Während des Prozesses wurde es von Mrs. Eddys Anwalt, Mr. Streeter, für ratsam gehalten, daß ein sachverständiger Irrenarzt, dessen Aufrichtigkeit, guter Name und Tüchtigkeit unbestritten waren, eine gründliche Untersuchung des Falles unternehme um nötigenfalls ein Urteil abgeben zu können. Es wurde für ratsam gehalten, daß hierzu der beste Irrenarzt im Lande berufen würde um seine Aussage so unbestreitbar wie möglich zu machen, wie auch seine Entscheidung ausfallen möge und deshalb wurde gewählt. Dr. Hamilton hatte schon früher einmal gegen die Christian Science in New York attestiert, doch besitzt er einen so braven Charakter und solche Wahrheitsliebe, daß Mr. Streeter und die Christian Scientisten, an die er sich um Rat wandte, überzeugt waren, daß des Arztes Unglaube über gewisse Lehren der Christian Science in keiner Weise sein gerechtes und wahres Urteil über Mrs. Eddys Zustand beeinflussen könnte. Er besuchte Mrs. Eddy und hat beschlossen, das Ergebnis seiner Prüfung der Öffentlichkeit zu übergeben.
Dr. Allan McLane Hamilton hat wohl von allen seinen Kollegen in diesem Lande die meiste Erfahrung, da er seinen Beruf seit fünf und dreißig Jahren verfolgt. Er hat in allen wichtigen Civil- und Kriminalfällen in seinem eigenen Staate New York Zeugnis abgelegt. Er wurde von den Vereinigten Staaten zum Spezialkommissar erwählt um über den Wahnsinn von Snider im Bezirk Columbia zu entscheiden; er war einer der vier Spezialisten in Guiteaus Fall, und wurde auch zu Rate gezogen in dem Falle von Czolgoltz, dem Mörder des Präsidenten McKinley.
Er hat die Auszeichnung, der einzigste Spezialist zu sein, welcher in dem Thaw-Falle eine unbedingte und unumschränkte Meinung über Thaws geistigen Zustand aussprach. Diese Aussage wurde von beiden Parteien später angenommen, doch wurde es ihm nicht erlaubt Zeugnis abzugeben, obgleich er durch seine unabhängige Haltung einen großen Eindruck auf das ganze Land machte. Dr. Hamilton ist auch wohl bekannt als Fürsprecher gänzlicher Reform im Spezialzeugnis und wird allgemein als einer der wenigen Spezialsachverständigen anerkannt, da man sich auf sein ehrliches Zeugnis verlassen kann. Er ist unbestechlich und deshalb vom Gericht und allen Advokaten guten Rufes geschätzt.
Dr. Hamilton ist achtundfünfzig Jahre alt und ein Enkel von Alexander Hamilton, und von der Mutterseite ein Enkel von Louis McLane, unserem englischen Staatsminister und Finanzminister unter Martin Van Buren und Andrew Jackson. Dr. Hamilton hat vieles geschrieben und ist in hervorragender Weise mit mehreren medizinischen Vereinen hier und im Ausland verbunden und vor ein paar Jahren hatte er die Ehre zum „Fellow of the Society“ in Edinburg ernannt zu werden. Er stiftete den psychiatrischen Verein und ist als ein bedeutender Gelehrter in mentalen Krankheiten anerkannt.
Nachdem der Prozeß aufgegeben war, hat Dr. Hamilton, als er von den Berichterstattern mehrerer Zeitungen, die während des Prozesses anwesend waren, aufgesucht wurde, die folgenden interessanten Aussagen gemacht: —
Ich habe mich über den geistigen Zustand von Mrs. Mary Baker G. Eddy informiert und zu diesem Zweck eine Menge Dokumente und Briefe, vielleicht im ganzen einhundert geprüft und habe sie selber in ihrem eigenen Hause, Pleasant View, in dieser Stadt, untersucht. Ich habe auch die ursprünglichen Anklagen der „nächsten Freunde” George W. Glover, et als. und die beschworenen Aussagen derselben zum Beweise ihrer Behauptungen, daß Mrs. Eddy unfähig sei, gelesen. In der Anklage dieser Leute heißt es, daß es Mrs. Eddy „unmöglich sei, ihr Eigentumsrecht so zu verstehen, daß sie ihren freien, unbefangenen Willen in demselben ausüben und ihre Angelegenheiten und ihr Vermögen mit Vorsicht und Klugheit gegen gesetzwidrigen Einfluß, Zwang und Betrug anderer ausüben könne, und unfähig sei, das gerichtliche Verfahren des gegenwärtigen Rechtsfalles zu leiten.”
Die Besichtigung und Prüfung ihrer eigenhändig geschriebenen Briefe geben sicheres Zeugnis von ihrer geistigen Kraft. Ihre Ausdrucksweise ist logisch und zusammenhängend. Ihre Wortfügung ist vortrefflich, und diese sowohl als die von ihr ausgehenden mit der Schreibmaschine geschriebenen Mitteilungen sind das Produkt einer ungewöhnlichen Intelligenz. Der Inhalt ist nicht nur der Sache entsprechend, sondern beweist auch Konzentration und den Gebrauch eines normalen Gedächtnisses. In mehreren befinden sich zwischengeschriebene Verbesserungen und Hinzusetzungen, welche das Gesagte noch ausführlicher ausdrücken. In ihren Briefen an ihren Anwalt, welche ich sorgfältig gelesen habe, befinden sich mehrere, in denen sie Erklärungen zwischen den Zeilen geschrieben und ihm zurückgeschickt, und aus ihren Antworten ersieht man ihre Pünklichkeit und Energie. Die Handschrift ist außerordentlich fest für eine Person ihres Alters, fehlerlos und richtig. Ihre Worte sind gut gefaßt und obwohl etwas zitternd, — bei alten Leuten nichts Ungewöhnliches, — und vielleicht auch daher, daß ihre Gedanken schneller kommen als sie schreiben kann, so sehe ich dies durchaus nicht als pathologisch an.
Aus den vielen beigefügten Briefen ergibt sich kein geistiger Mangel. In den Briefen an Mr. Farlow zeigt sich eine scharfsinnige Besorgnis für ihr Verlagsrecht und der Wunsch eine Verletzung des Verlagsrechtes zu vermeiden; es zeigt sich eine Anerkennung dessen, was er für sie getan hat, gewisse Anweisungen über die Vorbereitung der Kirchenliteratur und andere mit ihrem täglichen Leben und ihrer Stellung als Haupt der Kirche, verbundenen Angelegenheiten. Ich finde in den Briefen an Mr. McLellan dieselbe intellektuelle gute Ordnung und da ist faktisch nirgends die entfernteste Angabe geistiger Schwachheit zu entdecken. Ich finde besonders Interesse an den Papieren, die Mrs. Eddy seit März 1906 bis auf den heutigen Tag geschrieben. Diese Papiere, welche, soviel ich weiß, von ihr vorbereitet oder schriftlich abgefaßt wurden, beweisen einzeln oder zusammen große intellektuelle Kraft und Festigkeit, und mit Bezug hierauf mache ich auf den Entwurf einer Vollmacht aufmerksam, die im März 1906 ausgestellt ist, und eine andere im Februar 1907, die als Grundlage für die Vollmacht zu Gunsten von George W. Glover und seiner Familie diente.
Ich habe auch die Anweisungen in dem Briefe vom 12. Feb. 1907 gelesen, welche in einem von Mrs. Eddy geschriebenen Brief, an ihren persönlichen Anwalt Mr. Streeter, eingeschlossen waren und die einen ausgedehnten Briefwechsel verursachten. Alles dieses beweist, daß sie eine feste Absicht und große Überlegungskraft besaß, welches natürlich dem Impulsiven entgegengesetzt ist, daß sie gute und hinlängliche Gründe zur Ausfertigung einer Vollmacht hatte, daß sie einen festen Zweck zur Ausführung ihrer ursprünglichen Idee verfolgte, für ihre nächsten Verwandten zu sorgen und die Interessen der Kirche der Christian Science zu fördern. Sie bewies Fähigkeit, andere für sie Beschäftigte, anzuweisen und zu kritisieren und auch eine normale Willenskraft, die sie richtig ausübte. Sie verstand Einzelheiten zu schätzen, Fehler zu verbessern und andere recht zu leiten, welches eine Aufmerksamkeit erforderte, die geistesschwache Personen nicht besitzen. Sie hatte ein vollkommenes Verständnis ihrer Umgebung und der Pflichten und Verpflichtungen derer, die sie umgaben.
Ich besuchte sie in ihrem Hause am 12. August um 2 Uhr nachmittags. Ich sah eine zarte Gestalt etwas von der Hitze angegriffen, doch kein Zeichen einer Erregung, welches Wahnsinn oder nervöse Krankheit vermuten ließ. Ihr Ausdruck war intelligent und stimmte mit dem was sie tat und sagte, überein. Sie benahm sich mit Würde, obwohl herzlich und besaß einen gewissen Humor, der sie veranlaßte, die „nächsten Freunde” als „nexters” zu bezeichnen. Ich bemerkte weder Zittern noch Zögern in ihrer Sprache, und mit Ausnahme einer geringen Taubheit fehlt Mrs. Eddy nichts. Sie verstand völlig die Absicht und den Grund meines Besuches und war ganz bereitwillig meine Fragen zu beantworten, so lange sie konnte. Sie zeigte keine unnatürliche Gefühlserregung und antwortete schnell und intelligent, wenn sie die Frage hörte.
Beim Beginn unserer Unterredung sagte sie, daß sie kein Vorurteil gegen Ärzte hätte. Sie erzählte im Gegenteil, ein Vetter von ihr wäre regelmäßiger Arzt gewesen, der sich der Homöopathie zugewendet hätte, und ihr Vater hätte deshalb geglaubt ihr Vetter sei wahnsinnig geworden; er hätte aber Mrs. Eddy behandelt, die infolgedessen besser wurde; und dann hätte sie selbst Experimente gemacht, nach und nach schwächere Medizin gebend, bis sie schließlich das Getränk ohne irgendwelche Medizin gab, und dennoch wurden die Patienten besser. Sie erwähnte ihre Bloslegung des Spiritualismus für welchen sie sich eine Zeitlang interessierte. Später hatte sie verschiedene Religionen geprüft, die älteren Prediger verschiedene Male kritisiert und war schließlich zu der Idee gekommen, daß unendliche Liebe und Erlösung universal seien; mit andern Worten, daß sie ihren jetzigen Glauben als Schlußfolgerung ihrer früheren Erfahrungen angenommen habe.
Sie wies darauf hin, daß sie eine ungeheure Arbeit getan hätte und noch tue, und ich wußte, daß das wahr ist. Sie zweifelte nicht daran, diesen Prozeß zu gewinnen; ihre Anhänger hätten ihr vielfach geholfen und daß sie mich gerne auf ihrer Seite hätte. Über ihre Angelegenheiten befragt, sagte sie, ihr Vermögen wäre in den Händen dreier Verwalter, Henry M. Baker, Archibald McLellan und Mr. Fernald aus Concord; sie hätte dies getan, da es mit ihrem Glauben übereinstimmte, daß wir nicht zweien Herren dienen können, Gott und Mammon. Auch hätte sie dies getan, sicher zu sein, daß ihr Vermögen später dahin käme, wo sie es zu haben wünschte, nämlich an die von ihr gegründete Kirche. Sie wiederholte, daß die Verwalter der Vollmacht, Mr. Baker, Mr. McLellan und Mr. Fernald seien, daß sie Mr. Baker erwählt hätte, weil er ein guter, erfolgreicher und vertrauenswerter Mann wäre, und auch die andern würden ihr Geld pflichtgetreu verwalten.
Sie machte die Bemerkung, daß sie für ihren Sohn gesorgt, ihm ein Haus gebaut und von oben bis unten möbliert, und alles für ihn getan hätte; daß sie am letzten Februar Geld für ihn in Verwaltung getan, er hätte jedoch weder seine Assekuranz, seine Wahltaxe noch seine anderen Steuern bezahlt und sie glaubte, daß er in Schulden geraten würde, und daß sie eine einhundert und fünfundzwanzigtausend Dollars Vollmacht gegründet und sie „den Händen des ehrenwerten Mannes [auf Mr. Streeter weisend] und zwei andern anvertraut hätte.” Sie sprach davon, daß sie vor vielen Jahren als ihr Mann starb, ihren Sohn gebeten hätte, nach Hause zu kommen und gesagt hätte: „Du bist alles was ich habe, komm’ und bleibe bei Mutter, und ich will Dir all mein Vermögen, all mein Grundeigentum geben. Hier findest Du eine Heimat und Deine Mutter, wenn Du kommen und bei mir wohnen willst.” Aber er schlug es ab. Sie erwähnte die Bedingung in ihrer Vollmacht, daß George Washington Glover und Andrew Jackson Glover eine verschiedene Erziehung haben sollten.
Von meiner Kenntnis dieser Sache und einer vorsichtigen Prüfung der mir vorgelegten Briefe und Dokumente und meiner Untersuchung von Mrs. Eddy, bin ich vollkommen überzeugt, daß sie fähig ist für sich selbst und ihre Angelegenheiten zu sorgen und daß sie in keiner Weise gezwungen wird. Es ergibt sich, daß sie immer den ersten Schritt macht. Die Anklagen gegen Mrs. Eddys Glauben an „boshaften tierischen Magnetismus” sind lächerlich. Ich bin überzeugt, daß die Worte nur als synonymisch für boshaften Einfluß, für boshaften oder lügenhaften tierischen Magnetismus gebraucht werden und daher nur, wie die Franzosen sagen ein „façon parler“ sind. Sie hat sicherlich genug Verdruß gehabt um weitere Störungen zu befürchten, wie z. B. das Gerücht ihres Todes und das Einbrechen in ihr Haus und der Diebstahl wertvoller Papiere. Daß sie sich falsche Vorstellungen über ihren Sohn macht, ist Unsinn, denn nur ein paar Tage, ehe er den Prozeß anfing, um sie für unfähig zu erklären hatte sie ohne Anregung die Vollmacht ausstellen lassen um für ihn und seine Familie zu sorgen. Mrs. Eddy hat keine wahnsinnigen Ideen und drückt schriftlich und sonstwie einfach den Hauptpunkt ihres Glaubens aus, an welchen sie und achthunderttausend andere glauben. Wie unwahrscheinlich und unannehmbar er der Welt erscheinen mag, ist er dennoch nicht merkwürdiger als schon frühere oder heute noch existierende, da ihre angeblichen Illusionen über Mesmerismus, über die Unwirklichkeit der Materie und die Heilkraft ein Hauptpunkt in vielen religiösen Glauben sind.
Über ihr Vermögen befragt, sagte sie, es sei meistens in Hypotheken angelegt, sie könnte nicht überredet werden Aktien zu kaufen, nicht einmal Prioritätsaktien. Einmal hätte sie den Rat eines Schülers befolgt und zehntausend Dollars verloren und seitdem hätte sie nie wieder Aktien gekauft. Auf die Frage, ob sie sich für Minenaktien interessiere, antwortete sie: „Nein.” Auf die Frage, ob jemand versucht hätte, sie zu bereden Minenaktien zu kaufen, antwortete sie: „Allerdings.” Auf die Frage: „Wer?” antwortete sie: „Mein Sohn.” Sie sagte, daß sie bei der Geldanlage immer wählte was sie wollte, Regierungs- oder Staats-Fonds. Sie sagte, sie hätte ein Buch, in dem sie nachschlug um sich über die Einwohnerzahl der großen Städte zu orientieren und dadurch wußte ob die Stadt zahlungsfähig sei. Auf die Frage, ob die Größe der Stadt einen Unterschied ausmachte, sagte sie: „Ich habe es so gefunden,” und daß sie immer deren Wert beurteilt hätte.
In der ganzen Unterhaltung war auch keine Spur von einer geistigen Krankheit zu entdecken. Sie zeigte keine Wahnvorstellungen, was sie, wenn sie, wie behauptet wurde schwachsinnig wäre, getan hätte. Auch gebrauchte sie nicht ein einziges Mal den Ausdruck „tierischer Magnetismus,” was so viel ich weiß als Beweis ihres Geisteszustandes angeführt wurde. Ihr persönliches Aussehen war hübsch und reinlich, und mir wurde gesagt, sie sei in ihrem Haushalte sehr sorgfältig, schnell jede Veränderung der Möbel, Bücher oder Verzierungen bemerkend; sie gebe ihre eigenen Befehle, dirigierte ihre Dienstboten und gäbe ihren Rat zur Auswahl der Nahrungsmittel. Während meines Besuches hörte ich vielfach elektrische Glocken schellen, wahrscheinlich Signale, und mir wurde gesagt, daß sie diese Anordnung getroffen um die verschiedenen Mitglieder ihres Hauses zu sich zu rufen Sie bezahlt ihre eigenen Rechnungen, erkundigt sich manchmal nach gewissen Ausgaben, spricht von einer Abwechselung der Speisekarte, nimmt Interesse an den Angelegenheiten ihrer Heimatstadt und den Tagesereignissen.
Ehe ich Abschied nahm, ließ sie ein Exemplar ihres Buches „Science and Health“ bringen, versah es mit ihrem Autographen und bat um Entschuldigung, daß ihr bei der Unterschrift die Hand zitterte.