Als Jesus am Ufer des galiläischen Meeres, in den umliegenden Städten und Dörfern und am Wege die Kranken heilte, tat er diese Werke nicht nur, damit die Kranken geheilt würden, sondern auch, weil sie zur Erläuterung des Evangeliums, das er verkündete, unerläßlich waren. Es war das Evangelium, welches, wenn es verstanden und betätigt wird, die Kranken stets heilt.
Als der große Lehrer den Zwölfen Unterweisung erteilte, ehe er sie in die Welt hinaussandte, damit sie ihre Mission erfüllten, lag es offenbar in seiner Absicht, den Menschen zu der Erkenntnis zu verhelfen, daß das Reich Gottes „nahe herbeikommen” [nach der Englischen Bibel „zur Hand”] war. Diese Kenntnis von der Allmacht und Allgegenwart Gottes mußte Irrtum und Übel jeder Art zerstören; und Jesu Jünger, die seinen Unterweisungen gelauscht und ihn jene wundervollen Heilungswerke hatten ausführen sehen, als Beweis der Macht der Wahrheit zur Heilung von Krankheit und Befreiung von Sünde, konnten nicht umhin, die Heilungen der Kranken als einen Teil ihrer Aufgabe zu betrachten. Mit andern Worten: „Jesus erkannte (und auch seine Jünger mußten erkennen), wie notwendig es ist, die Menschheit durch solche Werke davon zu überzeugen, daß seine Lehre kein „loses Geschwätz” war, obgleich sie von dem Buchstaben, den die Schriftgelehrten und Pharisäer verkündeten, auffallend abwich.
Was nun die gegenwärtige Notwendigkeit einer überzeugenden Darlegung des Evangeliums betrifft, so haben sich weder die Zeiten noch die Menschen im geringsten geändert. In dieser Hinsicht sind sich das erste Jahrhundert der Christenheit und das zwanzigste Jahrhundert gleich. Mrs. Eddy erkannte diese Übereinstimmung, als sie schrieb: „Jesus bewies in vollkommener Weise, insoweit das in jener Zeit möglich war, was auch die Christian Science heutigestags in beschränktem Maße beweist, nämlich die Unrichtigkeit des Zeugnisses der materiellen Sinne, die da behaupten, Sünde, Krankheit und Tod seien vernunftgemäße Ansprüche, und Gott beglaubige ihr Zeugnis dadurch, daß er ihre Ansprüche kenne” („No and Yes“, S. 38).
Jesus gab seinen Nachfolgern den Auftrag, die Kranken zu heilen und das Evangelium zu predigen. Das Heilen kann von dem Predigen nicht getrennt werden. Dies geht besonders aus seiner Erklärung hervor, daß diejenigen, „die da glauben”, befähigt sein würden, die Kranken zu heilen. Gehen wir in Anbetracht dieses bestimmten Ausspruchs des Meisters zu weit, wenn wir als Christian Scientisten erklären, daß das Christentum nur insofern Christentum ist, als es diesem großen Auftrage nachkommt? Das Reich Gottes ist jetzt ebenso „nahe herbeikommen”, wie zur Zeit, da der Meister dessen Vorhandensein seinen unmittelbaren Nachfolgern zum Bewußtsein brachte. Jesus heilte die Kranken und die Sünder dadurch, daß er Gott als allgegenwärtig und allmächtig und den Menschen als Sein Ebenbild und Gleichnis erkannte. Er lehrte sonnt (wie uns Mrs. Eddy erklärt), daß „das Reich Gottes ... unverändert und allumfassend, und der Mensch rein und heilig” ist („Science and Health“, S. 477).
Jesus wies seine Nachfolger ferner nachdrücklich auf die Notwendigkeit hin, am ersten nach dem Reich Gottes zu trachten, und zwar nicht damit ihnen die materiellen Dinge zufallen möchten, sondern allein um des Reichs Gottes willen, so unsicher ihnen auch ihr Lebensweg erschien. Er erklärte, das Erlangen und der Besitz dieses Reiches Gottes „inwendig” sei das eine, was man wünschen und erstreben müsse, und nicht der materielle Besitz, welcher gleich der glänzenden Seifenblase bei der geringsten Berührung in nichts zergeht. Er erklärte seinen Zuhörern ganz deutlich, es sei unmöglich, das Reich Gottes durch ein Bestreben zu erlangen, dessen einzige Triebfeder der Wunsch sei, in den Besitz materieller Dinge zu kommen, die er aufgezählt hatte. Wohl aus diesem Grunde legte er so viel Gewicht auf das Suchen nach dem Reich Gottes. Er betonte, daß das Himmelreich die erste Stelle einnehmen müsse, und daß demselben gegenüber aller materielle Besitz gar nicht ins Gewicht falle.
In „No and Yes“ (S. 46) schreibt Mrs. Eddy: „Der Mensch hat eine edle Bestimmung; die volle Bedeutung dieser Bestimmung ist in den von Sünde und Krankheit Gebundenen aufgedämmert”. Wenn die Menschheit am ersten nach dem Reich Gottes und nach Seiner Gerechtigkeit trachtet, in dem Sinn, daß sie allein um des Reichs Gottes willen nach demselben trachtet, und wenn jeder andre Wunsch beseitigt ist, dann wird in der Tat das Reich Gottes „inwendig” in den Menschen sein, und die Kranken werden eben so gewiß geheilt werden, als zur Zeit, da Jesus auf Erden wandelte. Wir dürfen nie vergessen, daß Arbeit in der Christian Science nur dann wirksam und erfolgreich ist, wenn sie um ihrer selbst willen geschieht, nämlich in selbstloser, liebevoller und mitleidsvoller Weise. Dann und nur dann ist das Reich Gottes „nahe herbeikommen”.