,” was hat der erste dann gewonnen?

Jemand hat gesagt, daß Mitleid als bloße Gefühls-Aufwallung fast nichts von Wohlwollen in sich trägt. Die Schmerzen der unglücklichen Heldin in einem Schauspiel können so dargestellt werden, daß das Herz der Zuhörer von Mitleid überfließt, und doch erfahren dieselben Personen, die dem eingebildeten Kummer mit strömenden Tränen zusehen, gewöhnlich eine Reaktion an sich und werden hartherzig, sobald echter Kummer und echte Not eine Tat von ihnen verlangen.

Mitgefühl ist besser als Mitleid, denn es zeigt ein Gefühl für den Mitmenschen und schließt eine Art Gleichheit oder ein Band der Einigkeit mit dem Leidenden in sich ein. Man blickt dabei nicht auf den andern von einem überlegenen Zustand des Glückes auf dessen Zustand des Unglückes herab, sondern es spricht daraus eher ein warmes Gefühl der Zusammengehörigkeit, das einen zur Hilfe antreibt. Wenn Mitleid von dem Wunsch zu helfen beseelt ist, dann ist es zum Mitgefühl geworden, aber selbst auf dieser Stufe mag es nur das Leiden und Elend der anderen sein, auf die der Gedanke gerichtet ist und ihr Unglück, ihre Schmerzen und ihr Kummer werden auch weiterhin als Teil der Wirklichkeit angesehen, selbst wenn das Bestreben da ist, sie zu erleichtern.

Barmherzigkeit schließt gewöhnlich den Ausdruck von Gnade oder Wohlwollen für den Unwürdigen in sich. Wenn man in einem besonderen Fall an die gerechte Strafe des Unrechts denkt, mag wohl Mitleid erregt werden und der Übeltäter wird möglicherweise mit weniger Strenge behandelt, als das Gesetz es verlangt. Solche Behandlung nennt man gewöhnlich eine barmherzige, aber dies Wort wird richtiger angewandt, wenn ein Mensch es über sich vermag, seinem Feinde, der in seiner Macht ist, liebevoll zu begegnen. Eine Definition des Wortes ist: „es unterlassen andern zu schaden, wenn es in der Macht jemandes steht dies zu tun;” wie wenn ein Räuber das Flehen seines Opfers erhört und von seiner Grausamkeit gegen dasselbe abläßt; aber das Wort hat eigentlich einen liebevolleren, freundlicheren Sinn. Eine Strafe erlassen, hieße soviel als Vergebung. Mißfallen oder Groll gegen jemand, der uns Unrecht getan hat, fahren lassen, ist im richtigen Sinn Vergebung, aber einer, der die Absicht hat den Übeltäter zu segnen und tatsächlich aus wohlwollendem Herzen dessen Glück sucht, der beweist Barmherzigkeit.

Erbarmen steht höher als dies alles. Ein Mensch mag mitleidig und barmherzig sein und doch können Kummer und Schmerz für ihn solche Wirklichkeiten sein, daß er fast nichts dazu tun kann, sie zu lindern. Das Mitgefühl mit dem gegenwärtigen Leiden ist vielleicht so sentimental, daß der Übeltäter ebenso schnell getröstet und bemitleidet wird, wie die Wirkungen des Irrtums über ihn kommen, die ihn bessern sollen. „Erbarmen verbindet sich mit der Weichheit des Mitleids, der Würde des Mitgefühls und der Tatkraft der Barmherzigkeit.”

Als Jesus Erbarmen empfand, wurde er von einem sehnenden Gefühl der Liebe durchdrungen, die durch die Not des Volks erregt ward, aber seine Taten bewiesen, daß er nicht lediglich bei dem Gefühl des Mitleids stehen blieb. Er wandte sich vom Sichtbaren zum Unsichtbaren hin — von der jammervollen Not des Menschen zu Gottes unendlichem Schatz von Güte. Erbarmen ist also mehr als eine Neigung oder ein Antrieb Leiden und Not zu lindern, es erfordert nicht so sehr ein Mitgefühl mit dem Menschen als Leidenden, wie mit dem Menschen als Kind Gottes und es erweckt ihn zur Erkenntnis seines wahren Zustandes.

Erbarmen versucht nicht so sehr die Strafe zu erlassen, wie die sündige Neigung umzuwandeln; es vergibt nicht nur dem Feinde, sondern verwandelt ihn in einen Freund; es ist nicht nur bereit zu segnen, sondern weiß, da es die Wirklichkeit schaut, wie es das was gut ist zur Bezeugung bringen kann und beweist, daß das Gute die wirkliche Tatsache ist.

Die Christian Scientisten wenden ihre Aufmerksamkeit beständig auf Gott, weil es ihr Wunsch ist den Willen Gottes auf Erden wie im Himmel getan zu haben; und weil sie auf die Leidensberichte, der sich selbst Bemitleidenden nicht achten, noch auf redselige Unterhaltungen über Krankheitszustände hinhören, auch keine Freude haben an den krankhaften Erörterungen über die Einzelheiten der Krankheit werden sie zuweilen für gefühllos gehalten. Aber was ist notwendiger für das Wohlbefinden des Menschen, daß man mehr Nachdruck legt auf seine Furcht vor Krankheit oder auf die Erkenntnis der überströmenden göttlichen Güte, welche die Krankheiten heilt. Daher ist derjenige ein Wohltäter des Menschengeschlechts, der sein Denken zu himmlischen Höhen erhebt und durch den sanften Zwang der Liebe den Müden und denen, die von Krankheit und Kummer bedrückt sind, verhilft dahin zu gelangen. Dies kann er nicht tun ohne Erbarmen zu lernen. Jeder der die Bewegung der Christian Science in richtiger Weise kennen lernte, weiß, was ihre Gründerin Mary Baker Eddy gelehrt und welch ein Beispiel sie gegeben hat, damit die Menschen voll Erbarmen würden. Die Menschen können ihre Handlungsweise nicht verstehen bis sie erkennen, daß es immer ihre Absicht ist zu heilen und zu retten und daß sie niemand aus dem Bereich ihres erbarmungsvollen Interesses ausschließt.

Durch Erbarmen wird das Heilen, das Werk Gottes vollbracht. „Wie krank siehst du aus,” sagt das Mitleid. „Du tust mir leid,” sagt das Mitgefühl. „Ich wollte, ich könnte dir helfen,” sagt die Barmherzigkeit. Das Erbarmen aber spricht: „Stehe auf und wandele”; und es beweist so, daß Liebe Wirklichkeit und nicht Gefühl ist. Wie schnell verschwindet die Furcht vor dem glühenden Bewußtsein der Liebe im erbarmenden Herzen, wie schnell wird das zweifelnde Gemüt beruhigt! und warum? Er, der uns durch seine eigene Erhabenheit und Geisteskraft lehrte, zeigte uns, daß, von Erbarmen erfüllt sein, der Verwirklichung der allgegenwärtigen und allbefriedigenden göttlichen Liebe vorangehen muß.

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