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Das Lehrbuch der Christian Science

Aus der Mai 1912-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Kulturgeschichte hat nur sehr wenige Bücher aufzuweisen, die einen dem Buche „Science and Health with Key to the Scriptures“ auch nur vergleichbaren Einfluß ausgeübt haben. Wohl kann auf dem Gebiete der Literatur, Philosophie oder religiösen Auslegung eine Schule entstehen, die sich durch mehrere Zeitalter hindurch behauptet. Als das Werk eines Einzelnen kann sie jedoch nur selten betrachtet werden, denn meist bedarf es des Wirkens einer Schar von Anhängern und der Entwicklung einer einschlägigen Literatur. Der Verfasserin von „Science and Health“ ist es jedoch gelungen, innerhalb vierzig Jahren einzig und allein durch die Macht, die durch dieses wunderbare Buch offenbart worden ist, eine religiöse Bewegung zu gründen, der sich Hunderttausende angeschlossen haben, darunter Leute von hoher Intelligenz, so daß die Christian Science mit ihrer Botschaft die zivilisierte Welt sozusagen umspannt. Obgleich sich aus dieser Lehre sicher eine Literatur entwickeln wird, so hat sie, streng genommen, bis jetzt noch keine außer den Schriften ihrer Begründerin. Mag man auch den Lehren der Christian Science nicht beistimmen, so wird man dennoch zu der Einsicht gelangen und zugeben müssen, daß dem Buch „Science and Health“ ein ganz hervorragender Platz in der Weltliteratur gebührt. Ein Buch, das keine Anerkennung findet, kann bedeutend sein, in letzter Linie ist aber doch der positiv fördernde Einfluß desselben entscheidend für seinen Wert.

Ein auffallendes Merkmal an „Science and Health“ sind zunächst seine literarischen Eigenschaften. Eine solche Klarheit der Ausdrucksweise hat kein andres metaphysisches Werk auszuweisen. Wenn wir bedenken, welche Schwierigkeiten der Übertragung geistiger und metaphysischer Gedanken in die gewöhnliche Sprache entgegenstehen, und mit welch bescheidenen Erfolgen die Verfasser auf diesem Gebiete bei ihrem Bestreben, ihre Gedanken in leicht faßliche Form zu bringen, sich haben begnügen müssen, so kann man nur über die Kraft und Klarheit des Ausdrucks in diesem Buche staunen. Bedenkt man ferner, daß jede Wissenschaft und jedes philosophische System in technischer, dem Laien meist unverständlicher Sprache dargelegt ist, so muß „Science and Health“ schon deshalb als einzigartig bezeichnet werden, weil es trotz der scheinbaren Unfaßbarkeit des behandelten Gegenstandes dennoch, wie die Bibel, als Ganzes von dem einfachen Mann leicht verstanden wird. Abgesehen von dem unvermeidlichen Gebrauch mancher technischer Ausdrücke herrscht das einfache angelsächsische Wort vor. Die Sätze zeichnen sich durch Rythmus und Wohlklang aus, was beim Lesen nicht wenig zum Genuß beiträgt. Die Abschnitte sind kurz, das Interesse wird stets wachgehalten, und Sätze wie Abschnitte erfüllen die höchsten Ansprüche eindrucksvoller Schreibart. Das Buch hat einen einzigartigen und meisterhaften Stil, der sehr wohl als musterhaft angesehen werden kann.

Das hervorragendste Merkmal von „Science and Health“ ist jedoch sein machtvoller Einfluß im Krankenzimmer. Dieses Buch bringt zahllosen hoffnungslos Darniederliegenden einen Frieden und eine Gewißheit, die sich nur aus dem Geist erklären läßt, der es durchweht. Man gebe Kranken sogenannte wissenschaftliche Abhandlungen über das Wesen ihrer Leiden und deren Behandlung zu lesen, und die Krankheitssymptome werden sich in vielen Fällen verschlimmern. Dies geben sogar Ärzte zu. Das Lesen von „Science and Health“ erweckt im Patienten kein Angstgefühl, sondern wirkt beruhigend auf ihn. Krankheit und deren Symptome werden darin nirgends beschrieben. Das Buch bringt dem Leidenden den „Sonnenschein der Wahrheit” (S. 162) in bezug auf seinen Zustand. Aber noch interessanter und bedeutsamer ist: es vermag die im Bewußtsein des Patienten vorhandene Furcht sowie seine Vorurteile zu beseitigen und den Leidenden zu überzeugen, daß Gesundheit des Menschen ewiger Besitz ist. Unter Leuten, die sich einer guten Gesundheit erfreuen, mögen die verschiedensten Ansichten über das Buch herrschen; die Kranken hingegen, die darin forschen, sind sich über seinen Wert so ziemlich einig.

Ein drittes Merkmal von „Science and Health“ ist die wunderbare geistige Anschauung, die unmittelbare Erkenntnis oder Intuition, welche die Verfasserin darin bekundet. Ich weiß teils aus eigner Erfahrung, teils aus Beobachtung, daß dieser intuitive Faktor bei manchen Lesern Verwirrung hervorruft. Die Verfasserin des Lehrbuches steht im Sonnenschein und ergeht sich mit mehr als menschlicher Sicherheit frei über Dinge, die den übrigen verborgen sind. Sie argumentiert nicht, bedient sich nicht immer eines Vernunftschlusses, um ihre Behauptungen zu beweisen. Sie arbeitet sich nicht im Sumpfe der Disputierkunst ab, wie sich Emerson gelegentlich einmal äußerte, sondern gelangt, wie der große Meister, durch unmittelbare geistige Anschauung zur Wahrheit und verkündet dieselbe. Klarheit der Erkenntnis verbunden mit maßvoller und edler Sprache ist immer ein Kennzeichen des Genies.

Alle großen Religionsführer haben diese Eigenschaften in hervorragendem Maße besessen. Religiöse Bewegungen werden durch diese ungewöhnliche Gabe ins Leben gerufen, ja gründen sich auf derselben. Die meisten Menschen folgen dem vielbetretenen Pfad; zur Auffindung neuer Wege bedarf es jedoch des hellen Lichts der geistigen Anschauung. Ein Amos kommt von den Hirten zu Thekoa, ein Elisa sucht Ahab heim, ein Jesaja verkündet dem verderbten Hof die Wahrheit, ein Luther richtet seine donnernde Anklage gegen ein verkommenes Zeitalter, und ein Wesley deutet abermals das Leben, das „verborgen” ist „mit Christo in Gott.” Der leitende Faktor ist jedoch stets das „so spricht der Herr” ihres eignen Herzens, d. h. ihre Erkenntnis der Gerechtigkeit. Einblick haben besteht nicht darin, daß man ins Leere starrt, sondern bedingt ein Eindringen in die Probleme des Lebens und ein Erkennen des Zwecks und Ziels desselben. Der tiefe Einblick in die menschliche Natur, das Erfassen der Daseinsprobleme und das zielbewußte Vorgehen drücken dem Buche „Science and Health“ den Stempel geistigen Anschauungsvermögens auf.

Zum Einblick der Verfasserin in die menschliche Natur gehört auch ihr ganz ungewöhnliches Erkennen verborgener Beweggründe, falscher Gemütsbewegungen, falscher Tugenden, der Neigung, sich falschem Schein zu unterwerfen usw. Sie blickt von oben herab, nicht von unten hinauf, und mißt alle Dinge mit dem Maß unsterblicher und ewiger Werte. Die Art, wie sie über Bräuche und Anschauungen verfügt, die lange für trefflich und schätzbar gegolten haben, ist nicht nur einzigartig, sondern überzeugend und endgültig. Teilnahmsvolle Liebe durchzieht das ganze Buch, nirgends aber wird den Schwachheiten ein Platz eingeräumt oder dem Unrecht Schutz gewährt. Die Heilmethode, die es von Anfang bis zu Ende lehrt, vernichtet Krankheit und Sünde.

Der Einblick von „Science and Health“ in die Probleme des Daseins wirkt geradezu umwälzend. Das Gott Alles ist, daß Er Geist ist und daß Geist daher Alles ist, diese Erkenntnis vernichtet die Basis der materialistischen und dualistischen Theorien. Sie entzieht dem Glauben an materielle Verursachung den Grund und Boden und vernichtet die Möglichkeiten einer Nebenursache, im technischen Sinn des Wortes. Sie beseitigt Fragen der sogenannten übernatürlichen Vermittlung, indem sie zeigt, daß das Materielle lediglich die Sinnesauslegung der Dinge ist. Sie räumt mit der Möglichkeit der Evolution als eines physisch begründeten Vorgangs auf, indem sie darauf hinweist, daß Fortschritt und Verursachung mentaler Art sind. In ihrer Erkenntnis des mentalen Ursprungs von Krankheit und deren Heilung durch den göttlichen Geist (Mind) trifft die Christian Science die Grundursache der menschlichen Leiden, nimmt aber einen bemerkenswert optimistischen Standpunkt ein, indem sie die Anschauung vertritt, daß das Leiden weder als ein dauernder noch als ein notwendiger Bestandteil des Seins aufgefaßt werden kann. Mit der zunehmenden Verbreitung der in „Science and Health“ vertretenen Theorie der Ursächlichkeit werden viele jetzt allgemein geltende Hypothesen vom Schauplatz des Denkens verschwinden. Der Christian Science zufolge gilt nur geistiges Sein als Wahrheit und Wirklichkeit.

Ein viertes Kennzeichen von „Science and Health“ ist das darin zum Ausdruck kommende umfassende Wissen, das man als eine Auslese des Besten auf allen in Betracht kommenden Gebieten bezeichnen kann. Es ist klar, daß die Verfasserin mit den philosophischen Theorien der Gegenwart und Vergangenheit vertraut war. Nirgends fehlt es am richtigen Verständnis für dieselben, nirgends werden sie falsch definiert. Das höchste Kennzeichen dieses Buches ist wohl das Bewußtsein oder die Gewißheit, daß es von geistigen und religiösen Endgültigkeiten handelt. Die Gewißheit, Endgültiges dargelegt zu haben, ist für jedes epochemachende Werk in der Geschichte der Philosophie bezeichnend. Plato, Kant, Hegel, Schopenhauer, sie alle glaubten ihre Lehren seien endgültig, und in gewissem Sinne hatten sie ja auch recht. Die in „Science and Health“ zutagetretende Gewißheit ist jedoch auf geistiger Erkenntnis und Demonstration gegründet, unterscheidet sich daher von jenen Darlegungen, die auf Grund ihrer von materiellen Voraussetzungen abgeleiteten Folgerungen Anspruch auf Gewißheit machen. Ich weiß, daß viele gerade an dieser Bestimmtheit oder Gewißheit am allermeisten Anstoß nehmen, und doch ist gerade dies das Kennzeichen des göttlichen Elements im religiösen Leben und in der religiösen Literatur. Sie ist die feste Burg religiöser Erfahrung. Jesu klare Erkenntnis seines wahren Wesens, seine Gewißheit, daß wohl Himmel und Erde, nicht aber seine unsterblichen Lehren vergehen würden, ist der einzigartige Zug, der ihn von allen Menschenkindern unterscheidet. Er hatte an der Erhabenheit des göttlichen Bewußtseins teil, und wir werden in dem Verhältnis christusähnlicher, wie wir uns diesem Bewußtsein nähern.

Jeder große Religionsführer hat sich durch eine solch erhabene Gewißheit ausgezeichnet. Man denke, von diesem Gesichtspunkt ausgehend, an die Propheten Israels. Sie waren imstande, gegen ein ganzes Volk Anklagen zu schleudern und auf Grund ihrer absoluten moralischen und geistigen Gewißheit den Bewegungen und Ideen ihrer Zeit entschieden entgegenzutreten. In der Kraft und Klarheit dieser gottgeborenen Gewißheit verkündeten sie die Urteile unerschütterlichen Rechts, den Sturz der Dynastien und den Verfall der Reiche. Jesus selbst erklärte: „Wir reden, das wir wissen, und zeugen, das wir gesehen haben: und ihr nehmet unser Zeugnis nicht an.” Wegen dieser Gewißheit standen die Jünger im Gegensatz zur Welt. Diese Gewißheit ist stets das Ergebnis werktätiger oder beweisbarer Religion, wird aber niemals durch weltliche Philosophie oder verweltlichtes Kirchentum gezeitigt. Das Christentum in Form eines gesetzlich eingeführten Kirchensystems erblickt in dieser Gewißheit eine Gefahr. Fast stets wird sie außerhalb der Mauern der „apostolischen Nachfolge” geboren und großgezogen, und wenn sie innerhalb derselben zur Welt kommt, wird sie bald verpflanzt.

Dieses Bewußtsein kennzeichnete die Apostel, und in der Kraft desselben predigten sie das Wort, wohin sie sich auch immer begaben, und brachten ihren Nächsten Liebe entgegen. Diese Gewißheit machte sie unüberwindlich. Sie hatten die Kraft des Christus erfahren und sahen daher der Gefangenschaft, der Mißhandlung und der Kreuzigung furchtlos entgegen. Diese Gewißheit gab den Märtyrern die Kraft, festentschlossen zum Scheiterhaufen zu gehen, wenn auch die Menge rief, sie seien dem Irrtum verfallen. Dieses Bewußtsein erhöhte den Mut solcher Männer wie Savonarola, Luther, Knox und Wesley, die alle von den religiös Gesinnten ihrer Zeit als Verführer oder Verführte angesehen wurden. Ohne Zweifel ist die Zeit abermals gekommen, da die Menschen ernstlicher nachdenken. In „Science and Health“ werden sie die Wahrheit finden, welche die Heilige Schrift erschließt, die Probleme des Seins in wundervoller Weise löst und die Beziehung des Menschen zu Gott offenbart.

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