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Die Täuschung des materiellen Sinnes

Aus der Januar 1912-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Das sterbliche Dasein ist ein Zustand der Selbsttäuschung und nicht die Wahrheit des Seins”, sagt Mrs. Eddy („Science and Health“, S. 403). Das trügerische Wesen gewisser Phasen der menschlichen Erfahrung ist einem jeden klar. Der Traum während des Schlafes versetzt uns in eine Welt phantastischer Formen und Zustände, welche zwar von dem Traum-Standpunkte aus wirklich erscheinen, deren Unwirklichkeit aber sofort offenbar wird, wenn die normaleren Bedingungen des wachen Zustandes wieder zur Geltung kommen. Gleicherweise scheint auch derjenige, der sich der Annahme einer durch einen andern ausgeübten hypnotischen Macht unterwirft, Gegenstände zu sehen und zu fühlen, die tatsächlich nur als Illusionen eines abnormen Bewußtseins bestehen. Ein Geisteskranker kann sich in dem Wahne befinden, er sei von Teufeln besessen oder er befinde sich auf einer Reise in fernen Ländern, obgleich seine Erfahrungen reine Einbildungen sind. Ferner liefern Halluzinationen und abergläubische Annahmen der verschiedensten Art ein treffendes Beispiel für die regel- und gesetzlosen Neigungen des sogenannten menschlichen Geistes, wenn auch in geringerem Grade. Keine Art des Sinnenwahnes erscheint demjenigen Bewußtsein, in dem er herrscht, als solcher. Der Umstand, daß die Menschheit sich einen gewissen Maßstab zurechtgelegt hat, demgemäß sie sich selber Vernunftmäßigkeit, Normalität und Untäuschbarkeit zuerkennt, ist kein Beweis, daß sie im wahrsten und höchsten Sinne ein Recht dazu hat.

Eine solche Folgerung erfüllt nur die Anforderung der menschlichen Annahme. Obschon die Welt keinen zwei Menschen unter den anderthalb Milliarden Einwohnern des Erdballs ganz gleich erscheint, so ist doch in der Regel ein jeder völlig überzeugt, daß seine Auffassung der Dinge im wesentlichen richtig ist. Der Umstand, daß bestimmte Ansichten allgemein vertreten worden sind, beweist keineswegs ihre Richtigkeit, denn viele der gröbsten Irrtümer haben die größte Verbreitung gefunden. Wenn also fast jedermann das materielle Dasein für wirklich und echt hält, so folgt daraus noch nicht, daß dies tatsächlich der Fall ist. Das Denken muß danach streben, in gewissem Maße den beschränkten Gesichtspunkt und die engen Grenzen der materiellen Annahmen zu verlassen; erst dann wird es das Wesen des wahren Seins und die Unwirklichkeit und Traumartigkeit des als sterbliches Dasein erkannten Zustandes erkennen. Wir bezeichnen einen Traum nicht deshalb als unwirklich, weil alle Einzelheiten desselben notwendigerweise vernunftwidrig sind, sondern weil der Standpunkt, von dem aus das Phänomen als ganzes gesehen wird, ein falscher ist. Ebenso verhält es sich Mit der materiellen Welt, welche die Tagesträume der Sterblichen bildet. Obgleich die Natur, selbst wenn man sie materiell auslegt, Elemente der Schönheit, der Ordnung und Echtheit zu besitzen scheint, so erweist sich doch die ganze Vorstellung vom Leben auf materieller Grundlage als unlogisch, als ein Widerspruch in sich selbst, wenn man die Welt vom Standpunkte des Daseins eines Schöpfers aus betrachtet, der unendliche Weisheit, Macht und Liebe ist.

Vor beinah zweitausend Jahren erregte ein galiläischer Reformator den Hohn und die Feindseligkeit der Gelehrten sowohl wie der Ungebildeten, indem er darauf bestand, daß die allgemein gültigen Lehren über das Weltall falsch sind, daß die Schöpfung in Wirklichkeit geistig und die materiell erzeugte und entwickelte Ordnung der Dinge nur ein trügerischer Schein ist, der auf einer ungeistigen Grundlage entsteht. Ferner bewies er die Wahrheit seiner Anschauung durch seine Werke, welche dem Gedanken seiner Zeitgenossen zufolge die allgemeine Naturordnung umzustoßen schien. Die normale, wirkliche Ordnung der Dinge, wie Gott sie festgestellt hat und wie sie dem geistig erweckten Blick erscheint, nannte er „das Reich Gottes”. Er erklärte ferner, daß diese Ordnung der Dinge stets vorhanden ist, um von dem Menschen erkannt zu werden; daß Substanz, Gesetz und Ordnung geistig und harmonisch sind, und daß das Weltall nur deshalb der Disharmonie, dein Übel, der Sünde, der Krankheit und dem Tode unterworfen zu sein scheint, weil die Sterblichen es wegen ihres abnormen Gesichtspunktes nicht richtig sehen. Gewiß sah er das Übel in seinen mannigfaltigen Erscheinungsformen; aber er durchschaute es als einen Betrug, als eine unwirkliche Darstellung einer vermeintlichen Macht, die nicht auf Wahrheit beruht. Er verwarf den materiellen Begriff vom Dasein als unnatürlich, widerrechtlich und den Tatsachen nicht entsprechend — kurz, als das Werk des „Teufels”, den er als die Verkörperung der Falschheit, der Täuschung und des Trugs, als einen „Lügner” und einen „Vater derselbigen” bezeichnete.

Diese falsche Auffassung von der Ordnung der Dinge nannte er „diese Welt” im Gegensatz zu der wirklichen und dauernden, der geistigen Welt, die Gott erschaffen hat und erhält. Er wies seine Nachfolger an, seinem Beispiel gemäß, den Glauben an die Materialität oder den materiellen Sinn durch ein geistig erleuchtetes Verständnis von Gott und Seiner Idee oder Schöpfung zu überwinden. Daher sagte er: „Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die Ich tue”. Als er erklärte, seine Nachfolger müßten ihr Verständnis seiner Lehre dadurch beweisen, daß sie dieselben Werke tun, die er tat, so war das durchaus keine Anmaßung. Er sprach einfach die bis dahin noch unerkannte Wahrheit aus, daß die Auffassung von Gott als Alles-in-allem logischerweise und notwendigerweise zur Vernichtung der Ansprüche der materiellen Sinne führt, welche für die Gegenwart oder Macht des Übels oder der Materie zeugen.

Wie ein Dampfdruckmesser den Druck im Kessel angibt, so war für den großen Demonstrator des Christentums die Fähigkeit, durch göttliche Macht zu heilen, der Beweis für die geistige Gesinnung eines Menschen. Der Irrtum hat sich von jeher hinter den Einwand verschanzt, die Welt sei materiellen Gesetzen gemäß geschaffen worden und es sei töricht, Zustände ändern zu wollen, die ein allweiser Schöpfer einzurichten für gut befand. Die Christian Science lehrt jedoch, daß die Welt nicht so besteht und nie so erschaffen wurde, wie sie dem materiellen Sinn erscheint, und daß unsre Aufgabe darin besteht, falsche Annahmen zu berichtigen, bis die menschlichen Begriffe völlig der göttlichen Idee, der von Gott geschaffenen Welt entsprechen.

Diejenigen, die physische Phänomene erforscht haben, haben zu allen Zeiten das trügerische Wesen des Sinnenzeugnisses erkannt; es gelang ihnen jedoch nicht, sich über den Zustand der Selbsttäuschung jener Art von Mentalität, die sich das Leben als auf physischen Vorgängen beruhend und durch physische Vorgänge bedingt denkt, Klarheit zu verschaffen, bis Mrs. Eddy das Prinzip und die Wissenschaft entdeckte, auf die sich die früheren Demonstrationen des Christentums stützten. Durch Erfahrung erlangte sie die Gewißheit, daß das Weltall geistig ist und daß Materialität in dem Maße verschwindet, in dem der Geist, der auch in Christo Jesu war, zum Ausdruck kommt. Mrs. Eddy sagt uns ferner, die wandelbaren Formen der Materie, der sterbliche Körper und die materielle Erde seien die vergänglichen Gebilde des menschlichen Geistes. Sie haben ihre Zeit, ehe die dauernden Tatsachen und deren Vollkommenheit im Geiste in die Erscheinung treten. Dadurch, daß die Christian Science für die Traumartigkeit (im relativen Sinne) des dem normalen menschlichen Bewußtsein fremden Zustandes den Beweis liefert, zeigt sie, warum das spekulative Denken schon so oft von der Lösung des Daseins-Problems im wahren und endgültigen Sinne hat absehen müssen. Jeder Versuch, die Phänomene eines Traumes vom Traumstandpunkte aus zu erklären, führt nur noch zu größerer Verwirrung.

Die Sterblichen müssen von dem Traum des materiellen Daseins genügend erwachen, um ihn als solchen zu erkennen. Dann erst vermögen sie den Sinn des Lebens auf einer rein geistigen Grundlage zu begreifen. Das Heilungswerk der Christian Science bringt die Sterblichen dem Punkte näher, wo sie das Irrige ihrer falschen Anschauung von den Dingen einzusehen beginnen und dadurch auf die Notwendigkeit hingewiesen werden, ihr Heil von dem Standpunkt des wahren Seins aus auszuarbeiten.


Wenn du auch weißt, was recht oder unrecht ist, das wird dich nicht in den Himmel bringen, sondern wenn du das tust, was du weißt. Das Reich Gottes ist kein loses, unnützes Geschwätz, sondern etwas, was einen Nachdruck hat und ins Leben übersetzt wird, sonst wird, je mehr du weißt, desto größer deine Verdammnis sein.

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