Gehorsam, dachte man gewöhnlich, beziehe sich lediglich auf das Handeln und nicht, wie die Christliche Wissenschaft es fordert, in erster Linie auf das innerste Denken. Auf Seite 118 in „Miscellaneous Writings” stellt Mrs. Eddy fest: „Ehrlichkeit in jeder Lage, unter allen Umständen ist die unerläßliche Regel des Gehorsams”. Geistigen Gehorsam kann man nur in dem Maße erkennen und erlangen, wie man ehrlich bestrebt ist, alle irrigen Gedanken und Beweggründe aufzugeben. Der Zugang zu diesem Höhepunkt hingebungsvollen Gehorsams erfordert viele unerläßliche Schritte.
Der erste Schritt bei diesem Aufstieg ist unverkennbar der feste Entschluß, den Forderungen des göttlichen Prinzips, wo und wann wir sie erkennen, bedingungslos zu gehorchen. Gehorsam ist wie jede andere geistige Eigenschaft fortschrittlich und enthüllt immerdar neue Forderungen und neue Segnungen. Wie kann man sich nun diese unerläßliche Eigenschaft aneignen? Dadurch, daß man sich darüber klar wird, daß Gehorsam eine unveräußerliche Eigenschaft des geistigen Menschen, des Bildes Gottes, ist, von dem der geliebte Jünger schreibt: „Er kann nicht sündigen, denn er ist von Gott geboren”.
Gottes Bild weiß nichts von Ungehorsam, nichts von einem Widerspruch mit dem Willen Gottes; denn es spiegelt nur die Allwissenheit Gottes, des Guten, wider. In der Unendlichkeit des Guten gibt es nichts Widerstrebendes und weder in Gott noch in Seiner Widerspiegelung eine Doppelnatur. Daher muß der sterbliche Glaube an Ungehorsam im Lichte der unumschränkten Wahrheit als falscher Anspruch des fleischlichen Gemüts bloßgestellt und als solcher zurückgewiesen werden. Unser himmlischer Vater hat keine Schranken zwischen sich und Seiner Kundwerdung errichtet, und der zum Bilde Gottes geschaffene Mensch ist sich nur der Forderungen des Guten bewußt. Die Annahme von Ungehorsam kann den Menschen nie auch nur einen Augenblick abhalten, sich des göttlichen Gemüts bewußt zu sein. Das Verständnis der Allwissenheit Gottes und der Beweis dieses Verständnisses befriedigen jedes Verlangen, beherrschen jeden Beweggrund, lenken jede Entscheidung und Handlung.
Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, wie wir nicht nur die falschen Freuden sondern auch die falschen Leiden der körperlichen Sinne auf der Grundlage aufgeben können, daß Gott für Seine reine Widerspiegelung Krankheit so wenig wie Sünde vorgesehen hat. Wie tröstlich und ermutigend es doch ist, wenn man sich zur Wiederherstellung der Gesundheit den festen Entschluß als Ansporn dienen läßt, nur die heilsamen und wohltätigen Gesetze Gottes anzuerkennen und zu befolgen,— im wahrsten Sinne ein Nachfolger Christi, der Wahrheit, zu sein! Mrs. Eddy erklärt: „Es ist unchristlich, zu glauben, daß Schmerz und Krankheit etwas anderes als Trugvorstellungen seien” (Miscellaneous Writings, S. 68). Die Christliche Wissenschaft macht klar, daß man Krankheit genau so eifrig bekämpfen muß wie die zugegebenen Fehler Selbstsucht, Furcht, Stolz, Gleichgültigkeit oder Entmutigung. Mit was für einem Gefühl der Freiheit und der frohen Hoffnung uns die Überzeugung kommt, daß es geradeso gewiß unbedingt unsere Pflicht ist, vollkommen gesund, vollkommen tätig zu sein, wie es unsere Pflicht gegen Gott ist, gütig, reines Herzens, freudig und wachsam zu sein! Was für Segnungen jeden Schritt auf diesem Pfad des Gehorsams begleiten! Die Gespenster der Sünde und der Krankheit ergreifen die Flucht, wenn der Strahlenglanz geistigen Gehorsams das menschliche Bewußtsein überflutet.
In ihrer erleuchtenden Ansprache über „Gehorsam” räumt unsere Führerin dieser Eigenschaft einen erhabenen Platz ein, wenn sie erklärt (in dems. Buch, S. 117): „Gehorsam ist der Sprößling der Liebe, und die Liebe ist das Prinzip der Einheit, die Grundlage alles rechten Denkens und Handelns; sie erfüllt das Gesetz”. Die Gesetze Gottes stimmen mit dem Willen Gottes immer überein. Wie kann dann die göttliche Liebe Gesetze der Krankheit und des Schmerzes aufstellen oder Unterwerfung unter sie fordern? Wie kann das ewige Leben ein Gesetz des Todes erlassen? Wie kann die Alltätigkeit des göttlichen Gemüts Untätigkeit oder Hinfälligkeit auferlegen? Um den Gesetzen der göttlichen Liebe wahrhaft gehorsam zu sein, muß jeder einzelne früher oder später lernen, alle sittliche und körperliche Unvollkommenheit aus seinem Denken und aus seiner Erfahrung auszuweisen. Genau wie ein Genesender ausharren muß, bis sein Beweis erbracht ist, so muß jeder Schüler der Christlichen Wissenschaft Gehorsam als geistige Eigenschaft Schritt für Schritt beanspruchen. Er muß alle Furcht, daß er der göttlichen Führung beraubt oder zu Ungehorsam gegen sie verleitet werden könne, leugnen. Ist es nicht Ungehorsam, zu glauben, daß etwas die Führung Gottes verdunkeln oder sich ihr widersetzen könne, da Er doch das All in allem ist?
Der Entschluß, jedem Ruf Gottes, auch dem gebieterischen Ruf zur Gesundheit und Tätigkeit, Folge zu leisten, bringt die betörenden Annahmen des Zweifels, der Furcht und der Entsagung zum Schweigen. Wie sicher kann man sich der Allwissenheit Gottes anvertrauen und überzeugt sein, daß man aus dem unfruchtbaren und trügerischen Triebsande sterblicher Unwissenheit und sterblichen Eigenwillens herausund den grünen Auen der Seele zugeführt wird! Da „Gehorsam der Sprößling der Liebe ist”, ist dies nicht beschwerlich sondern erfreulich, und weist immerdar den Weg zum Himmelreich, das nach Christi Jesu Erklärung „inwendig in euch” ist.
